Man fühlt sich die ersten paar Meter im X5 ein wenig unwohl. Kein Wunder, wenn man es nicht gewohnt ist, ein Schiff durch die Straßen zu steuern, ohne auch nur ein Quäntchen Wasser in Sicht. Denn nichts anderes ist der Plug-in-Hybrid von BMW. Aber nehmen Sie nicht mein Wort dafür, nehmen Sie die nackten Zahlen: 4,92 Meter in der Länge, zwei Meter breit und 1,74 Meter hoch. Gefühlt ist nur der Land Rover Defender vom Kollegen Guido Gluschitsch auf der nächsten Seite größer. Gut, und die Boote, mit denen ich den BMW vergleiche.

Pompös erscheint der BMW X5 im mitgelieferten Metallic-Weiß. So, wie er da steht, kostet das gute Stück um die 120.000 Euro.
Foto: Stockinger

Dieses unwohle Gefühl verfliegt aber sehr schnell. Denn so groß der Fünfer-SUV auch ist, so geschmeidig fährt er sich. Denn der Plug-in-Hybrid, der seine Kraft in alle vier Räder gleichzeitig speist, ist eine wahre Wonne – und das unabhängig vom gewählten Modus.

Das Teil ist natürlich auch von innen schick.
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Natürlich kann man den 83-kW-starken Elektromotor die ganze Arbeit machen lassen, dann steht allerdings nur eine Reichweite von ungefähr 80 oder 90 Kilometer – was für ein Plug-in-Hybrid-Auto eine echte Hausnummer und vor allem für die Stadt geeignet ist. Doch der X5 ist nicht für die Stadt gemacht. Denn besonders beeindruckt diese Naturgewalt überall dort, wo man freie Fahrt und am besten hunderte Kilometer vor sich hat. Denn zusammen mit dem rund 70 Liter großen Tank sind Reichweiten von bis zu 1000 Kilometern möglich, die richtige und vorausschauende Fahrweise vorausgesetzt. Damit komme ich theoretisch ohne Stopp von Wien bis in mein Heimatdorf nahe Köln. Klar, es gibt einige Autos, die eine solche Reichweite bieten – das sind aber meistens Diesel, und nur wenige von denen können mit dem Komfort des X5 mithalten.

Dazu muss gesagt sein, dass in unserem Testwagen allerlei Extra-Schnickschnack eingebaut war. Der treibt nicht nur ordentlich den Preis nach oben, sondern ist in den meisten Fällen auch komplett überflüssig. Aber da er nun einmal vorhanden und nicht wegzudenken war, lassen Sie mich kurz schwärmen.

Plötzlich Sportler

Natürlich ist der BMW dauerhaft mit dem Internet verbunden und bringt auch einen eigenen Spotify-Account mit sich. Und um diesen zu steuern, kann man die Gestensteuerung nutzen. Möchte ich das nächste Lied hören, strecke ich einfach meinen Daumen vor dem Armaturenbrett aus und gebe den Befehl zum Überspringen mit einem Schwenk nach rechts. Als würde man jemandem sagen, er soll sich gefälligst noch mal schleichen.

Die untere Klappe ist sehr praktisch, um schwere Gegenstände in den X5 zu laden. Auf Wunsch fährt er auch ein bisschen herunter.
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Das kann übrigens auch von außen so aufgefasst werden, also Vorsicht. Außerdem kann es passieren, dass man beim Reden und Gestikulieren mit dem Beifahrer aus Versehen ein Kommando an das intelligente Hirn des Autos sendet. Wen das nervt: Das System lässt sich ganz einfach deaktivieren.

Aber da hört es ja noch lange nicht auf. Fahrer- und Beifahrersitz kommen mit drei verschiedenen Massage-Funktionen daher, die Getränkehalter können je nach Wunsch beheizt oder gekühlt werden und und und.

Aber gut, kommen wir zurück zum eigentlichen Fahren. Der X5 ist eine Pracht für lange Strecken, aufgrund des Verbrauchs und Komforts. Geschenkt. Aber wie sieht es mit dem Spaß aus?

Dafür schalten wir am besten in den Sport-Modus. Und siehe an, der Name ist Programm. Plötzlich wird aus dem rund 2,5 Tonnen schweren Koloss ein richtiger Sportler. Der zieht an, dass es einem die Schuhe auszieht, denn von null auf 100 geht es in rund sechs Sekunden. Da ist das lächerlich hohe Gewicht fast schon wieder vergessen. Dann kommen auch die knackige Lenkung und die, man kann es nicht anders sagen, punktgenauen Bremsen zum Vorschein. Vor allem kurvige und ansteigende Landstraßen sind ein gefundenes Fressen für den Allradantrieb des X5. Dank der Luftfederung mit automatischer Niveauregulierung fährt sich das auf jedem Terrain und bei jeder Geschwindigkeit butterweich.

Ein paar Knöpfe sind tatsächlich noch geblieben, so beispielsweise bei der Lüftung.
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Beeindruckend an dem Ganzen: Während dem Hersteller aus München in der Vergangenheit vorgeworfen wurde, die Hybrid-Technologie hauptsächlich zu nutzen, um zusätzlichen Boost in die ohnehin schon kraftvollen Boliden zu pumpen, pendelt man sich nun langsam auf eine gute Mischung ein. Die Reichweite ist beeindruckend, die Leistung des Doppelantriebs, wenn man sie abruft, ebenfalls.

Aber wie bereits angedroht, das alles hat seinen Preis. Der X5, wie er da bei uns in der Garage stand und ich ihn quer durch Niederösterreich ausführen durfte, kostet etwas über 120.000 Euro. Ohne die ganzen Komfort-Features, über die man definitiv streiten kann, müssen Interessenten rund 77.000 Euro zusammensuchen. Und für das Geld ist locker auch ein echtes Schiff drin. (Thorben Pollerhof, 21.12.2020)