Auf den ersten Blick schaut das Ding aus wie SimVillage, wie die Dorfversion des 1989 eingeführten Computerspiels SimCity, mit Bäumen, Bahnhof, Bankgebäude. Doch anders als beim zig-millionenfach verkauften Game geht es hier nicht um Spiel und Spaß, und schon gar nicht ums Gewinnen – sondern darum, den Wettlauf gegen die Klimakrise und die damit verbundenen, teils drastischen klimatischen Veränderungen in unseren Städten und Dörfern nicht zu verlieren. Vor genau einem Monat wurde die Initiative "Klima Konkret" der Öffentlichkeit vorgestellt und in 30.000-facher Auflage als lustiger Faltplan mit ernsten Inhalten an alle 2095 Gemeinden Österreichs verschickt.

Unten Schwammstadt, oben Schattenbäume, und dazwischen Maßnahmen für Mobilität, Siedlungsentwicklung und Ressourcenmanagement. Der Klima-Konkret-Faltplan umfasst 46 Ideen.
Foto: Illustrationen: Patrick Bonato / Klima Konkret

"Die Diskussion in der Fachwelt dreht sich meist darum, wie wir in Zukunft bauen müssen, damit wir die Klimakrise nicht noch weiter verstärken", sagt Simon Tschannett, Geschäftsführer von Weatherpark und Sprecher der Initiative Klima Konkret, "also ressourcenschonend, emissionsarm, regional. Doch wir müssen uns auch überlegen, wie wir unsere Städte und Dörfer im Bestand dem nicht mehr zu stoppenden Klimawandel anpassen wollen. Welche Mobilitätsangebote gibt es? Wie sieht das richtige Wassermanagement aus? Und wie wollen wir den öffentlichen Raum bestmöglich verschatten?" Mit dem erhobenen Zeigefinger, so Tschannett, komme man nicht weiter. Es brauche Humor und Lösungen.

Unterstützt wird das Mammutprojekt, an dem dutzende Institutionen aus der Architektur, Freiraumgestaltung, Raumplanung, Prozessentwicklung, Regionalpolitik, Klimaforschung und Meteorologie ein Jahr lang pro bono mitgewirkt haben, von zwei prominenten grünen Matadoren, nämlich von André Heller und UHBP Alexander Van der Bellen. "Wir müssen kluge Entscheidungen treffen und kluge Taten durchführen, besser gestern als heute, aber lieber heute als morgen", sagt der eine. "Hitzewellen, Überflutungen, Murenabgänge oder Ernteausfälle belasten uns immer mehr. Unsere Aufgabe ist es, dafür zu sorgen, dass unsere Dörfer, Gemeinden und Städte auch in Zukunft lebenswert bleiben. Für uns und für kommende Generationen. Dazu können Sie selbst sehr viel beitragen", sagt der andere.

Illustrationen: Patrick Bonato / Klima Konkret

Die im Faltplan dargestellten Handlungsspielräume umfassen konkrete Maßnahmen in den Bereichen Grünraum, nachhaltige Mobilität, Umgang mit Wasser und klimagerechtes Planen und Bauen. Es geht um die Attraktivierung von freien Plätzen, um die Pflanzung von Bäumen, um Speicherung von Regenwasser nach dem sogenannten Schwammstadt-Prinzip, um Entsiegelung und Renaturierung dörflicher Strukturen, um Dachbegrünung, um die Verbindung von Fuß- und Radwegnetzen, um eine intelligente Dorfentwicklung im Kern und an seinen Rändern. Alle 46 Ideen passen in ein A5-Kuvert. Und sie entfalten sich bei genauer Betrachtung zu einem buchstäblichen A1-Plakat und sprichwörtlichen Handlungsleitfaden, an dem es kein Vorbeikommen gibt.

"In Städten gibt es bereits ein gewisses Bewusstsein für das heißer werdende Klima", sagt Helga Kromp-Kolb, Klimaforscherin und Meteorologin an der Boku Wien sowie Obfrau des Climate Change Centre Austria (CCCA). "Aber auch in kleinen und mittleren Gemeinden kann man, sobald Gelder investiert und bauliche Maßnahmen vollzogen werden, klimaanpassend agieren, damit die sommerliche Hitze erträglicher und die dörflichen Freiräume attraktiver werden." Mit dem Faltplan sollen alle österreichischen Gemeinden erreicht werden. "Die großartigen Pilotprojekte sind gut und wichtig. Die Breitenwirkung in der Masse ist aber noch viel wichtiger."

Illustrationen: Patrick Bonato / Klima Konkret

Daniel Zimmermann, Partner bei 3:0 Landschaftsarchitektur und einer die Initiatoren von Klima Konkret, meint: "Technisch sind wir schon sehr weit. Ein Großteil der Maßnahmen ist leicht und unkompliziert durchzuführen. Bloß die politischen und legistischen Rahmenbedingungen sind noch nicht so weit. Vor allem aber hapert es an der nötigen Kommunikation, denn kaum jemand weiß Bescheid darüber, was alles möglich ist. Hier soll der bunte Wimmelbild-Faltplan Abhilfe schaffen."

Illustrationen: Patrick Bonato / Klima Konkret

Laut Daniela Allmeier, Geschäftsführerin von Raumposition, Büro für Raumentwicklung, Prozesse und Kommunikation, habe es seit dem Launch Ende November mehr als 100 Anfragen aus Österreichs Gemeinden gegeben, darunter allgemeine Verständnisfragen, aber auch konkrete Projektideen und Anfragen für Zusammenarbeit. Klingt nach Hoffnung.

Illustrationen: Patrick Bonato / Klima Konkret

Und was sagen die Gemeinden selbst? Herbert Gaggl, Bürgermeister von Moosburg, fühlt sich in seinem Mobilitätsmasterplan bestätigt und will noch mehr in Kommunikation und Aufklärung investieren. Werner Krammer, Bürgermeister von Waidhofen an der Ybbs, findet den Faltplan sympathisch und wird seine To-do-Checkliste für die kommenden Jahre daran anpassen. Sabine Naderer, Bürgermeisterin von Leonding, sieht im Faltplan einen One-Stop-Shop und will auf dieser Basis ein 100-Punkte-Programm für den Klimaschutz ausarbeiten.

Illustrationen: Patrick Bonato / Klima Konkret

Und Peter Eisenschenk, Bürgermeister von Tulln an der Donau, hat im Gemeinderat soeben einen Grundsatzbeschluss zum Umbau des derzeit als Parkplatz genutzten Nibelungenplatzes durchgeboxt. Demnach soll der Platz in großen Teilen entsiegelt und nach dem Prinzip der Gartenstadt mit Wiesen und Bäumen renaturiert und großflächig beschattet werden. Geplante Fertigstellung Frühjahr 2024. Geht doch. Jetzt liegt der Ball bei den restlichen 2091 Gemeinden. (Wojciech Czaja, 27.12.2020)