Wie ist der Re-Start des Präsenzunterrichts an eurer Schule organisiert? 

Silvia: Bei uns werden die Klassen in zwei Gruppen geteilt, die sich alle drei Tage abwechseln. Jede Klasse bekommt drei Lehrkräfte, die sich alle Fächer aufteilen.

Fabian: Bei uns wird der Re-Start im ABABAB-Rhythmus ablaufen. Jeden Tag vier Unterrichtsstunden zeitversetzt (das heißt, die ersten Klassen von 7.30 Uhr bis 11.30 Uhr, die zweiten von 8 Uhr bis 12 Uhr und so weiter). Nachmittagsbetreuung und Betreuung an Hausaufgabentagen ist auf Wunsch möglich.

Anna: Wir werden die Kleingruppen jeden zweiten Tag unterrichten. Unterrichtet werden die Schülerinnen und Schüler von kleinen Teams, so dass wir im Falle einer Covid-19-Erkrankung schnell reagieren können. Allerdings ist es eine Illusion, dass man am alten Stundenplan festhalten kann.

Beate: Die beiden Gruppen kommen abwechselnd einen Tag in die Schule und haben danach einen Hausübungstag, während die andere Gruppe in der Schule ist. Nachmittagsunterricht gibt es keinen mehr und den Stundenplan haben wir neu geschrieben, sodass unter anderem jeden Tag jedes Hauptfach unterrichtet wird, damit ein klarer Rhythmus für die Kinder garantiert wird und jede Gruppe "gleich viel" bekommt.

Wie wurde das Re-Start-System beschlossen? Partizipativ? 

Silvia: Beschlossen wurde es bei uns bei einer Online-Konferenz mit Abstimmung – sehr partizipativ.

Fabian: Die Vorgehensweise wurde von der Direktorin gemeinsam mit den Teamleiterinnen und Teamleitern der vier Jahrgangsstufen festgelegt.

Anna: Bei uns wurde abgestimmt. Ob ich glücklich damit bin? Um ehrlich zu sein, ich habe keine Ahnung. Meines Erachtens hätte man zumindest die Elternvertreterinnen und Elternvertreter in diese Abstimmung miteinbeziehen sollen. Auch ist es organisatorisch nicht möglich auf Geschwisterkinder Rücksicht zu nehmen.

Beate: Wir haben über Gruppenrhythmus und Fenstertage per Mail abgestimmt. Gruppeneinteilungen haben die Klassenvorstände vorgenommen, da sie die Kinder am besten kennen. Auf Klassenebene wurde uns viel Gestaltungsspielraum, was beispielsweise den Stundenplan betrifft, eingeräumt.

Viele neue Regeln müssen nun eingehalten werden
Foto: APA/HELMUT FOHRINGER

Wo gibt es Probleme beim Re-Start an euren Schule?

Silvia: Probleme beim Re-Start sehe ich, weil die Schülerinnen und Schüler, die zu Hause bleiben (Selbstauschluss vom Präsenzunterricht) nicht zusätzlich online betreut werden. Das bedeutet, dass diese Schülerinnen und Schüler jetzt noch weniger Lernmaterial und Betreuung der Klassenlehrkräfte bekommen als vorher. Die Pausenregeln sind bei uns auch sehr restriktiv – die Kinder sollen so gut es geht in der Klasse sitzen bleiben. Nach zwei Monaten eingeschlossen zu Hause wird das meiner Meinung nach nicht möglich sein. Auch die Hygienevorschriften für die Schülerinnen und Schüler werden nicht gut durchsetzbar sein – selbst nur zwölf Kinder in einer Klasse werden nicht dazu gebracht werden können in der Pause auf ihren Sesseln zu sitzen und nur mit Mundschutzmaske mit anderen Schülerinnen und Schülern in Kontakt zu treten.

Fabian: Die Abstandsregeln einzuhalten wird für die Kinder (und Lehrerkräfte) sicher nicht leicht. Auch werden sicherlich nicht alle Eltern, die Betreuung für ihre Kinder eigentlich bräuchten, ihre Kinder auch anmelden.

Anna: Ich habe echt ein bisschen Angst, dass bei uns an der Schule der Kasernenton Einzug halten wird. Vor der Schule müssen zwei Kolleginnen/Kollegen stehen, die auf den Abstand achten. In der Klasse werden wir dauernd damit beschäftigt sein, die Schülerinnen und Schüler auseinander zu halten. Eine Kollegin hat während der Lockdown-Zeit nur vier Schülerinnen und Schülern betreut und da schon erlebt, dass sie kaum zu trennen sind. Wie auch? Nach acht Wochen freuen sie sich aufeinander. Auch bezüglich des Händewaschens wird es stressig. Mal abgesehen davon, dass wir kein Warmwasser in der Klasse haben, ist auch da zu erwarten, dass der Ton mancher Kolleginnen und Kollegen eher scharf wird. So kam zum Beispiel die Anfrage während einer Konferenz, ob man diejenigen, die sich nicht an die Regeln halten nach Hause schicken kann.

Beate: Die Abstandsregeln einzufordern wird sicher besonders herausfordernd, doch ich hoffe, dass viele Kinder das nach den ersten Wochen internalisiert haben werden. Mehr Sorgen machen  wir uns gerade um eine attraktive Unterrichtsgestaltung. Nach so langer Zeit des alleine Lernens wären Partner- und Gruppenarbeiten dringend notwendig und könnten dazu beitragen den sozialen Mangel der letzten Wochen auszugleichen. Doch das wird nicht möglich sein. Genauso wie offenes Arbeiten, bei dem sich Kinder auch mal frei durch die Klasse bewegen dürfen, um sich Material oder Hilfe bei anderen zu holen. Weil wir eine offene Ganztagsschule sind, bewirken das Streichen der Turnstunden und des Nachmittagsunterrichts längere und komprimierte Vormittage. Sechs Stunden am Stück am eigenen Platz zu sitzen ist für viele Kinder eine echte Herausforderung.

Gibt es auch Vorteile? 

Silvia: Vorteile beim Re-Start sind, dass man jetzt noch einmal intensiv Zeit bekommt die wichtigsten Jahresthemen zu besprechen und die Kinder digital so zu schulen, dass bei einem nächsten Lockdown alles vorbereitet ist. Zudem kann man sozialpädagogisch viel nachholen und hat abschließend Zeit für ein spannendes, fächerübergreifendes Abschlussprojekt in der Klasse.

Fabian: Für die meisten Eltern ist es auf jeden Fall eine große Erleichterung, auch wenn der ABABAB-Rhythmus wahrscheinlich viele Eltern auch wieder vor große Herausforderungen stellt. Auch für die Kinder ist es, glaub ich, extrem wichtig, dass sie wieder in die Schule können, besonders für die Schwächeren, die zu Hause aus verschiedensten Gründen komplett überfordert waren.

Anna: Die Schülerinnen und Schüler sehen sich endlich wieder. Sie können raus und wieder Normalität lernen. Viele haben die Schule als einzig sicheren, nahezu sorgenfreien, Ort. Auch ich muss Normalität wieder lernen. Im Bezug auf die vierten Klassen finde ich es gut, weil die ja die Abschlussklassen sind.

Beate: Natürlich ist es ein "Luxus" mit so kleinen Gruppen arbeiten zu können. Da ist methodisch mehr möglich als mit der ganzen Klasse. Man hat viel mehr Zeit um auf jedes Kind einzugehen, bei Bedarf auch noch stärker als sonst zu differenzieren und natürlich auch alles in Ruhe aufzuarbeiten.

Am letzten Schultag bin ich glücklich, wenn … 

Silvia: … die Kinder auch über den Sommer bei Feriencamps teilnehmen können oder mit Learningapps beziehungsweise Lernbetreuungen aktiv bleiben, damit besonders schwache Schülerinnen und Schüler die verpasste Betreuung nachholen können.

Fabian: … ich meine Schülerinnen und Schüler mit einem guten Gefühl in die Ferien entlassen kann, wenn ich das Gefühl habe, dass die Schwächeren nicht komplett den Anschluss verloren haben und wenn die begründete Aussicht auf einen "normalen" Start im Herbst besteht.

Anna: … wir alle gesund durch diese Wochen gekommen sind. Und wenn es den Schülerinnen und Schülern gut geht.

Beate: … es uns in den Wochen gelungen ist, wieder jedes Kind abzuholen und nach dieser Zeit aufzufangen, und wenn es vielleicht doch noch erlaubt wird, dass sich zumindest am Zeugnistag die ganze Klasse noch einmal sehen kann. (Schulgschichten, 28.5.2020)

Silvia (27 Jahre) unterrichtet seit einem Jahr an einer Neuen Mittelschule in Wien, Fabian (39 Jahre) seit vier Jahren, Anna (57 Jahre) seit 30 Jahren und Beate (31 Jahre) seit vier Jahren. Die Namen sind der Redaktion bekannt.

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