Bei der ÖVP will niemand im Vorfeld geahnt haben, dass der Wahlkampf 2017 finanziell überdimensioniert war.

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Wien – Wie scharf müssen Strafen sein, damit sie auch tatsächlich eine abschreckende Wirkung erzielen? Das ist eine zentrale Frage in juristischen Debatten – und sie betrifft auch das Parteiengesetz, das die türkis-grüne Koalition demnächst novellieren will. Der deutsche Parteienfinanzierungsexperte Frank Saliger sagte im Februar zum STANDARD: Wenn es "zu einer Entdeckung der Regelverletzung kommt, kann das Strafrecht den häufig enormen politischen Schaden noch vergrößern", deshalb sei es effektiv, um zum Beispiel illegale Parteienfinanzierung zu verhindern.

Anders als in Deutschland spielt das Strafrecht im Parteiengesetz keine Rolle. Die Anwälte Richard Soyer und Philip Marsch vermuten in einem im Journal für Strafrecht (März 2021 / Heft 2) erschienenen Artikel, dass das auch gar nicht gewünscht ist.

Sie verweisen auf die teils eklatanten Überschreitungen der Wahlkampfkostenobergrenze im Vorfeld der Nationalratswahl 2017: Damals gab die ÖVP knapp sechs Millionen, die FPÖ 3,7 Millionen und die SPÖ 380.000 Euro mehr aus als erlaubt – das Limit lag 2017 bei sieben Millionen Euro.

Geringe Strafen "eher Anreiz"

Die deswegen verhängten Verwaltungsstrafen erscheinen Soyer und Marsch "bisweilen eher als Anreiz zu parteiengesetzwidrigen Verhaltensweisen denn als Abschreckung": Die Volkspartei zahlt 800.000 Euro Strafe, die FPÖ 372.000 Euro und die SPÖ 30.000 Euro. Beträge, so schätzen die Autoren, die den Parteien wohl angesichts der im Wahlkampf ausgegebenen Summen nicht ausreichend wehgetan haben.

Sie glauben allerdings, dass bestehende Paragrafen aus dem Strafrecht anwendbar gewesen wären – und zwar gegenüber den Verantwortlichen persönlich, nicht gegenüber den Parteien. Soyer und Marsch führen einerseits den Förderungsmissbrauch (§153b StGB) an: "Eine allfällige (verwaltungsstraf-) rechtswidrige Verwendung von Fördermitteln für Mehrkosten wird wohl stets als zweckwidrig anzusehen sein." Somit könne das Delikt des Förderungsmissbrauchs hier also greifen, wenn den betroffenen Parteien hätte nachgewiesen werden können, dass die illegalen Mehrausgaben mit Geld aus der Parteienförderung bestritten wurden, argumentieren die Juristen. Das hätte ein Sachverständiger wohl mathematisch feststellen können – doch zur Prüfung kam es nicht, weil die Staatsanwaltschaft keinen Anfangsverdacht gegeben sah.

Auch Untreue denkbar

Unabhängig von der Parteienförderung halten Soyer und Marsch aber auch das Delikt der Untreue (153 StGB) für möglicherweise anwendbar: Dieser bestrafe "den wissentlichen Missbrauch einer Befugnis, über fremdes Vermögen zu verfügen, wenn der Machtgeber (in diesem Fall: die Partei, Anm.) dadurch vorsätzlich am Vermögen geschädigt wird". Nach Ansicht der Juristen diene die Begrenzung der Wahlkampfkosten nicht nur dem fairen Wettbewerb zwischen den Parteien, sondern auch "dem Vermögensschutz der politischen Parteien" selbst. (Sebastian Fellner, 26.4.2021)