Vor dem anstehenden U-Ausschuss rund um die Ibiza-Affäre und Casinos-Gate argwöhnt FPÖ-Fraktionsführer Christian Hafenecker, dass die ÖVP "an allen Ecken und die Strippen zieht": Aus seiner Sicht fehlen in den Unterlagen, die bisher an das Aufklärungsgremium übermittelt wurden, nicht nur Akten, sondern auch jegliche SMS-Nachrichten von Ex-FPÖ-Chef und -Vizekanzler Heinz-Christian Strache an Kanzler Sebastian Kurz (ÖVP) – und umgekehrt. Wenn man bei Parlamentsdebatten ständig sehe, wie sich Kurz die Zeit vertreibe, wenn er sich fadisiere, sei das unglaubwürdig, dass sich nun keine einzige SMS finde. Hafenecker in Anspielung auf Postenschachervorwürfe rund um Casinos-Gate: "Abmachungen laufen natürlich von Parteichef zu Parteichef."

FPÖ-Mann Christian Hafenecker fragt sich, wo die SMS von Sebastian Kurz (ÖVP) stecken, obwohl der Kanzler sonst so oft am Handy herumtut, wenn er sich offensichtlich fadisiere.
Foto: APA / Hans Klaus Techt

Überhaupt fänden sich zu der ganzen Angelegenheit keine Kurznachrichten von der ÖVP – "außer dem 'Lass mich in Ruh'!'-Daumen" von Ex-Finanzminister Hartwig Löger, höhnte Hafenecker bei einer Pressekonferenz am Donnerstagvormittag weiter. Er vermutet, dass im Innenministerium bei der Übermittlung von Dokumenten "ein ÖVP-Filter" am Werk war.

Was das plötzliche Auftauchen des Ibiza-Videos betrifft, obwohl das Bundeskriminalamt schon seit Ende April im Besitz des Tapes ist, drängt sich für Hafenecker wiederum der Verdacht auf, dass die Kanzlerpartei damit andere Probleme aus den Nachrichten haben wolle: etwa dass Finanzminister Gernot Blümel (ÖVP) dem Parlament wissentlich ein Budget mit nicht korrekten Zahlen vorlege, die Demontage von Strafrechtssektionschef Christian Pilnacek im Justizministerium oder die mögliche Befangenheit von Nationalratspräsident Wolfgang Sobotka (ÖVP), der als U-Ausschuss-Vorsitzender vorgesehen ist. Und ebenfalls auffällig: Just in dieser Zeit, wo das Land über das Auftauchen des Ibiza-Videos diskutiert, werde ein neuer Chef für das Bundesamt für Verfassungsschutz, kurz BVT, ernannt und auch noch jener Mitarbeiter im Kanzleramt befördert, der einst für das türkise Schredder-Gate, die Vernichtung von Festplatten unter falschem Namen, verantwortlich war.

Kein Privateigentum der ÖVP

Ebenfalls als befremdlich erachtet Hafenecker, dass das Bundeskriminalamt, seit einem Monat im Besitz des Videos, bisher noch immer nicht in der Lage war, das Band auszuwerten – angeblich wegen schlechter Tonqualität. Er fordert daher, dass das Beweismittel dem U-Ausschuss zur Verfügung gestellt wird, um sich von der Ibiza-Affäre ein gesamtes Bild machen zu können.

Hafeneckers Fazit: "Die ÖVP benützt staatliche Strukturen, um Parteipolitik zu machen. Das Video ist nicht das Privateigentum der ÖVP!" Er will eine Vorführung gleich am ersten Befragungstag, an dem eigentlich neben den beiden Protagonisten Strache und Ex-FPÖ-Klubobmann Johann Gudenus auch "Falter"-Chefredakteur Florian Klenk vorgesehen wären. Diese sollen dann am folgenden Tag drankommen, weil Heidi Goëss-Horten, Waffenproduzent Gaston Glock und Novomatic-Eigentümer Johann Graf bereits aus gesundheitlichen Gründen abgesagt hätten. Überhaupt stelle sich die Frage, ob Klenk noch notwendig sei – dank dem Auftauchen des Videos brauche es ja nun keinen "Falter"-Filter.

Übermittlung des Ibiza-Videos nicht so einfach

Aber auch der U-Ausschuss-Vorsitzende Wolfgang Sobotka (ÖVP) erachtet es als sinnvoll, das ganze Video zu sehen. "Es wird an den Ministerien liegen, dass sie es dementsprechend übermitteln", sagte der Nationalratspräsident dem Ö1-"Morgenjournal".

Das Justizministerium stellte am Donnerstag klar, dass die Herausgabe vorerst nicht in den Händen des Ressorts liege. Zunächst müsse die "Soko Tape" das Video der Staatsanwaltschaft übermitteln, diese entscheide danach, ob es dem U-Ausschuss vorgelegt werden kann, teilte eine Sprecherin der APA mit.

Über die Oberstaatsanwaltschaft kann das bearbeitete Material dann an das Justizministerium weitergegeben werden, dieses würde es dem U-Ausschuss übermitteln. Offen ist, wie lange das dauern könnte. Es sei in diesem Fall auch technisch schwierig, das Video aufzubereiten. Daher sei nicht mit einer schnellen Entscheidung zu rechnen, sagte die Sprecherin.

FPÖ-U-Ausschuss-Mitglied Susanne Fürst will sich im Aufklärungsgremium auch mit dem türkisen Schredder-Gate befassen – immerhin habe diese mittlerweile eingestellte Causa kurz nach Auffliegen der Ibiza-Affäre stattgefunden. Ebenso müsse man die Zusammensetzung der Sonderkommission Tape zum Video unter die Lupe nehmen – nicht nur wegen möglicher Befangenheit mancher Ermittler wegen ÖVP-Nähe, sondern auch deswegen, weil in den Medien ständig Details zu den Ermittlungen auftauchen und damit Beschuldigtenrechte außer Acht gelassen werden. (Nina Weißensteiner, APA, 28.5.2020)