"Wir versuchen, das mittlere Preissegment zu besetzen", sagte der Geschäftsführer der staatlichen Austrian Real Estate (ARE) bei einer Präsentation im Jahr 2015. "Die ARE wurde nicht ins Leben gerufen, um leistbaren Wohnraum zu schaffen", sagt deren Eigentümerin, die Bundesimmobiliengesellschaft (BIG), heute. Dazwischen liegt eine steile Entwicklung der ARE – inklusive Rüge des Rechnungshofs, "dass die ARE auch den Wohnbau im Premiumsegment forcierte, was den Zielvorstellungen des Bundes, leistbaren Wohnraum zu schaffen, zuwiderlief".

Die ARE war dabei so erfolgreich, dass das türkise Finanzministerium unter Türkis-Blau ihren Börsengang oder ihre Privatisierung andachte – ohne die Öffentlichkeit oder den Koalitionspartner zu informieren. Der einstige Vizekanzler Heinz-Christian Strache sagt, er hätte "massiven Widerstand" geleistet, wäre es zum Verkauf gekommen. Ex-Verkehrsminister und Regierungskoordinator Norbert Hofer sagt, er habe keine Wahrnehmungen zu den Überlegungen. Ähnlich geheim waren zuvor bereits Pläne zur Privatisierung des Bundesrechenzentrums und zur Glücksspielliberalisierung gehegt worden.

Dementi im U-Ausschuss

Eine Konstante in diesen Plänen ist der Name Thomas Schmid: Der 44-jährige Tiroler war Kabinettschef und Generalsekretär im Finanzministerium, bevor er im April 2019 zum Alleinvorstand der Österreichischen Beteiligungs AG (Öbag) wurde. Auch wegen seiner Aussagen im U-Ausschuss steigt nun der Druck auf ihn. Befragt von Nina Tomaselli (Grüne), meinte Schmid, dass ihm keine Privatisierungspläne seiner Gesellschaft bekannt seien.Die neuen Unterlagen, in die der STANDARD und andere Medien Einsicht hatten, legen anderes nahe. Die Dokumente zeigen, dass es im Finanzministerium zumindest im Sommer 2018 konkrete Gespräche über eine (Teil-)Privatisierung sowie einen Börsengang der ARE gab.

Über ihre Tochter ARE ist die BIG an Wohnbauprojekten wie "triiiple" in Wien-Landstraße beteiligt.
Foto: Standard/Newald

Bei diesen Überlegungen dabei war neben Schmid der damalige Sektionschef Eduard Müller, später Finanzminister, jetzt im Vorstand der Finanzmarktaufsicht. Schmid und Müller deckten die "Erwartungshaltung" des Finanzressorts als Eigentümer ab. Auch die BIG- und ARE-Chefsnahmen teil. Schmid, der auch Aufsichtsratsvorsitzender der ARE ist, argumentierte im U-Ausschuss, dass die Öbag erst im Frühjahr 2019 startete und es dort um "Beteiligungsmanagement und Wertsteigerung" gehe.

Aus den Dokumenten geht aber hervor, dass nach den damaligen Plänen ein Börsengang der ARE explizit erst in der neuen Öbag-Struktur vorgesehen gewesen, also schon im Vorfeld mitgedacht worden sein dürfte. Das ist aber noch nicht alles. In einem internen Entwurf der ARE heißt es, dass es Ziel und Vorgabe des Eigentümers war und ist, die ARE "börsenfit" und damit kapitalmarktfähig zu machen. Das war tatsächlich von Anfang an Thema – und konterkarierte die Mission der ARE. In den vergangenen Jahren sei das Unternehmen laut Entwurf so weiterentwickelt worden, "dass eine Privatisierung mit einem überschaubaren zeitlichen Vorlauf möglich wäre".

Die ARE selbst wird noch konkreter. Sie führt zwei Varianten zur "Weiterentwicklung" an: neben dem Börsengang noch den Verkauf von Anteilen. Die BIG sagt heute dazu: "Es war zu keiner Zeit ein Börsengang der ARE geplant." Dasselbe gelte für Anteilsverkäufe. Den Eigentümern, also dem Ministerium, zeige man "immer wieder strategische Optionen und Möglichkeiten auf". Das Ministerium dementiert ebenfalls. Dort "gibt es keine konkreten Vorhaben für eine Privatisierung oder einen Börsengang der ARE", so ein Sprecher. Auch Schmids Anwalt spricht von "grundsätzlichen Analysen zu Handlungsoptionen des BIG-Managements". Es gebe "kein Entscheidungsermessen der ÖBAG in dieser Frage".

"Grundsätzlich goutiert"

Beim Ministerium kamen die Überlegungen gut an: Im September 2018 wurde ein Papier zur ARE-Strategie "grundsätzlich goutiert", wie es in den Sitzungsdokumenten heißt. Bis zum nächsten Termin sollten Modelle geschärft werden. Wieso betreibt der Staat überhaupt ein Immobilienunternehmen, das lukrativ genug für einen Börsengang ist? Eigentlich kümmert sich die BIG um Immobilien für Schulen oder Gefängnisse. 2012 wurde die ARE aus der BIG "getochtert", um auf dem freien Markt tätig zu sein. 2015 sollte sie im Rahmen einer Wohnbauinitiative zwei Milliarden Euro an Steuergeld investieren und 10.000 Wohnungen bis 2020 bauen. Auch fürs Premiumsegment: So bot sie 2017 im vierten Wiener Bezirk eine Wohnung für den "gehobenen Lebensstil" um fast zwei Millionen Euro Kaufpreis für 200 Quadratmeter an. Die "Triiiple"-Türme im dritten Bezirk wiederum stehen auf einer Liegenschaft, die bis 2009 dem Bund gehörte, ehe die BIG sie mit dem Bauentwickler Soravia in eine Gesellschaft überführte.

Ein Turm wurde inzwischen an Corestate verkauft, einen Investmentmanager aus Luxemburg. Die teuerste Wohnung in den verbliebenen Türmen kostete 1,5 Millionen Euro. Eine noch verfügbare Luxuswohnung mit 69 Quadratmetern kostet 602.180 Euro. "Der einzige Weg, sorgsam mit Steuergeld umzugehen, ist, die jeweils bestmögliche Verwertung zu suchen", sagt die BIG dazu. Die grüne Abgeordnete Tomaselli sieht das anders: "Die ARE baut mit Steuergeldern Luxusimmobilien, sogar in Deutschland. Das ist skandalös, denn das hat nichts mit dem politischen Ziel des leistbaren Wohnens zu tun." Besonders ärgere sie, "dass diese aggressive Expansionsstrategie – allen Anschein nach – als Vorbereitung für die Privatisierung von Bundeswohnungen dient." (Jan Michael Marchart, Fabian Schmid, 13.7.2020)