Wenn Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in Teilzeit mehr arbeiten als vereinbart, stellt sich die Frage nach der Entlohnung. Mehrarbeit erhält 25 Prozent Zuschlag (sofern es nicht zu einem zuschlagsfreien Zeitausgleich kommt), Überstunden 50 Prozent. Wo endet das eine, und wo fängt das andere an? Ein heikles Thema, das den OGH (25.11.2020, 9 ObA 31/20d) kürzlich beschäftigte.

Drei Instanzen – drei Rechtsansichten

Mit einer Finanzdirektorin war eine Viertagewoche mit wöchentlich 32 Stunden vereinbart. Vereinzelt arbeitete sie länger als acht Stunden täglich. Weil bei einer Viertagewoche eine tägliche Normalarbeitszeit von bis zu zehn Stunden zugelassen werden kann (wegen § 4 Abs 8 AZG, beziehungsweise auch wegen § 4 Abs 1 AZG), gab es drei Varianten, wie ihre Mehrarbeit zu bezahlen sein könnte: als Normalarbeitszeit (ohne Zuschlag), als Mehrarbeit (mit 25 Prozent Zuschlag) oder als Überstunden (mit 50 Prozent Zuschlag).

Das dreiinstanzliche Verfahren war nichts für schwache Nerven: Das ASG Wien vertrat die Ansicht, dass sich derartige Stunden immer noch im Rahmen von Teilzeit halten. Erst ab der 41. Wochenstunde gebühre der Überstundenzuschlag, bis dahin der nur 25-prozentige Mehrarbeitszuschlag. Es sprach der Klägerin daher fast nur Mehrarbeitszuschläge zu.

Das Berufungsgericht berücksichtigte dagegen die Tatsache, dass eine Viertagewoche vereinbart war. Überstunden liegen seiner Meinung daher erst bei einer Überschreitung einer Arbeitsleistung von täglich zehn Stunden vor. Folglich wertete es die Mehrarbeit teilweise als Normalarbeitszeit, teilweise als Mehrarbeit oder als Überstunden.

Mehrarbeit oder Überstunden?
Foto: EPA/SASCHA STEINBACH

Vergleich mit Vollzeit

Der OGH verwarf diese Überlegungen und näherte sich dem Thema von einer komplett anderen Seite, indem er den anwendbaren Kollektivvertrag für Angestellte und Lehrlinge in Handelsbetrieben berücksichtigte. Dieser sieht vor, dass bei Teilzeitbeschäftigten Überstunden erst vorliegen, wenn das Ausmaß der für die Vollzeitbeschäftigten festgesetzten täglichen oder wöchentlichen Arbeitszeit überschritten wird. Maßstab für die Überstundenarbeit Teilzeitbeschäftigter ist somit die Normalarbeitszeit von vergleichbaren vollzeitbeschäftigten Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern. Keine der Parteien hatte aber behauptet oder bewiesen, dass vergleichbare Kolleginnen und Kollegen in Vollzeit mehr als acht Stunden täglich arbeiten. Daher beginnen bei der Klägerin zuschlagspflichtige Überstunden schon bei Überschreiten von acht Stunden täglich. Sämtliche eingeklagten Stunden an Mehrarbeit sind daher laut letzter Instanz Überstunden und mit 50 Prozent Zuschlag abzurechnen.

Dass allein aufgrund der Viertagewoche ohnehin zehn Stunden pro Tag Normalarbeitszeit seien, verwarf der OGH: Von der Möglichkeit, eine längere tägliche Normalarbeitszeit zu vereinbaren, wurde hier nicht Gebrauch gemacht. (Nicht aus jeder Vereinbarung einer Viertagewoche folgt automatisch, dass bis zu zehn Stunden täglich Normalarbeitszeit sind – es braucht eine Zulassung mittels Betriebs- beziehungsweise Einzelvereinbarung.)

Undeutliches Gesetz

Hintergrund für diese widersprüchlichen Entscheidungen ist, dass das Gesetz die "Mehrarbeit" nicht definiert. Das AZG beschreibt sie lediglich als "Arbeitsleistungen über das vereinbarte Arbeitszeitausmaß". Damit stellt es klar, ab wann Mehrarbeit beginnt, aber nicht, bis wann sie geht und wann Überstunden beginnen. Das Gesetz lässt auch offen, ob es auf die Überschreitung nur des vereinbarten wöchentlichen Ausmaßes (hier: 32 Stunden) ankommt oder auch auf die Überschreitung des vereinbarten täglichen Umfangs (hier: acht Stunden). Der OGH stellt, hier mit Verweis auf den Kollektivvertrag für Angestellte und Lehrlinge in Handelsbetrieben, klar, dass der Maßstab die Arbeitszeit vergleichbarer vollzeitbeschäftigter Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer ist. (Kristina Silberbauer, 21.1.2021)