Innenminister Karl Nehammer (ÖVP) findet, Österreich mache bereits genug für Flüchtlingskinder. Jetzt sei die EU am Zug, so Nehammer.

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Wien – Am Rande der Präsentation des Antiterrorpakets der türkis-grünen Regierung wurde Innenminister Karl Nehammer (ÖVP) auch auf die dramatische Situation der Flüchtlinge auf den griechischen Inseln angesprochen. Das Thema falle ihm "als Familienvater" nicht leicht, so Nehammer – die Bilder würden auch ihn erschüttern und aufwühlen. Nach dem Brand in Moria habe Österreich Griechenland allerdings besonders schnell mit Sachleistungen unter die Arme gegriffen. Alles andere wären "falsche Signale", so Nehammer. Er warnte vor einer "Destabilisierung" und einem "Moria-Effekt", sollte man Menschen aus den Lagern einfach aufnehmen. Er wolle keine "Destabilisierung", die EU sei gefragt.

Zudem sei Österreich schon besonders gefordert. Heuer hätten alleine 5.000 unbegleitete Minderjährige in Österreich Schutz gefunden, so Nehammer. Die Situation in den Betreuungseinrichtungen sei nicht zuletzt wegen der Corona-Situation "angespannt". Für Angebote von etlichen Bürgermeistern und Privatpersonen, Flüchtlinge von den griechischen Inseln aufzunehmen, bedankte sich Nehammer. Sie könnten aber besser jene Menschen annehmen, die sich bereits in Einrichtungen des Bundes befinden.

Zadić: "Humanitäre Krise"

Die Kluft innerhalb der Koalition in dieser Frage machte Justizministerin Alma Zadić (Grüne) deutlich: Es bestehe kein Zweifel, dass es sich bei der Situation auf den griechischen Inseln um eine "humanitäre Krise" handle. Sie und ihre Partei würden sich weiterhin dafür einsetzen, Menschen von dort aufzunehmen.

Nach zahlreichen erschütternden Berichten von den griechischen Inseln, wo derzeit etliche Zelte unter Wasser stehen und die zunehmende Kälte den Insassen zu schaffen macht, übt die Stadt Wien scharfe Kritik an der Regierungslinie, weiterhin die Aufnahme von dort untergebrachten Menschen zu verweigern. Bürgermeister Michael Ludwig (SPÖ) sprach am Mittwoch von einem "politischen Versäumnis" und einer "menschlichen Schande". Die Stadt selbst stellt gut 300.000 Euro für Hilfe vor Ort zur Verfügung.

Wien will 100 Kinder aufnehmen

Ludwig und Vizebürgermeister Christoph Wiederkehr (Neos) bekräftigten, dass Wien nach wie vor gerne zumindest 100 Flüchtlingskinder aufnehmen würde. Dafür brauche es allerdings die Zustimmung des Bundes, die es eben nicht gebe. Deshalb wolle man zumindest mit anderen Mitteln Menschen, die in den Lagern "unter schwersten Bedingungen" leben, unterstützen – und zwar "nicht PR-mäßig mit einem großen Flieger mit Dingen, die dann nicht ankommen", setzte Ludwig einen Seitenhieb auf Innenminister Karl Nehammer (ÖVP), der Ende September nach dem Brand im Flüchtlingslager eine Hilfslieferung vor allem mit Zelten begleitet hatte.

Die Stadt setzt stattdessen auf eine Geldspende an drei Hilfsorganisationen. Caritas, Diakonie und Samariterbund erhalten je rund 100.000 Euro. Der Bürgermeister sprach von "unhaltbaren Zuständen" in den Lagern und verwies auf Berichte, wonach Kinder durch Rattenbisse verletzt worden seien. Gerade in der Vorweihnachtszeit müsse man "Herzen öffnen". "Es ist eine Schande für Europa, was hier passiert", konstatierte auch Wiederkehr. Flüchtlinge würden in nicht winterfesten Zelten hausen und frieren müssen: "Das primäre Ziel muss sein, diesen Menschen eine Unterkunft zu geben" – auch "aus einer christlich-sozialen Perspektive heraus", wie der Vizebürgermeister einmahnte. (lalo, red, 16.12.2020)