Am Donnerstag hat der Innsbrucker Gemeinderat einen FPÖ-Politiker zum Vizebürgermeister gewählt.

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Livestream der Innsbrucker Gemeinderatssitzung.
Stadt Innsbruck

Innsbruck – Die Viererkoalition unter Führung des grünen Bürgermeisters Georg Willi im Innsbrucker Gemeinderat scheint am Ende zu sein. Von Partnerschaft ist nicht mehr viel zu spüren – Grüne, die VP-Abspaltung Für Innsbruck (FI), SPÖ und ÖVP sind heillos zerstritten. Das gipfelte am Donnerstag in der Wahl eines blauen Vizebürgermeisters. Die SPÖ-Kandidatin der Viererkoalition scheiterte. Somit muss die eigene Koalition gegen sie gestimmt haben – das Votum war geheim.

Die Neuwahl eines Stellvertreters für Stadtchef Georg Willi (Grüne) wurde deshalb nötig, weil mit Uschi Schwarzl (Grüne) im Dezember zum bereits zweiten Mal in seiner Amtszeit eine Vizebürgermeisterin durch die Mehrheit des Gemeinderats abgewählt worden war. Und zwar auch mit den Stimmen der Koalitionspartner SPÖ, ÖVP und FI.

Möglicherweise war das eine Retourkutsche. Denn wiederum ein Jahr zuvor wurde Christine Oppitz-Plörer (FI) wegen ihrer Rolle im Finanzdebakel rund um den Patscherkofelbahn-Neubau als Willis Vize abmontiert. Damals kam der Antrag von der oppositionellen FPÖ, die Grünen unterstützten diesen, obwohl es gegen den eigenen Koalitionspartner ging. SPÖ und ÖVP zogen damals, eben unter Verweis auf die Koalitionsräson, demonstrativ nicht mit.

SPÖ-Bildungsstadträtin vs. nicht amtsführenden FPÖ-Stadtrat

Am Donnerstag sollte der vakante Posten nun abermals neu besetzt werden. Der Wahl stellten sich Bildungsstadträtin Elisabeth Mayr (SPÖ) und der nicht amtsführende FPÖ-Stadtrat Markus Lassenberger. Die Freiheitlichen sind zwar zweitstärkste Fraktion in der Tiroler Landeshauptstadt, wurden aber von der Viererkoalition außen vor gelassen, weshalb sie nur zwei Stadtratsposten ohne eigene Ressorts erhielten.

Das ist dem FPÖ-Stadtparteichef und Innsbrucker Politikurgestein Rudi Federspiel ein Dorn im Auge. Er will mitregieren, wie er sagt: "Es gibt genug Arbeit, wir wären bereit mitzuhelfen, wenn man uns Ressortverantwortung gibt. ÖVP und FI wären dafür." Federspiel hoffte im Vorfeld, dass sein Klubobmann Lassenberger mithilfe der beiden genannten Fraktionen zum Vizebürgermeister wird.

Das wird die Viererkoalition nun arg unter Druck bringen. Statt Neuwahlen, die eine Zweidrittelmehrheit im Gemeinderat brauchten, würde Federspiel auf Ressortumverteilung setzen, wie er sagt: "Am besten wäre All-in, jeder spielt mit und bekommt Verantwortung." Ob das nun passiert, bleibt abzuwarten.

Koalitionspartner sind sich uneins

Für Rot und Grün war dieses Szenario am Mittwoch noch nicht denkbar. Lassenbergers Kontrahentin bei der Wahl am Donnerstag, SPÖ-Stadträtin Mayr, schloss eine FPÖ-Regierungsbeteiligung dezidiert aus: "Das war von Anfang an Grundbedingung dieser Koalition." Ihr Antreten sei auch zu einem Gutteil der Überlegung geschuldet gewesen, einen FPÖ-Vizebürgermeister zu verhindern. Denn sie erachte es als fatale Konstellation, wenn der grüne Bürgermeister bei repräsentativen Aufgaben von einem blauen Vize, der noch dazu in Opposition ist, vertreten würde.

Die Wahl am Donnerstag erfolgte geheim. Dennoch ist relativ klar, dass Koalitionspartner gegen Mayr gestimmt haben. Von 40 Stimmen entfielen 18 auf Lassenberger, 16 auf Mayr, es gab sechs Enthaltungen. Die meisten Fraktionen hatten sich bereits im Vorhinein deklariert. Nur von FI und ÖVP waren am Mittwoch keine klaren Aussagen zu erhalten. Ob diese Koalition überhaupt eine Zukunft habe, wenn sie bei einer Wahl gegen die eigene Kandidatin stimme? Stadträtin Mayr umschiffte im Vorfeld die Frage: "Ich gehe nicht davon aus, dass das passieren wird."

Grüne zeigen sich "entsetzt"

Doch die koalitionäre Viererbande war sich schon bisher bei relevanten Themen alles andere als einig. So bildeten sich bei den umstrittenen Verordnungen, die der Innsbrucker Gemeinderat gegen sozial unliebsame Randgruppen erlassen hat – etwa die Alkohol- und Nächtigungsverbote –, kurzerhand rechte Mehrheiten. Der grüne Bürgermeister Willi kam dadurch schon mehrmals in arge Erklärungsnot.

Die Innsbrucker Grünen reagierten in einer ersten Aussendung "bestürzt, dass ein Teil der Stadtkoalition einen FPÖ–Vizebürgermeister gewählt hat". Das sei mitten in der schwersten Gesundheitskrise der zweiten Republik besonders kritikwürdig. Die grüne Klubobfrau Renate Krammer-Stark sagte: "Unser oberstes Ziel muss es sein, den gesamten Fokus auf eine funktionierende Stadtregierung zu richten, um Innsbruck gut aus der Krise herauszuführen. Stattdessen investieren unsere Koalitionspartner FI und VP ihre Zeit lieber in Streit und Zwist. Das Resultat haben wir nun vor uns: eine bewusst provozierte Instabilität."

Bürgermeister Willi kündigte an, die Lage überdenken zu wollen: "Wir befinden uns in mehrfacher Hinsicht in einer der schwersten Krisen überhaupt und werden jetzt die Situation in den entsprechenden Gremien neu bewerten müssen."

Neos sehen Stadtregierung "gescheitert"

Die Innsbrucker Neos werfen dem Bürgermeister vor, die aktuelle Situation selbst verschuldet zu haben, indem er "zu hoch gepokert" habe. Nachdem nicht einmal mehr die eigene Koalition für die SPÖ-Kandidatin gestimmt habe, sei die Regierung als "gescheitert" zu betrachten, so Neos-Gemeinderätin Dagmar Klingler-Newesely. "Ob es möglich ist, dass diese Stadtregierung gemeinsam weiterarbeitet, wage ich stark zu bezweifeln. Das Koaltitionsabkommen muss neu bewertet werden und steht, unserer Ansicht nach, auf sehr wackeligen Beinen", sieht ihre Parteikollegin Seidl Julia eine schwierige Situation auf die Stadt zukommen. (Steffen Arora, 21.1.2021)