Die Teiltauglichkeit schafft mehr Probleme, als sie löst, sagt SJ-Vorsitzender Paul Stich im Gastkommentar.

Kein Dienst an der Waffe: Künftig gibt es neben tauglich und untauglich noch die Teiltauglichkeit.
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Seit heute gibt es für junge Männer in Österreich eine große Neuerung. Neben den Kategorien "tauglich" und "untauglich" gibt es bei der Stellung künftig auch die Kategorie "teiltauglich". Das Ziel dahinter: Untaugliche Jugendliche sollen über die Hintertür für Bundesheer und Zivildienst verpflichtet werden.

Rechtlich steht das Vorhaben auf wackligen Beinen. Der Verwaltungsgerichtshof (VwGH) sieht die körperliche Fähigkeit zum Dienst an der Waffe als Voraussetzung für Wehr- und Wehrersatzdienst an. Wer nicht kämpfen kann, den darf der Staat auch nicht zum Botendienst zwangsverpflichten. Doch im Unterschied zu EADS (Stichwort Eurofighter) werden Österreichs junge Männer Verteidigungsministerin Klaudia Tanner ab 1. März wirklich kennenlernen: Statt eines Gesetzgebungsverfahrens hat Tanner die Änderung per Eilerlass durchgepeitscht – am Parlament vorbei.

Symptombekämpfung

Das eigentliche Problem bleibt unberührt: Übergewichtigkeit und psychische Erkrankungen sind bei Jugendlichen auf dem Vormarsch, die Zahl der Untauglichen steigt seit Jahren an. Doch statt sich damit auseinanderzusetzen, was in unserer Gesellschaft falsch läuft, gibt es "Lösungen" zulasten der betroffenen Jugendlichen.

Statt täglicher Schulturnstunde, des Ausbaus von Gesundheitsangeboten und weiterer Präventionsansätze sucht die Regierung nach Taschenspielertricks, um bestehende Personallücken beim Heer, aber auch im Sozialbereich zu stopfen. Darum sollen Teiltaugliche das Vaterland verteidigen – um dann in der Kasernenküche Erdäpfel zu schälen.

Betrachtet man die Auswirkungen auf den Arbeitsmarkt, beginnen die Alarmglocken ebenfalls zu schrillen. Mehr als eine halbe Million Menschen suchen aktuell händeringend nach Arbeit. Die Teiltauglichkeit führt dazu, dass mehr junge Menschen zu Hungerlöhnen – die Entschädigung für Grundwehrdiener beträgt rund 347 Euro pro Monat – für Aufgaben herangezogen werden, die mit einer militärischen Ausbildung nichts zu tun haben. Und damit Arbeiten erledigen, für die eigentlich jene Menschen eingestellt werden sollten, die auf Jobsuche sind.

Zeit für Reformen

Benennen wir die Teiltauglichkeit als das, was sie ist: ein Programm zur Bereitstellung von billigen Arbeitskräften für das Bundesheer und (unterfinanzierte) Zivildiensteinrichtungen! Die Bundesregierung verschärft damit auch die Situation am Arbeitsmarkt – und das in der größten Krise der Zweiten Republik.

Klar ist: Die Teiltauglichkeit schafft mehr Probleme, als sie löst. Das einzig Positive daran? Sie öffnet den Raum für wichtige Debatten in diesem Themenbereich. Beispielsweise die Frage, wann Grundwehr- und Zivildienst endlich als vollwertige Arbeiten anerkannt und auch entsprechend mit einem Mindestlohn von 1700 Euro anstatt eines Hungerlohns vergütet werden. (Paul Stich, 1.3.2021)