Wien – 286 militärische Liegenschaften hat das Bundesheer derzeit – und etliche davon sind in desolatem Zustand. Das betrifft nicht nur die Kasernen, also Liegenschaften, in denen Mannschaft und Gerät für allfällige Einsätze bereitgehalten werden, sondern auch Amtsgebäude. Etwa jenes am Franz-Josefs-Kai 7–9 in der Wiener Innenstadt: Errichet 1906/07 als siebengeschoßiger "Industriepalast", wurde das Haus 1955 vom damals neu geschaffenen Verteidigungsministerium übernommen; das siebenstöckige Gebäude entspricht längst nicht mehr den Anforderungen an ein modernes Bürohaus, "seit fünf Jahren funktioniert der Lift nicht mehr", erzählt ein hoher Beamter.

Die Rossauer Kaserne, Sitz des Verteidigungsministeriums: Hierher könnten noch mehr Verwaltungseinrichtungen verlegt werden.
Foto: Robert Newald

Dementsprechend wird seit zwei Jahrzehnten erwogen, die prestigeträchtige Adresse am Kai aufzugeben und die dort befindlichen Dienststellen des Verteidigungsministeriums abzusiedeln – angedacht wurde das erstmals im Zuge der Reform "ÖBH 2010", die 2003 von Minister Günther Platter (ÖVP) angestoßen worden war. Aber schon 2009 wollte Amtsnachfolger Norbert Darabos (SPÖ) auf eine Anfrage der FPÖ "aus Gründen der Geheimhaltung" nicht mehr konkret antworten, weil "detaillierte Rückschlüsse auf die militärische Infrastruktur (...) und damit einsatzrelevante Grundlagen des Bundesheeres" gezogen werden könnten.

Projekt Pentagon vor Prolongierung

Viel konkreter ist die Absiedelung bis heute nicht geworden – obwohl im Ministerium von Klaudia Tanner (ÖVP) das noch unter Darabos begonnene "Projekt Pentagon" wiederaufleben dürfte: Demnach sollten alle militärischen Dienststellen, die auf verschiedene Bürogebäude in Wien verteilt sind, am Standort des Verteidigungsministeriums in der Rossauer Kaserne konzentriert werden.

Die 1865 bis 1869 als Kronprinz-Rudolf-Kaserne errichtete Rossauer Kaserne wurde zwar heuer nach den Widerstandskämpfern Robert Bernardis und Anton Schmid offiziell in Rossauer Kaserne Bernardis-Schmid umbenannt – das kostet schließlich nichts. Der Einbau eines Bürokomplexes in den zweiten Hof würde aber mehrere Millionen Euro kosten, wenn man dort rund 250 Arbeitsplätze unterbringen will.

Für diesen "Mittelgebäude" genannten Bau gab es inzwischen einen Architekturwettbewerb – dann kamen die Planer drauf, dass sie eigentlich ein höheres Bürogebäude haben wollen. Der Baubehörde wiederum gefiel das nicht, die zuständige Gemeinde Wien würde lieber Wohnbauten statt Büroflächen sehen. Dazu kommt, dass der vom Verteidigungsministerium genutzte nördliche Teil der Kaserne (im südlichen sind Polizeidienststellen untergebracht) äußerst unökonomisch genutzt wird. In dem Bau sind relativ große Amtsstuben und breite Gänge vorhanden, weil die Räumlichkeiten ja früher Truppen beherbergten – in der Nutzung als Verwaltungsgebäude stehen nach internen Berechnungen je Mitarbeiter rund 30 Quadratmeter Nettobürofläche zur Verfügung, inklusive Gänge und Besprechungsräume sind es sogar 57 Quadratmeter.

Laufstrecke als Priorität

In modernen Büros werden je Mitarbeiter nur zehn Quadratmeter Nettofläche gerechnet, inklusive Gänge, Neben- und Besprechungsräume wären es vielleicht 30. Die Raumbedarfsrichtlinie geht also davon aus, dass man in dem riesigen Bau knapp 1300 Arbeitsplätze unterbringen sollte. Allerdings stehen einer Verdichtung nicht nur bauliche Gegebenheiten entgegen, sondern auch liebgewordene Gewohnheiten und Gewöhnungen an Größenverhältnisse.

Das hat sich auch bei geplanten Liegenschaftsverkäufen gezeigt: Im Amtsgebäude Vorgartenstraße im 2. Bezirk (der ehemaligen Albrecht-Kaserne aus dem Jahr 1896) betreibt das Bundesheer in zwei- und dreistöckigen Gebäuden Büros für rund 500 Personen, anstatt das Grundstück zu verwerten – die Wohnblocks in der Nähe haben acht bis zwölf Stockwerke. Aber Insider erzählen, "dass es maßgebliche Personen gab, die nicht auf ihre Laufstrecke im Prater verzichten wollten und auch die Nähe zur Autobahn so praktisch finden".

Also bleibt alles beim Alten.

Oder doch nicht? Auf eine parlamentarische Anfrage des SPÖ-Abgeordneten Robert Laimer mit der Aktenzahl S91143/197-PMVD/2020 antwortete Ministerin Tanner am Freitag mit einer Auflistung von vier Projekten, deren Verkauf ziemlich fix ist: In Hörsching sollen rund 18.000 Quadratmeter des Fliegerhorsts Vogler abgegeben werden, im Wiener Arsenal 26.000 Quadratmeter sowie ein kleiner Gruppenübungsplatz in Mautern. Größter Brocken ist die Martinek-Kaserne in Baden, die das Bundesheer schon seit 2006 loszuwerden versucht. Mitte kommenden Jahres soll es so weit sein, erwarteter Erlös: 33,1 Millionen Euro.

Laimer fragt sich aber jetzt schon: "Wer wird das kaufen wollen – und wer konkret den Zuschlag kriegen? Sind da potenzielle ÖVP-Spender dabei?" Angesichts der bevorstehenden Erlöse will der SPÖ-Mann außerdem sichergestellt wissen, dass diese in das Budget des ohnehin schon finanzmaroden Bundesheers fließen – keinesfalls sollten damit "irgendwelche Löcher" von Finanzminister Gernot Blümel (ÖVP) "gestopft werden". Und überhaupt spricht sich Laimer in Zeiten von Pandemie und Terror vehement dagegen aus, "die strategischen Reserven" der Republik zu veräußern, stattdessen sollten Tanner und ihr Kabinett jetzt besser ein fundiertes Lage- und Abwehrzentrum schaffen – "aber offenbar dilettiert man nun lieber hier herum".

Denn diese vier Verkäufe stellen nur einen kleinen Teil der Verschubmasse dar, die insgesamt angedacht ist. Dazu gehören neben den erwähnten Amtsgebäuden in Wien etwa die Radetzky-Kaserne (Sitz des Militärkommandos Wien und des Heerespersonalamts, circa 600 Arbeitsplätze), die Heckenast-Burian-Kaserne (circa 200 Personen) und das Kommandogebäude Theodor Körner (aus dem das Nachrichtenamt abgesiedelt wurde). Dazu kommen Zusammenlegungen von Kasernen in Villach und Teilverkäufe des Geländes der Schwarzenbergkaserne. Doch dahingehend sei nichts fixiert, heißt es im Ministerium.

Budgetunwirksame Verkäufe

Und betont wird dort eben auch, dass Erlöse von Verkäufen bis zu einer Höhe von 50 Millionen Euro pro Jahr für das Heeresbudget gar nicht wirksam werden, weil diese Beträge vom Finanzministerium gegenverrechnet würden.

Auch FPÖ-Wehrsprecher Reinhard Bösch warnt deswegen schon seit Wochen vor einem Verscherbeln von Heeresliegenschaften: Die aktuell kursierenden Pläne unter Tanner hält er für "fahrlässig" – noch dazu, wo nun das Bundesheer auch damit beauftragt werde, die gesamte Ausrüstung des Landes gegen Covid-19 zu lagern sowie zu überwachen, und dazu bald auch teiltaugliche Grundwehrdiener in die Kasernen einrücken sollen. Bösch fordert daher: "Wir brauchen jetzt die Unterkünfte für Soldaten und ausreichend Lagerraum, deswegen gilt es jetzt, keinerlei Liegenschaften mehr zu veräußern." (Conrad Seidl, Nina Weißensteiner, 10.11.2020)