Die Wiener ÖVP hat es bei der Gemeinderatswahl vom größten Verlierer vor fünf Jahren zum großen Gewinner gebracht: Die Türkisen haben sich mehr als verdoppelt und liegen noch besser als bei den ersten Hochrechnungen prophezeit. Der Erfolg geht natürlich auch auf die Kappe von Spitzenkandidat Gernot Blümel. Fast vergessen scheint der rabenschwarze Wahlsonntag vor fünf Jahren, als er die Landesgruppe von Manfred Juraczka übernehmen musste.

Gernot Blümel ist mit dem Wiener Wahlergebnis zufrieden. Den Job als Finanzminister würde er nur für ein Regierungsamt im Rathaus aufgeben.
Foto: Corn

Blümel, aufgewachsen in Niederösterreich, aber seit 20 Jahren in Wien wohnhaft, gilt als konsequenter Hackler in der Partei. Von großem Vorteil waren aber nicht nur die persönlichen Eigenschaften, sondern auch, dass der 38-Jährige ein langjähriger Verbündeter von ÖVP-Chef und Kanzler Sebastian Kurz ist. Die beiden lernten einander bei der Jungen ÖVP kennen und schätzen.

Die Strategie im türkisen Wahlkampf war von Anfang an klar und wurde von Blümel, der Philosophie und Wirtschaft studierte, bevor er in die Berufspolitik einstieg, konsequent umgesetzt: Fischen im rechten Lager – was durch die blaue Selbstzerstörung möglich wurde. Und so blickte Blümel den Wienerinnen und Wienern von Wahlplakaten entgegen, deren Slogans vor wenigen Jahren noch kaum jemand ihm zugeschrieben hätte. Mit christlicher Soziallehre, über die Blümel vor elf Jahren seine Diplomarbeit schrieb, hatten viele Positionen jedenfalls nur noch wenig zu tun.

Blümel ist ein enger Vertrauer von Bundeskanzler Sebastian Kurz. Die beiden kennen sich aus ihrer Zeit bei der Jungen ÖVP.
Foto: APA/Punz

Einer der Sprüche – "Wien nach vorne bringen" – sorgte für den Aufreger des Wahlkampfs, weil die von Autor Robert Menasse daran geäußerte Kritik von Blümels Facebook-Seite gelöscht wurde. Die Erklärung des amtierenden Finanzministers, dass man NS-Gedankengut auf der Seite keinen Raum bieten wolle, machte die Situation nicht besser.

Gutes Wahlergebnis hin oder her: Für Blümels Zukunft spielen nun die Koalitionsverhandlungen eine Rolle. Denn den Job als Finanzminister würde er nur für ein Regierungsamt im Rathaus an den Nagel hängen. So oder so wird die Zeit für die im März geborene Tochter Josefine – Blümel ist mit der TV-Moderatorin Clivia Treidl zusammen – auch in Zukunft knapp bemessen sein. Blümel habe deshalb manchmal ein schlechtes Gewissen, ließ er im Wahlkampf wissen.

Dort konnte man außerdem erfahren, dass er Stress am liebsten durch Sport abbaut, sein Lieblingsbuch Entweder – Oder von Søren Kierkegaard ist und dass Blümels erster Berufswunsch Tierarzt war. (Lara Hagen, 14.10.2020)