In der DDR verboten und in der BRD verlegt, wurde Monika Maron zu einer der wichtigsten Autorinnen Deutschlands. Zuletzt erntet sie aber Unverständnis.

Imago Images / Gerhard Leber

Was ist eigentlich los? Das fragten sich vergangenes Jahr viele, als der Verlag S. Fischer, bei dem Monika Maron 40 Jahre verdienstvoll und geehrt veröffentlicht hatte, die Autorin aus dem Programm warf. Argumentiert wurde das damit, dass im Frühjahr ein Essayband beim Buchhaus Loschwitz erschienen und über den Antaios-Verlag zu beziehen war, zwei Säulen der neurechten Öffentlichkeit in Deutschland.

Sie sei "politisch unberechenbar", wurde Maron seitens Fischer mitgeteilt. Zuvor hatte Maron in Büchern wie Artur Lanz und Munin oder Chaos im Kopf ihren Figuren schon Meinungen zu Gender, Zuwanderung und Islam in den Mund gelegt, die viele irritierten: Sie wurde islamophob und antiemanzipatorisch genannt. "Streitbar" lobte Fischer das zuerst noch, intern aber mit verkniffenem Gesicht.

Zuflucht fand die Autorin bei Hoffmann und Campe. Nach dem Hundebuch Bonnie Propeller erscheint dort nun ein Essayband. Was ist eigentlich los? heißt er passenderweise, Fischer wollte ihn nicht mehr. Im Juni wird Maron 80 Jahre, das ist der Anlass seines Erscheinens.

Gegen den linken Mainstream

Er versammelt Aufsätze aus vier Jahrzehnten, allzu feierlich ist ihm aber nicht zumute. Er hält sich bis auf wenige Ausnahmen (einen sehr schönen Text über ihren vorigen Hund Bruno und wie er Signale des Frauchens liest) an zwei großen Themen fest: Die Texte ab den 1990ern handeln von der DDR, die neueren (2010–2019) zeigen sich skeptisch gegenüber dem modernen, linken Mainstream.

Ersteren möchte man nichts vorwerfen. Sie weisen die 1941 in eine polnischstämmige, jüdische Familie geborene Maron als eine genaue Beobachterin aus. "Die Tür hat nur auf einer Seite eine Klinke, auf der anderen", schreibt sie in den späten 1980ern über eine Ankunftshalle aus dem Westen in Ostberlin. Weil sie in der Heimat nicht publizieren darf, ist Maron ab ihrem Debüt Flugasche (1981 bei Fischer) viel im Westen, was ihren Blick auf die Teilung schärft. Hart geht sie in den Texten mit Ostdeutschen ins Gericht, die sich als Opfer der Westler fühlten und täten, als wüssten sie nicht, wie kaputt ihr Land war.

Für sich zieht sie aus der Sozialisierung in der Quasidiktatur andere Lehren: Toleranz, individuelle Freiheit und Demokratie hochzuhalten, gerade auch im Widerstand gegen anderweitige vorherrschende Meinungen. Wer den Mut zur Verteidigung solcher Werte nicht habe, verhalte sich nicht wie ein Demokrat.

Falsche Toleranz

Ein neuer Aufhänger dafür findet sich ab 2010 mit dem Islam. Im Umgang damit beginnt sie die "Toleranz gegenüber der Intoleranz" zu sorgen. Kann es zu viel verlangt sein, wenn man von einer Religion, die in die deutsche Gesellschaft einziehe, erwarte, deren Werte zu achten, fragt Maron und findet keinen Grund, den "unaufgeklärten Islam mit seinem Herrschaftsanspruch gegenüber dem Individuum und der Gesellschaft nicht zu kritisieren, sofern Muslime von uns als gleichberechtigte Menschen angesehen werden".

Maron behauptet eine Kontinuität ihres Denkens. Sie muss aber feststellen, dass sie inzwischen "zu denen" gehört, "die neuerdings als rechts bezeichnet werden. Ich dachte immer, ich sei liberal, aber im Fernsehen und in der Zeitung sagen sie, ich sei rechts. Und nun zermartere ich mir den Kopf, wie das passieren konnte. (...) Welche Achse hat sich gedreht, dass ich mich auf einer anderen Seite wiederfinde, ohne die Seite gewechselt zu haben? Doch die in meinem Kopf? Oder hat jemand am Meinungskompass gedreht (...)?"

Alles nur ein Missverständnis?

Marons Argumentation ist kaum förderlich, dass sie Worte wie "Völkerwanderung", "Willkommenswahn" und "Genderkauderwelsch" verwendet. Ebenso, dass dabei immer wieder Polemik mitmischt: "Weder überfällt mich ein Zittern, wenn ich an einer Moschee vorbeigehe, noch tritt mir der Angstschweiß auf die Stirn, wenn ich einer Frau mit Kopftuch begegne." Beißreflex oder Verzweiflung?

"Die Wahrheit ist, dass ich vor dem Islam wirklich Angst habe. Die Zeitungen, die mir meine verachtenswerte Gesinnung attestieren, berichten täglich von blutrünstigen Verbrechen, die im Namen dieser Religion begangen werden." So wird Maron letztlich zur Apologetin der AfD als einziger Alternative zu einem "Parlament ohne Opposition und Rückgrat". In Österreich, schreibt Maron, würde sie Sebastian Kurz wählen. (Michael Wurmitzer, 7.5.2021)