Brigitte Bierlein war 2019 die erste Kanzlerin Österreichs. Insgesamt standen allerdings im selben Jahr zu 79 Prozent männliche Politiker im Rampenlicht.

Foto: Standard/Fischer

Im Jahr 2019 gab es erstmals eine Bundeskanzlerin in Österreich, dennoch ist die Präsenz von Frauen in der politischen Berichterstattung zurückgegangen.

Mit Erkenntnissen wie diesen wartete am Donnerstag die Medienanalytikerin Maria Pernegger von der Agentur Media Affairs auf, die nun das siebente Jahr in Folge eine Studie zu Frauen in Politik und Medien erstellt hat. Unterstützt wurde das Projekt von der Arbeiterkammer und der Industriellenvereinigung sowie dem Technologiekonzern RHI Magnesita.

Zeitungen mit Gewicht

Es gehe darum, die gesellschaftlichen Rahmenbedingungen für die öffentliche Wirksamkeit von Frauen zu durchleuchten, erklärt Studienautorin Pernegger ihre Motivation. Reichweitenstarke Medien formten schließlich das Bild, das Frauen von ihren künftigen Chancen und Optionen haben.

Um das in Zahlen zu gießen, analysierte Pernegger mit ihrem Team sämtliche Texte und Bilder in politischen Berichten des Jahres 2019 von Krone, Kurier, Heute, Oesterreich, Presse und STANDARD sowie in den wichtigsten ZiB-Formaten. Je mehr Menschen ein Medium erreicht, desto stärker wurde es gewichtet – ein Artikel im STANDARD wiegt demnach deutlich weniger als in der Krone.

Selektive Themensetzung

Erstes Fazit daraus: Der Anteil der Frauenpolitik belief sich nur auf 1,6 Prozent. Das ist etwas weniger als im Jahr 2018, liege allerdings daran, dass sachpolitische Fragen durch den Ibiza-Skandal generell in den Hintergrund gerückt sind. Bei keiner Partei machte Frauenpolitik mehr als 2,5 Prozent der Agenda aus.

Und obwohl im Nationalrat der Frauenanteil knapp 40 Prozent beträgt, stehen nur zu einem Fünftel Politikerinnen im Rampenlicht.

Bis Ibiza wurde die frauenpolitische Debatte von Türkis-Blau recht selektiv auf das Thema Gewalt gegen Frauen zugespitzt – nicht zuletzt aufgrund einer Häufung von Frauenmorden Ende 2018. Lohngerechtigkeit, Frauenpensionen, Abtreibung und die Lage von Alleinerzieherinnen rangierten indes unter ferner liefen. Überraschend viel war zum Themenkreis Väterkarenz zu lesen, was allerdings hauptsächlich der medienwirksamen Inszenierung des Papamonats des damaligen Vizekanzlers Heinz-Christian Strache geschuldet war.

Ausgewertet wurde auch die Bildpräsenz von Frauen in allen gesellschaftlichen Sparten. Die Sichtbarkeit von Frauen als Role-Models sei für Heranwachsende zentral. "You can’t be what you can’t see", wie Pernegger mit einem Bonmot erklärte.

Model oder Unternehmerin

Die Schieflage ist vielerorts massiv: Frauen sind etwa in Sport, Wirtschaft und Religion nachgerade unsichtbar. Vor allem Boulevardmedien präsentieren Frauen hingegen gerne zum Thema Schönheit, etwa als Models. Relativ ausgewogen ist das Geschlechterverhältnis in Berichten über akademische Forschung, beim Thema Bildung sind Frauen gar überproportional sichtbar.

Einen Fokus legt die Studie auf das Thema Digitalisierung. Pernegger misst Medien hier eine besondere Bedeutung zu, weil das Thema derzeit noch nicht von fixen Geschlechterrollen überfrachtet ist. Wenn jetzt Frauen vor den Vorhang geholt werden, könne man verhindern, dass die Digitalbranche ausschließlich männlich konnotiert werde.

Im STANDARD werde hier die Balance gesucht, bei der Krone sind im Digitalbereich immerhin zu 27 Prozent Frauen sichtbar. In den Gratisblättern ist die Divergenz allerdings enorm, so ist nur jede zehnte Person weiblich, die von Heute im Kontext der Digitalisierung mit Aufmerksamkeit bedacht wird. (ta, 7.8.2020)