Foto: Matthias Cremer
Foto: Matthias Cremer

Wäre der Wiener Opernball eine Sportveranstaltung, würde er am Donnerstagabend ganz ohne Zuschauer vor Ort am Ring über die Bühne gehen. Statt vor bis zu 5.150 Ballgästen würden die mehr als 140 Debütantinnen- und Debütantenpaare vor leeren Logen und ohne Gedränge auf dem Parkett ihr Tanzbein wohl etwas entspannter als sonst schwingen können, bevor Operndiven und Startenöre ihr Können unter Beweis stellen würden und das Staatsballett akrobatische Einlagen liefern könnte.

Mit den Stars der künstlerischen Eröffnung würden – wie es dieser Tage bei Fußballspielen die Norm ist – lediglich die Fernsehzuseherinnen und -zuseher von daheim aus mitfiebern. Das waren zuletzt einige: Bis zu 1,506 Millionen Leute verfolgten im vergangenen Jahr die ORF-2-Übertragungen des Balls der Bälle. Alleine der Eröffnung wohnten am 20. Februar 2020 im Schnitt 1,378 Millionen Menschen bei, wie der ORF am Tag nach dem Ball in einer Aussendung mitteilte. Donnerstagabend bietet der ORF daher auch heuer ein ausführliches Opernball-Programm.

Das Staatsopernballett ist eines der Highlights der Opernballeröffnung.
Foto: Matthias Cremer

Doch der Opernball ist bekanntlich keine Sport-, sondern eine Kulturveranstaltung. Und obwohl die ehemalige Opernballorganisatorin, die türkise Nationalratsabgeordnete Maria Großbauer, die Kunst am Ball der Bälle gerne ins Zentrum rückte, blieb er ein Society-Event, das ohne Gäste nicht auskommt. Das erkannte auch Dauergast Richard Lugner, der betonte, dass der Opernball "von seinen Gästen" lebe, da "sich die Zuseher und die Medien hauptsächlich für sie interessieren".

Fast 30 Jahre Lugner

Der Bauherr hätte auf dem heurigen 65. Opernball sein 30-Jahr-Jubiläum gefeiert. Seit 1992 bringt er zu jedem Opernball zumindest einen Stargast mit. Zu seinen Lieblingsgästen zählte einst auch Sophia Loren, sie begleitete Lugner im Jahr 1995. Angeblich wollte Lugner heuer übrigens mit besonders prominenter Begleitung erscheinen. "Ich verhandle mit einem wirklich tollen Gast, für den ich tief in die Tasche greifen würde – und der auch Herrn Roščić gefallen würde", sagte der Baumeister im April des vergangenen Jahres, als eine Absage des Balls noch kein Thema war und Lugner mit dem neuen Staatsoperndirektor noch um eine Loge stritt.

1995 brachte der Richard Lugner mit Zylinder Sophia Loren als Gast. Das Gedränge um sie war enorm.
Foto: Matthias Cremer

Für den heutigen Donnerstagabend hat sich Lugner jedenfalls ein Ersatzprogramm gesucht: Er wolle den Abend "alleine leger auf der Couch verbringen, mir ein Glas Wein genehmigen und mir eine Zusammenfassung alter Opernbälle im Fernsehen ansehen", sagte Lugner der APA. Er geht davon aus, dass die Großveranstaltung, sobald die Pandemie in den Griff bekommen wurde, wieder stattfinden kann. "Viele, die sich jetzt die Logen leisten können, werden das wohl auch in Zukunft können", sagte der Baumeister.

Auf eine Wiederaufnahme der Wiener Ballsaison 2021/22 hofft auch die lokale Wirtschaftskammer. "Der Opernball ist wie die gesamte Ballsaison ein großer wirtschaftlicher Faktor", sagt Markus Grießler, Spartenobmann für Tourismus und Freizeitwirtschaft. Rund 150 Millionen Euro an Wertschöpfung könne die Ballsaison gesamt pro Jahr lukrieren. "Heuer geht das natürlich verloren", sagt Grießler.

Teure Ballnacht

Ein durchschnittlicher Ballgast sei zudem ein spendabler. 290 Euro lassen sich Besucher eine Tanznacht im Durchschnitt kosten – wobei der Opernballgeher natürlich weit darüber liegt. 2020 musste man schließlich schon 315 Euro für eine einfache Eintrittskarte ablegen.

315 Euro kostete 2020 das Opernballticket. Eine Loge bekam man ab 13.300 Euro.

Trotzdem: Der vorerst letzte Opernball war ausverkauft. Aber nicht nur im monetären Minus zeige sich die Ballabsage. Der Opernball gehöre zum "Flaggschiff internationaler Berichterstattung über Wien", sagt Grießler, flankiert würde diese dann auch immer von weiteren "touristischen Berichten". Etwa 20 Prozent der halben Million Ballgäste, die Wien in einer normalen Saison zählt, seien Touristen, ein Anteil, der in den vergangenen Jahren kontinuierlich gestiegen sei.

Als "zeitlich begrenztes Phänomen" bezeichnet auch Wirtschaftsstadtrat Peter Hanke (SPÖ) den Ballstopp. Der Ausfall des Wiener Opernballs 2021 sei "zwar besonders schade – wenn auch in Zeiten wie diesen nachvollziehbar", sagte Hanke. Sobald man die Pandemie unter Kontrolle habe, würden auch die "gesellschaftlichen Highlights dieser Stadt wiederkommen, als ob sie nie weggewesen wären".

Erst zweite Absage

Seit der Wiederaufnahme des Opernballs nach dem Zweiten Weltkrieg ist es erst die zweite Absage. Ein Ersatzprogramm wird es für Ballfans aber nicht geben – mit ein paar Fotos von vergangenen Bällen würde der Tag auf den Social-Media-Kanälen begangen, heißt es aus dem Büro der Staatsoper.

Erstmals fiel der Ball im Jahr 1991 wegen des Golfkriegs aus. Damals sagte Bürgermeister Helmut Zilk, man würde es als "unziemlich" erachten, das Fest abzuhalten. (Oona Kroisleitner, 11.2.2021)