Die enge Spielfläche – ein Symbol des Gefangenseins.

Foto: Laurenz Feinig

Am Premierentag kommt eine Anfahrtsskizze per E-Mail: Ab dem Parkplatz beim Freibad Hittisau sei der Weg zum Spielort ausgeschildert. Und tatsächlich, Plakate weisen durch den Bregenzerwald: Ein Fluss rauscht, bewaldete Hügel trotzen dem wolkenverhangenen Himmel. Vor einem Schindelhaus beleuchten Scheinwerfer ein Podest, drumherum Klappstühle mit Decken im Halbkreis. Hier zeigt die Vorarlberger Gruppe Café Fuerte Die Wand nach dem Roman von Marlen Haushofer. Und wie immer bei einem Café-Fuerte-Abend beginnt dieser bereits mit dem Weg zur eigentlichen Aufführung.

Die Schweizer Regisseurin Danielle Fend-Strahm und der Vorarlberger Schauspieler und Autor Tobias Fend gründeten Café Fuerte 2011. Ihr Ziel: Theater an Nicht-Theater-Orten, bevorzugt in den Bergen. Keine Bühnenzüge, kein Vorhang, keine Technik, Theater auf den Kern reduziert – einer erzählt die Geschichte, und ein anderer hört zu.

Zauber der Momente

Sie haben nichts gegen klassisches Theater, beide arbeiten immer wieder an verschiedenen Häusern. Doch mit ihrer eigenen Compagnie loten sie Räume aus, führen das Volkstheater ins Heute, legen den Fokus auf die Schauspieler und erschaffen durch die Verschmelzung von Ort und Spiel eigenwillige, oft zauberhafte Theatermomente.

Die Wand spielt vor dem Ferienhaus mit Holzfassade, dahinter der ewige Wald, als wäre der Mensch nichts und die Natur alles. Haushofers namenlose Icherzählerin wird bei einem Wochenendausflug in einer Jagdhütte in den Bergen von einer unsichtbaren Wand eingeschlossen. Alles Leben hinter der Wand scheint ausgelöscht, sie selbst muss um ihr Leben kämpfen und um das der Tiere, die ihr zulaufen.

Tanz die Seele

Fend-Strahm fächert den Monolog als Drei-Personen-Stück auf. Kristine Walther spielt den Kampf der Icherzählerin mit großer Gefasstheit, Eve Ganneau tanzt ihre Seele. Und Tobias Fend lässt mit wenigen Requisiten die verbliebene Welt der Protagonistin wie in einem ewigen Kreislauf an ihr vorüberziehen.

Fend-Strahm legt den Fokus auf das Thema Ausgrenzung: Die Icherzählerin wird ihr zwei Quadratmeter großes Podest nicht verlassen. Auf diesem engen Raum entfalten sich Weite und Tiefe des Romans. Florian Wagner betört mit zerbrechlicher Musik seiner Glasharfe, lässt die wassergefüllten Weingläser sanft strahlen, dann bedrohlich knarzen.

Besondere Orte

Zuerst sei der Stoff da, dann suchen sie den Ort, so Fend-Strahm. Meist schreibt Fend, 2013 mit dem DramatikerInnenstipendium des Bundesministeriums für Unterricht und Kultur ausgezeichnet, das Stück. Die Wand ist ihre 18. Produktion, im Herbst steht Fends Neuheit Pakete, Pakete an, ein Stück über die ausbeuterischen Zustände im Zustelldienst. Für nächstes Jahr planen die beiden zwei weitere Inszenierungen – auch wieder an besonderen Orten. (Julia Nehmiz, 6.7.2020)