Das Ende ist nah – zumindest für annähernd 75 Prozent aller damaligen Tierarten.
Illustr.: Chase Stone

Vor 66 Millionen Jahren traf ein zwischen zehn und 15 Kilometer großer Asteroid mit der Wucht von Millionen Hiroshimabomben auf ein flaches, tropisches Meer und schuf an der Stelle den Chicxulub-Krater, wo heute der Norden der mexikanischen Halbinsel Yucatán liegt. Tausende Kubikkilometer aufgeschmolzenes Gestein wurden bis weit über die Stratosphäre hinausgeschleudert, ein weltweiter Flächenbrand vernichtete praktisch alle Wälder dieser Zeit.

Eine enorme Masse von Ruß- und Staubpartikeln verdunkelte schließlich den Himmel und ließ die globalen Temperaturen für Jahre unter den Gefrierpunkt sinken. Nur wenige Pflanzenarten überlebten dieses finstere Zeitalter. Insgesamt fielen annähernd drei Viertel aller damaligen Tierspezies dem Massenaussterben an der Kreide-Paläogen-Grenze zum Opfer. Bekanntlich endete mit dieser Katastrophe auch die Ära der Dinosaurier. Von den ikonischen Echsenwesen überlebten allein die Vögel das Massenaussterben, doch auch diese kamen nur sehr knapp davon.

Die Asymetrie des Chicxulub-Kraters liefert Hinweise auf Richtung und Winkel des herabstürzenden Asteroiden.
Illustr.: Gareth Collins/Imperial College London

Fataler Winkel

Dass der Asteroid eine derart verheerende Wirkung zeigte, lag nicht allein an seiner Größe, sondern auch an der Art, wie er die Erde traf: Ein Forscherteam berichtet nun im Fachjournal "Nature Communications", dass der Einschlag im "tödlichsten Winkel" erfolgte und dadurch ein Maximum an klimaverändernden Gasen in die obere Atmosphäre geschleudert wurde.

Die Spuren des Einschlags eines rund zehn Kilometer großen Asteroiden auf der mexikanischen Halbinsel Yucatan am Ende der Kreidezeit sind zum größten Teil unter Hunderten Metern Meeresablagerungen im Golf von Mexiko verborgen. 2016 hat ein Forscherteam aus zwölf Ländern erstmals Bohrungen im sogenannten "Peak Ring" im Zentrum des rund 200 Kilometer großen, nach der mexikanischen Hafenstadt Chicxulub benannten Krater durchgeführt.

Aus Österreich ist der Impaktforscher Ludovic Ferrière, Kurator der Meteoritensammlung am Naturhistorischen Museum (NHM) in Wien, an dem Bohrprojekt und der Auswertung der Bohrkerne beteiligt; er ist auch Ko-Autor der aktuellen Arbeit. Gemeinsam mit NHM-Generaldirektor Christian Köberl und dem Doktoranden Jean-Guillaume Feignon hat er die Bohrkerne detailliert charakterisiert und insbesondere die beim Impakt entstandenen Stoßdrücke abgeschätzt.

Der Impakt bei einem Einflugwinkel von 60 Grad (links) und 30 Grad (rechts).
Grafik: Gareth Collins/Imperial College London

Dinokiller aus Nordosten

Unter anderem mit Hilfe dieser geophysikalischen Daten und numerischen 3D-Simulationen haben Forscher um Gareth Collins vom Imperial College London das Ereignis reproduziert. "Es ist die erste 3D-Simulation der vollständigen Struktur und des gesamten Verlaufs der Kraterbildung", erklärte Ferriere. Die dreidimensionale Simulation zeigt, dass der Asteroid aus Nordosten kommend die Erde in einem steilen Winkel von 45 bis 60 Grad traf. Einen Einschlagwinkel kleiner als 30 Grad schließen die Wissenschafter aus.

Die oberen Erdschichten um den Chicxulub-Krater enthielten große Mengen an Wasser sowie poröses Karbonat- und Evaporitgestein. Durch die gewaltige Energie beim Einschlag wurde viel von diesem Material verflüssigt bzw. verdampft und große Mengen an Kohlendioxid, Schwefel und Wasserdampf in die Atmosphäre geschleudert. Entscheidend für die gravierenden Folgen war dabei der Schwefel, der schnell Aerosole bildet. Diese winzigen Partikel blockierten die Sonnenstrahlen und ließen so das Klima schnell abkühlen.

Direkter Vergleich der resultierenden Krater bei einem Einschlag mit 30 Grad (links) und 60 Grad (rechts).
Grafik: Gareth Collins/Imperial College London

Milliarden Tonnen Schwefel freigesetzt

Den Forschern zufolge setzte der steile Aufprallwinkel mehr klimawirksame Gase frei als ein flacher oder nahezu senkrechter Einschlag. Sie gehen davon aus, dass durch den Impakt wahrscheinlich Milliarden Tonnen Schwefel freigesetzt wurden. "Der Einschlag erfolgt in einem der tödlichsten Winkel und für die Dinosaurier ist das Worst-Case-Szenario eingetreten", so Collins.

Für die Rekonstruktion von Einschlagwinkel und der -richtung analysierten die Wissenschafter Form und unterirdische Struktur des Kraters. Entscheidend sei dabei die Beziehung zwischen dem Kraterzentrum, dem Mittelpunkt des Ringgebirges, das sich im Kraterinneren mehrere Hundert Meter über dem sonst flachen Boden erhebt, sowie dem Zentrum des dichten, hochgezogenen Mantelgesteins etwa 30 Kilometer unterhalb des Kraters gewesen. Die Mittelpunkte dieser Strukturen sind in südwestlich-nordöstlicher Richtung ausgerichtet.

Neues hydrothermales System geschaffen

Ein zweites Paper, an dem ebenfalls Ludovic Ferrière beteiligt war und das im Fachjournal "Science Advances" veröffentlicht wurde, nahm das hydrothermale Erbe des Einschlags unter die Lupe. Nach der Katastrophe zirkulierte nämlich heißes Wasser, in dem zahlreiche Mineralien gelöst waren, durch die zertrümmerten und aufgeschmolzenen Gesteine des Ringgebirges. Mehr als 100.000 Kubikkilometer der Erdkruste wurden so chemisch und mineralogisch verändert, schreiben die Wissenschafter um David Kring von der Universities Space Research Association (USA).

Das Wasser floss dabei rund um eine etwa drei Kilometer dicke Magmablase, die beim Einschlag entstanden war und strömte zum Teil auch in das über dem Kraterboden befindliche Meer. Besonders intensiv war dieses hydrothermale System in dem Ringgebirge ausgebildet, das sich mit einem Durchmesser von 90 Kilometern rund um das Zentrum des Kraters erstreckte. Die Gesteinsproben sind von fossilen hydrothermalen Röhren durchzogen, an deren Wänden sich mehrfarbige Mineralien abgelagert haben.

Jahrtausendelanges Weiterbrodeln

Die identifizierten Mineralien deuten darauf hin, dass das hydrothermale System anfangs mit Temperaturen von 300 bis 400 Grad Celsius sehr heiß war. Entsprechend lange dürfte es auch gedauert haben, bis es sich abgekühlt hat. Anhand von Mineralen, die die Fähigkeit haben, Veränderungen im Magnetfeld der Erde aufzuzeichnen, konnten die Forscher berechnen, dass die hydrothermale Aktivität im Krater mindestens 150.000 Jahre lang anhielt. Als weiteren Beleg für die Langlebigkeit dieses Systems werten die Forscher die ungewöhnlich hohe Mangankonzentration in den Sedimenten des Meeresbodens über dem Krater.

Bei den Bohrungen wurden nur an einer Stelle Proben des einstigen hydrothermalen Systems genommen. Die Ergebnisse würden aber darauf hindeuten, "dass es eine etwa 300 Kilometer lange Kette von Heißwasserschloten auf dem Peak Ring gegeben hat und dass zusätzliche Öffnungen über den Kraterboden verstreut waren, als sich die Einschlagschmelze abkühlte", so Kring. (red, APA, 30.5.2020)