Die Frage war nicht, ob, sondern wann es wieder zu einer Eskalation zwischen Israel und der Hamas kommt: Am Ende jeder Runde der Gewalt in den vergangenen Jahren stand die Analyse, dass alle politischen und strukturellen Probleme ungelöst geblieben seien. Insofern sind die Bilder der Raketen aus dem und auf den Gazastreifen ein Déjà-vu – aber mit neuen beängstigenden Details und einer denkbar schlechten politischen Konstellation für eine Lösung der Krise.

Die Auseinandersetzungen im Nahen Osten sind die heftigsten seit dem Gazakrieg 2014.
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Die bittere Erkenntnis für Israel ist nicht nur, dass die Hamas trotz aller israelischen Anstrengungen seit dem Krieg 2014 ihr Raketenarsenal aufrüsten konnte. Auch diese unpräzisen, aus militärischer Sicht primitiven Raketen sind heute eine effektive und tödliche Terrorwaffe – und nicht mehr nur im Süden Israels. Die Hamas kann diesmal aber auch politisch viel mehr profitieren als früher. Sie füllt ein Vakuum. Der Niedergang der Palästinenserbehörde in Ramallah, an dem Israel freilich nicht unbeteiligt war, lässt die Hamas auch für Palästinenser außerhalb des Gazastreifens – die ja nicht unter den furchtbaren israelischen Bombardements leiden müssen – als einzige palästinensische Kraft dastehen, die Israels antipalästinensischer Ostjerusalem-Politik etwas entgegensetzt.

Die Hamas kann nun sozusagen auf dem Schlachtfeld kompensieren, was ihr an den Wahlurnen verwehrt wurde – durch die Absage der Palästinenserwahlen seitens Präsident Mahmud Abbas, der ein Desaster befürchten musste.

Kurzer Prozess

Für den israelischen Premier Benjamin Netanjahu, dessen Amtszeit und Zukunftsaussichten sich durch diese Krise soeben verlängern beziehungsweise verbessern, ist eine weitere Waffenruhe ohne Ergebnis eine sehr unattraktive Option. Der kurze Prozess mit der Hamas, den Israel dem Wunsch mancher zufolge machen sollte, wäre andererseits eine höchst komplizierte, am Ende selbstbeschädigende Sache. Nicht nur wegen der israelischen Opfer in einem solchen Krieg und weil Israel die Besatzung im Gazastreifen, die es 2005 aufgegeben hat, de facto wiederaufnehmen müsste. Sondern auch, weil die Bewährungsprobe für die verbesserten Beziehungen zu einigen arabischen Staaten zu hart werden könnte. Dazu zählt auch Saudi-Arabien, auch wenn Israel mit Riad noch kein Normalisierungsabkommen abgeschlossen hat.

Für diese Staaten ist es günstig, dass sich die Aufmerksamkeit von Jerusalem und Al-Aqsa – das ein islamisches Thema ist – auf Gaza verlagert hat. Aber zu viele palästinensische Opfer im Gazastreifen wären dann doch ein nicht mehr zu ignorierendes Problem mit der öffentlichen arabischen Meinung.

Wie auch schon früher ist Ägypten der gefragte Vermittler, der noch dazu Interesse hat, seine Beziehungen zu US-Präsident Joe Biden zu verbessern. Wobei Washington den prinzipiellen Kurs aller US-Regierungen beibehält: Israel bestimmt selbst, wann Schluss ist. Das ist auch nicht, wie Israel-Falken meinen, dadurch infrage gestellt, dass Bidens Nahost-Sonderbeauftragter Hady Amr libanesische Wurzeln hat. Im Uno-Sicherheitsrat halten die USA Israel fest die Stange. (Gudrun Harrer, 14.5.2021)