Für engagierte Forschende ist der Umstieg ins Management auch mit Verlusten verbunden. Die Diversitätsexpertin Edeltraud Hanappi-Egger hat als Rektorin der WU Wien dafür "Ersatz" gefunden: die Freude über den Beitrag der WU-Forschung zur gesellschaftlichen Weiterentwicklung.

STANDARD: Was hat Corona in den vergangenen acht Monaten für Forschende in Ihrem Haus verändert?

Hanappi-Egger: Aufgrund der zahlreichen Reisewarnungen und teilweise geschlossenen Grenzen ist natürlich auch die universitär bedingte Reisetätigkeit zurückgegangen, internationale Konferenzbesuche wurden abgesagt oder durch Online-Konferenzen ersetzt. Da und dort kam es auch zum Ausfall von Möglichkeiten für empirische Forschungsarbeiten. Und unsere Forschenden sind ja gleichzeitig auch Lehrende. Die Umstellung auf Distanzlehre ist mit einem großen Mehraufwand verbunden und verursacht sicherlich zusätzliche Arbeit, vor allem wenn, wie an der WU, entsprechend hohe Qualitätsstandards gesetzt werden. Andererseits hatten Forschende gerade durch den Wegfall dieser Reisetätigkeiten und Meetings mehr ungestörte Zeitblöcke, um sich ihrer Forschung zu widmen.

Die Rektorin vermisst das Forschen, freut sich aber über die Ergebnisse "ihrer" Forschenden.
Regine Hendrich

STANDARD: Sind Frauen anders betroffen als Männer?

Hanappi-Egger: Prinzipiell haben die Rückmeldungen unserer Forschenden gezeigt, dass vor allem Personen mit Betreuungspflichten viel stärker betroffen sind als solche ohne. Gerade weil Forschung Muße braucht, Freiräume, Konzentration und ungestörtes Sich-Einlassen auf Fragestellungen, ist das ganz schwierig, wenn im selben Haushalt Kinder zu betreuen und zusätzliche Personen im Homeoffice sind. Schöpferisches Schaffen lässt sich nicht einfach anknipsen, wenn dann die Kinder im Bett sind. Aber natürlich zeigen Studien der WU auch, dass es in solchen Konstellationen tendenziell zu einer überdurchschnittlichen Belastung von Frauen kommt, weil sie mehr Hausarbeit und Kinderbetreuung erledigen und es hier während Corona zu einem starken Ungleichgewicht gekommen ist.

STANDARD: Welche Unterstützung ist jetzt sinnvoll, ist möglich?

Hanappi-Egger: Wir haben auch an der WU von der Möglichkeit Gebrauch gemacht, befristete Dienstverträge von Wissenschaftern und Wissenschafterinnen, die bei ihren Forschungsarbeiten Corona-bedingt Verzögerungen haben, zu verlängern. Dementsprechend werden wir besondere Situationen auch bei Forschungsevaluierungen berücksichtigen.

STANDARD: Wenn die Pandemie wie ein Brennglas wirkt – was sehen Sie?

Hanappi-Egger: Die Corona-Zeit hat sicherlich die Frage verstärkt, was alles digital abgewickelt werden kann, wo digital ein sinnvoller Ersatz, wo eine Ergänzung ist und wo es einfach persönliche Kommunikation und Begegnungen braucht. Gerade der direkte Austausch ist für junge Wissenschafter essenziell, an der eigenen Uni und international. Onboarding ist für neue Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen, egal auf welcher Karrierestufe, rein digital abgewickelt sehr schwierig. Besser funktionieren zumindest als vorübergehender Ersatz digitale Formate, wo es bereits eine große Vertrauensbasis, ausreichend Wissen über die Gepflogenheiten und Organisationskultur gibt.

STANDARD: Was macht eine Karriere in der Forschung attraktiv?

Hanappi-Egger: Das hat viele Vorteile: Als Forscher und Forscherin genießt man eine sehr hohe Selbstbestimmung, man bekommt quasi "fürs Denken" bezahlt und begegnet im Laufe der Karriere vielen interessanten Menschen, arbeitet in verschiedenen Teams. Außerdem leistet man mit der eigenen Arbeit einen wichtigen Beitrag zur Weiterentwicklung demokratischer Gesellschaften, liefert Antworten auf bedeutende Fragen und engagiert sich in der Entwicklung effizienter und nachhaltiger Problemlösungen.

STANDARD: Vermissen Sie das jetzt?

Hanappi-Egger: Schon, aber andererseits habe ich mich ja bewusst für meine Aufgabe als Rektorin entschieden, und daher war mir klar, dass ich von der Forschung ins Management wechsle. Zu sehen, wie wir durch unsere Forschungsergebnisse einen wichtigen Beitrag zur Gesellschaft leisten, ist ein schöner Ersatz. (Karin Bauer, 11.12.2020)