Parler wirbt mit Meinungsfreiheit. Dass man trotzdem mit den Behörden zusammenarbeitet, empört nun manche User.

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Vor dem 6. Jänner 2021 konnten selbst Social-Media-affine Personen meist nur wenig mit dem Namen Parler anfangen. Erst der Sturm auf das US-Kapitol durch Trump-Anhänger sollte das ändern – stellte sich doch rasch heraus, dass Parler die bevorzugte Kommunikationsplattform der Angreifer war. Der Grund dafür ist ein simpler: Viele davon wurden in den Monaten zuvor bei Twitter, Facebook und Co hinausgeworfen. Parler bot sich in der Folge als neuer Hafen für diese Mischung aus Neonazis, Verschwörungserzählern und auf Zuspruch hoffende Akteure aus konservativen Kreisen. Was sie alle – zumindest in ihren öffentlichen Äußerungen – eint: die angebliche Sorge um die Meinungsfreiheit. Insofern entbehrt ein aktueller Konflikt nicht einer gewissen Ironie.

Kritik

Parler sieht sich derzeit scharfer Kritik aus der eigenen Anhängerschaft ausgesetzt. Der Grund: Die Social-Media-Plattform hat versucht, die in der Vorwoche erfolgte Anhörung der Chefs von Facebook, Google und Twitter vor dem US-Kongress für einen PR-Coup zu nutzen. In einem offenen Schreiben warfen die Parler-Betreiber den großen Techkonzernen vor, mit ihrem Vorgehen gegen Parler von der eigenen Rolle bei der Attacke gegen das US-Kapitol ablenken zu wollen. In Wirklichkeit würden diese nämlich kaum anders agieren als man selbst. Um dies zu untermauern, verweist man darauf, dass Parler im Vorfeld des 6. Jänner bereits in mehr als 50 Fällen Beiträge mit Aufrufen zur Gewalt an die Behörden weitergeleitet habe.

Genau das kommt bei den Parler-Nutzern nun aber gar nicht gut an. In zahlreichen Postings werden die Betreiber dafür kritisiert, dass man im Endeffekt kaum besser sei als Facebook oder Twitter. Immer wieder fallen Worte wie "Verräter", die wie allen anderen nur von den Demokraten abgesegnete Inhalte zulassen würden. Andere wiederum sehen sich ganz grundlegend betrogen, wie "Mashable" berichtet. Immerhin sei das nicht jene "freie Meinungsäußerung", die bei der Gründung versprochen wurde.

Erklärung

All das führt zur etwas absurden Situation, dass nun ausgerechnet Parler seinen Nutzern erklären muss, was "freie Meinungsäußerung" eigentlich bedeutet – und was eben nicht. Der gerne von Verfechtern eines "Free Speech"-Maximalismus herangezogene erste Zusatzartikel zur US-Verfassung decke nämlich keineswegs Aufrufe zu Gewalt oder anderen Straftaten ab, betont Parler. Zudem würden solche Postings auch gegen die eigenen Nutzungsbedingungen verstoßen. Dort werde auch klargestellt, dass entsprechend Beiträge an die Behörden gemeldet werden.

Wie zu erwarten, war diese Erklärung nur begrenzt dazu geeignet, die Situation zu kalmieren. Zwar zeigen sich einzelne User verständnisvoll, andere betonen hingegen, dass man in dem Fall gleich bei anderen Plattformen bleiben könnte. Und dann gibt es noch jene, die keinerlei Hehl aus ihrer Überzeugung machen. So betont ein User: "Ich will eine verdammte Reaktion auf die Farce, die wir Wahl genannt haben." Und weiter: "Manchmal IST Gewalt die Lösung."

Vorgeschichte

Parler war wenige Tage nach dem Sturm auf das Kapitol aus den App Stores von Google und Apple geworfen worden. Der schwerste Schlag wurde aber von Amazon vorgenommen, das bald danach Parler das Hosting entzog – zuvor lief die Plattform in der AWS Cloud. Erst einige Wochen später schafften es die Betreiber, den Service wieder online zu bringen. (apo, 29.3.2021)