Finanzminister Gernot Blümel hat die Rückendeckung seiner Partei, der ÖVP, die jetzt im Parlament mobil macht.

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Wien – Die Grünen reagierten am Samstagnachmittag einigermaßen empört auf eine Aktion ihres Koalitionspartners ÖVP. Denn die Volkspartei geht nach dem Aufkommen der Vorwürfe gegen ihren Finanzminister Gernot Blümel in die Offensive – und zwar in Form einer parlamentarischen Anfrage just an das grün geführte Justizministerium (solange Ministerin Alma Zadić in Karenz ist, vertritt sie Vizekanzler Werner Kogler (Grüne) als Ressortchef.)

In der der APA vorliegenden parlamentarischen Anfrage will die Abgeordnete Michaela Steinacker nämlich Genaues zur Vorgehensweise der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) rund um die Hausdurchsuchung beim Beschuldigten in der Glücksspiel-Causa wissen und fragt: "Wer trägt für die Verfehlungen die Verantwortung und was sind die Konsequenzen?"

Die Grünen sehen in dieser ÖVP-Aktion eine "türkise Nebelgranate", die dem "Rechtsstaat schadet", schrieb die grüne Justizsprecherin Agnes Sirkka Prammer in einer Aussendung: "Es wird langsam zur Gewohnheit, dass nach jedem Schritt der Justiz in Verfahren, an denen ÖVP-Politiker*innen beteiligt sind, aus ÖVP-Kreisen Kritik an der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) laut wird."

ÖVP weist in Anfrage Beschuldigungen zurück

Der ÖVP-Klub will unter anderem wissen, wie der Beschuldigtenstatus von Blümel vorher in die Medien gelangen konnte, ob Beschuldigtenrechte des Ministers verletzt worden seien und wer allenfalls dafür verantwortlich sei. Auch die Beschuldigungen selbst werden in der Anfrage erneut zurückgewiesen und als unwahr bezeichnet: "Ist es nicht problematisch, dass die Basis für die Ermittlungen und die Hausdurchsuchung ein Termin und eine Spende sind, obwohl es weder eine Spende noch einen Termin gegeben hat?"

Dazu schrieb die grüne Justizsprecherin: "Diese Begründung knüpft an frühere Aussagen an, mit denen versucht wird, diese wichtige Behörde in der Öffentlichkeit zu beschädigen und ist in diesem Zusammenhang als reine Nebelgranate zur Ablenkung von weiterhin unaufgeklärten Fragen zu werten." Und weiter: "Wenn wir Korruption wirksam bekämpfen wollen, müssen wir die zuständigen Behörden ihre Arbeit machen lassen und die Unabhängigkeit der Justiz stärken"

Grüne verteidigen WKStA

Zum von der ÖVP geäußerten Vorwurf, Informationen würden "durchsickern", hielt die grüne Abgeordnete Prammer fest: "Die WKStA hat kein Interesse daran, ihre eigenen Ermittlungshandlungen zu torpedieren. Durch eine weitgehende Abschaffung der Berichtspflichten wäre die Anzahl der Personen, die über die Ermittlungsschritte Bescheid wüssten, wesentlich geringer und damit auch das Risiko, dass Ermittlungsschritte vorab an die Öffentlichkeit geraten. Auch eine politikunabhängige Weisungsspitze ist eine langjährige Forderung der Grünen."

Die ÖVP bezeichnet in ihrer parlamentarischen Anfrage außerdem Formulierungen in den Akten als "den parteipolitischen Diktionen der Sozialdemokratie bzw. der Freiheitlichen Partei" entsprechend, etwa jene von der "Machtübernahme" durch Sebastian Kurz. Veranstaltungen, bei denen teilweise bis zu hundert Personen anwesend gewesen seien, würden außerdem dargestellt, "als ob es sich dabei um Vier-Augengespräche bzw. vertrauliche Einzelgespräche gehandelt hätte". Und nicht zuletzt will der ÖVP-Klub von der Justiz wissen, wie diese weiter vorgehe, nachdem Blümel "innerhalb von 48 Stunden sämtliche Vorwürfe als falsch darlegen konnte".

Neumann-Mail zu Parteispenden

Indes veröffentlichten das Nachrichtenmagazin "Profil" und die ORF-"ZiB 2" eine interne E-Mail des Glücksspielkonzerns Novomatic vom 2. Juni 2017, in dem es um geplante Einschränkungen von Parteispenden in mehreren Ländern ging. Darin schrieb der damalige Vorstandschef Harald Neumann in Bezug auf eine entsprechende Diskussion in Deutschland: "Die Konzernrichtlinie hatte die Absicht, dass keine verdeckten Zahlungen an Parteien in all unseren Ländern vorgenommen werden dürfen! Ich halte nichts davon gesetzlich erlaubte und transparente Zahlungen an Parteien gänzlich zu unterbinden!"

"Wir werden dies in einigen Ländern machen müssen und sollten uns nicht durch unsere Richtlinien einschränken", schrieb Neumann weiter und: "Dh wir ändern die Richtlinie in der Form, dass diese Zahlungen nur dann stattfinden dürfen, wenn sie im gesetzlichen Rahmen und transparent vorgenommen werden! Eine Meldung (und nicht Genehmigung) an das Compliance Komitee soll aber bleiben."

Blümel muss sich auf "eine lange Durststrecke" einstellen

Franz Fiedler, der Ehrenpräsident von Transparency International Österreich und ehemalige Rechnungshofpräsident, betonte derweil am Samstag in der Ö1-Reihe "Im Journal zu Gast", dass grundsätzlich auch für einen Minister die Unschuldsvermutung gelte – und "dann hat er auch sein Amt auszuüben". Allerdings handle es sich nicht um juristische Argumente, sondern um Fakten, mit denen Blümel sich auseinanderzusetzen habe.

Der Finanzminister müsse "in sich gehen und sich fragen, ist an dem Vorwurf etwas dran oder nicht". Wenn ja, müsste er möglichst bald zurücktreten, wenn nein, müsste er sich darauf einstellen, "einen Zustand, der nicht lustig ist, durchzustehen" – und zwar "unter dem Brennglas der Öffentlichkeit". Das müsse ihm klar sein: "Da wird er vermutlich eine lange Durststrecke durchzuhalten haben", sagte Fiedler.

Blümels eidesstattliche Erklärung vom Freitag habe für die Staatsanwaltschaft keine Bedeutung: "Das hat sie auch gar nicht zu beeindrucken." Sie müsse immer "alles erheben, was für und gegen" einen Beschuldigten spreche, auch für den Fall, dass dieser eine "leugnende Verantwortung wählt".

Forderung nach voller Rechnungshofkontrolle für Parteifinanzen

Grundsätzlich sprach sich Fiedler für eine Entpolitisierung im Bereich der Strafverfolgung aus. Derzeit sei die Spitze der Weisungshierarchie ident mit dem Justizministerium, was zu Misstrauen führen könne. Er plädiert für einen "Bundes- oder Generalstaatsanwalt", der über jeden parteipolitischen Zweifel erhaben sein müsse: "Das halte ich für besonders wichtig."

Was Parteispenden und Parteifinanzen angeht, so sei es ein "schwerer Nachteil", dass der Rechnungshof keinen Einblick in die Kassen der Parteien nehmen könne. Der schon lange währende politische Widerstand gegen dieses Recht für den Rechnungshof hänge wohl damit zusammen, "dass man echt Scheu vor einer wirklich umfassenden Prüfung hat", sagte der frühere Rechnungshofpräsident.

In ein Antikorruptionspaket würde er folgende Reformen hineinpacken: Neben Entkoppelung des Weisungsrechts vom politischen Apparat und der Reform des Parteingesetzes, das dem Rechnungshof ein komplettes Prüfungsrecht einräumen müsste, nannte Fiedler die Schaffung eines Informationsfreiheitsgesetzes für echte Transparenz, aber auch die Überarbeitung des Lobbyistenregisters sowie einen größeren Schutz für Whistleblower.

Korruption von zwei Seiten in den Zangengriff nehmen

Bereits am Freitagabend hatte Georg Krakow, Vorstandsmitglied von Transparency International Österreich, im ZIB2-Interview gemeint, man "müsste an zwei Schrauben drehen", um das Thema Parteispenden bzw. potenzielle Korruptionsvergehen auch juristisch einzuhegen. Zum einen müsse im Parteiengesetz "endlich eine effektive Kontrolle der Parteifinanzen durch den Rechnungshof ermöglicht werden". Zum anderen sei es "höchste Zeit", den seit mehr als einem Jahr diskutierten Plan, "Korruptionsdelikte um eine Strafbarkeit von Kandidaten, von Personen, die sich um Ämter erst bewerben", umzusetzen, sagte der ehemalige Oberstaatsanwalt, der von 2009 bis 2011 selbst im Justizministerium als Kabinettschef tätig war.

In der Causa Blümel müsse man übrigens "zwei Dinge rechtlich strikt unterscheiden". Einerseits die Frage der Parteispenden, denn die sind in Österreich grundsätzlich erlaubt, auch Gelder von Unternehmen. Andererseits sei zu fragen, "ob es einen Vorgang gegeben hat, wo eine Parteispende oder ein Angebot einer Parteispende verknüpft wurde, junktimiert mit dem Wunsch nach einer Amtshandlung. Das wäre dann der Bereich, wo wir in das Korruptionsstrafrecht abgleiten. Das hat die WKSta jetzt zu ermitteln." (nim, APA, 13.2.2021)