Acht Infektionsketten in Wien haben ihren Ursprung in Altersheimen. In einer Einrichtung starben in den letzten Wochen neun Menschen.

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Neun Bewohner eines Wiener Altersheimes starben innerhalb nur weniger Wochen. Und das, nachdem die Branche eigentlich aufgeatmet hatte. Besuchsverbote wurden gelockert, die Zahlen waren gesunken. Besteht wieder erhöhte Gefahr?

Im Büro von Gesundheitsstadtrat Peter Hacker (SPÖ) betont man, dass Heim nicht gleich Heim sei. Ja, man sei besorgt, aber nicht übermäßig. Man beobachte die Entwicklung in Liesing genau, sagt ein Sprecher, "aber da haben wir es mit sehr betagten Menschen zu tun, die größtenteils schwere Vorerkrankungen hatten".

So sind etwa in Pensionistenwohnhäusern, wie den Häusern zum Leben, meist deutlich fittere Menschen untergebracht als in den Pflegehäusern des Wiener Gesundheitsverbunds (ehemals KAV). "Man kann die Fälle in Liesing nicht exemplarisch über die Wiener Pflegelandschaft stülpen", sagt ein Sprecher von Hacker. Auch die Patientenanwältin Sigrid Pilz verteidigte die Einrichtung in Liesing am Donnerstag.

Nicht zuletzt auch, weil es Kritik von Kontrollorganen und Betroffenen gab, werden die Besuchsverbote in Heimen und die Ausgangsregeln für die Bewohner von Heimen seit Monaten schrittweise gelockert – zu Beginn des Lockdowns rechneten viele Heime damit, dass sie erst im Herbst in die Normalität zurückkehren würden.

Stadt für strenge Regeln

Ob das ein Fehler war? In Wien ist man der Ansicht, man sei ohnehin recht streng geblieben – immerhin setzten die einzelnen Länder die Empfehlungen des Gesundheitsministers um. Den Pfad wolle man weiterhin verfolgen, heißt es aus dem Büro Hackers. Vom Krisenstab der Stadt kommt jedoch der Appell an die Besucher, weiterhin Masken zu tragen. Das Verständnis dafür sei seit den jüngsten Lockerungen gesunken, so eine Sprecherin.

Die erste Infektion in dem Haus in Liesing wurde Anfang Juni bekannt: Beim vom Gesundheitsminister Rudolf Anschober (Grüne) angekündigten flächendeckenden Screening in Alters- und Pflegeheimen wurde eine symptomfreie Mitarbeiterin positiv getestet. Nach dem Ergebnis verschärfte man die Schutzmaßnahmen, so ein Sprecher des Betreibers, einer Sozialorganisation. In Eigenregie testete man einige Tage darauf noch einmal und fand insgesamt 13 Fälle bei Personal und Bewohnerschaft.

Was danach passierte, ist bekannt: Insgesamt neun Bewohner starben in den letzten Wochen im Zusammenhang mit dem Virus, manche von ihnen erst im Spital. Nun sind noch acht Menschen in Quarantäne. Besuch ist im ganzen Haus verboten.

Noch nicht durchgetestet

Schon Mitte April kündigte Anschober an, dass alle 130.000 Personen, die in Österreichs Altersheimen leben und arbeiten, getestet werden sollen. Fast zwei Monate später hatte man österreichweit 26.000 Bewohner und 27.000 Mitarbeiter getestet. Bei knapp 800 Bewohnern und knapp 400 Mitarbeitern waren die Tests positiv. Was mit dieser Zahl bekannt wurde: Ein Drittel aller Covid-19-Todesfälle waren Bewohner von Altersheimen.

Stand Donnerstag waren laut Gesundheitsministerium die Bundesländer Oberösterreich, Vorarlberg, Tirol und Salzburg bereits durch mit der flächendeckenden Testung. Von einem "Sorgenkind Wien" will man im Gesundheitsministerium trotz der aktuellen Todesfälle aber nicht sprechen: Man sei in gutem Austausch, wichtig sei nun, so schnell wie möglich die Quelle zu eruieren, so ein Ministeriumssprecher. Nur: Wie sich die Mitarbeiterin, die das Virus ins Heim brachte, angesteckt hat, ist bisher unbekannt.

Laut Daten des Krisenstabs waren von den 28.500 Tests in Wien 110 bei Bewohnern und 24 bei Mitarbeitern positiv. Insgesamt habe man acht Infektionsketten gefunden, die von Pflegeeinrichtungen ausgehen, eine davon eben in Liesing.

Heime viertgrößter Cluster, Demo hatte keine Auswirungen auf Infektionen

Nach wie vor sei der größte Ansteckungscluster die eigene Familie. Danach kämen Kindergärten und Betriebe und erst an vierter Stelle Altersheime. Kein Cluster ist übrigens auf die Black-Lives-Matter-Demo Anfang des Monats zurückzuführen, heißt es von der Sprecherin des Krisenstabs. Nachdem an dieser überraschenderweise über 50.000 Menschen teilgenommen hatten und Mindestabstände nicht eingehalten wurden, kündigte der Krisenstab an, die Situation im Auge zu behalten.

Nun frage man eine Demo-Teilnahme das zwar im Contact Tracing ab, um rechtzeitig zu merken, falls es doch zu einer Häufung von Fällen gekommen sei. Doch da sie nun schon recht lange her ist, hätte man das schon bemerkt, so die Sprecherin. (Gabriele Scherndl, 18.6.2020)