Nach einem präzedenzlosen Forschungssprint befinden sich derzeit zwar mehrere Vakzine in der letzten Testphase drei.

Foto: imago images/ZUMA Wire

In China wird schon geimpft, in Russland beginnt man diese Woche damit. In den USA laufen Planungen, Ende Oktober mit der bundesweiten Verteilung einer Impfung zu starten, wie die "New York Times" dieser Tage aufdeckte. Das wäre dann noch vor der Präsidentschaftswahl am 3. November – und wohl dazu gedacht, Donald Trumps Chancen auf eine Wiederwahl zu erhöhen.

Auch in Österreich versüßen Kanzler und Gesundheitsminister die Aussicht auf die bevorstehenden harten Corona-Monate im Herbst und Winter mit der Prognose eines möglichen Antiseuchenpieks bereits ab Jänner. So verbreiten sie Zuversicht – und kommen als Verkünder einer guten Nachricht außerdem sympathisch und führungsstark rüber.

Mehrere Vakzine in der letzten Testphase drei

Fürs Erste zumindest. Denn wie es in Sachen Impfung wirklich weitergeht, wissen weder Kurz und Anschober – genauso wenig wie Trump. Wie sollten sie auch? Nach einem präzedenzlosen Forschungssprint befinden sich derzeit zwar mehrere Vakzine in der letzten Testphase drei. Doch dieser Praxistest an mehreren 10.000 Probandinnen und Probanden, den man in China und Russland gar nicht erst abgewartet hat, kann durchaus noch schiefgehen – etwa durch unerwartete Nebenwirkungen oder lückenhafte Immunität.

Wie kämen all die vollmundigen Politiker in diesem Fall wieder aus dieser Kiste heraus? Wie würden sie rechtfertigen, dass sie Bürgerinnen und Bürgern monatelang zu Unrecht Hoffnung auf zeitnahen Schutz vor einer potenziell tödlichen Krankheit gemacht haben? Für Impfgegner und Verschwörungstheoretiker wäre das Wasser auf die Mühlen.

Was die Politik jetzt braucht, ist ein Impfankündigungsmoratorium. Schweigen, bis die Vakzinetests abgeschlossen sind und eingeschätzt werden kann, wie es weitergeht: Das wäre fair und politische Kommunikation auf Augenhöhe. (Irene Brickner, 3.9.2020)