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PRO: Kurz und schmerzhaft

von Thomas Mayer

Schnell, hart und ungerecht, aber dringend notwendig: So beschrieb Belgiens Gesundheitsminister, ein Sozialdemokrat, die Maßnahmen gegen die Corona-Pandemie. Der Mann weiß, wovon er spricht. Wer zu lange untätig zuschaut, verliert. In dem dichtbesiedelten Land wütet das Virus wie sonst nur in Tschechien oder Frankreich.

Erst stieg ab September die Zahl der Neuinfektionen an – am stärksten bei den Zehn- bis 19-Jährigen –, dann die der Hospitalisierungen. Zuletzt ging es bei Intensivpatienten steil nach oben, die Zahl der Toten wuchs um 150 Prozent auf 113 pro Tag.

Folgerichtig, dass der Lockdown weit reicht. Nicht nur Restaurants, Kinos, Theater und viele Geschäfte sind zu, sondern – bis auf weiteres – auch die Schulen. Man nützte die Herbstferien, verlängerte sie einfach um zwei Wochen. Eine schlaue Lösung. Genau so bricht man eine Riesenwelle der Pandemie am effizientesten: Das öffentliche Leben wird kurz und schmerzhaft eingefroren, das Virus ausgetrocknet.

Wenn hunderttausende Schüler – auch die Kleinen – nicht "zur Arbeit" fahren, steigt die Chance, dass das gelingt. Was freilich Kinderbetreuung für die, die sie brauchen, nicht ausschließt. So sollte man das auch in Österreich machen. Leider haben der Gesundheitsminister und der Bildungsminister im Oktober gepennt. Schüler und Lehrer sind darauf nicht vorbereitet. Also: nicht genügend. Auch hierzulande gehen die Zahlen der Intensivpatienten und Toten nun steil nach oben. (Thomas Mayer, 2.11.2020)

KONTRA: Kein Leben unterm Glassturz

von Lisa Nimmervoll

Die Kultureinrichtungen haben sich schon daran gewöhnt, dass sie während der Corona-Pandemie immer die Ersten sind, die mit leichter Hand geschlossen werden. Vorhang zu, Licht aus. Zwangspause. Die Schulen sind der zweite gesellschaftlich prekäre Ort, über dem dauernd das Damoklesschwert der Totalsperre schwebt. Angeführt wird die Schließtruppe vom Bundeskanzler.

Er hat sich damit auch beim zweiten Lockdown nicht durchgesetzt. Kindergärten und Pflichtschulen bleiben offen – müßig hinzuzufügen: weil es das Infektionsgeschehen dort zulässt. Die Oberstufen hingegen, in denen mit Teenagern eine Gruppe mit deutlich höheren Covid-19-Ansteckungsraten sitzt, werden zum Distanzlernen vergattert. Buchstäblich aus dem Verkehr gezogen, um ihre Kontakte zu reduzieren.

Das ist richtig, differenziert und sollte bei der Operation Wellenbrecher helfen. Die Befürworter einer Komplettsperre, die jetzt froh sind, dass ihre Kinder nicht in die Schule müssen, sollten sich aber nicht in zu viel Sicherheit vor dem Virus wähnen – es sei denn, sie stellen ihre Teenies (und sich) unter Hausarrest. Und in vier Wochen? Immer noch keine Schule?

Das Coronavirus bleibt. Es gibt keinen Glassturz, unter dem absolute Sicherheit zu haben wäre. Nicht jetzt, nicht irgendwann. Was es aber gibt, immer, ist das Menschenrecht auf Bildung. In einer so sicheren Schule, wie sie eben möglich ist.(Lisa Nimmervoll, 2.11.2020)