Klubobfrau Sigrid Maurer hat sich auf ein Nein zur Fortsetzung des U-Ausschusses festgelegt.

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Ermittlungen gegen den Kanzler, den Finanzminister, deren Kabinettschefs und hochrangige Mitglieder der Justiz: All das passierte allein in den ersten Monaten dieses Jahres, all das ist Thema im Ibiza-U-Ausschuss. Dem läuft allerdings die Zeit davon: Ab Mitte Juli kann er keine Beweise mehr aufnehmen, bekommt also keine Akten mehr geliefert. Über den Sommer schreiben dann die einzelnen Fraktionen ihre Berichte, im Herbst endet der Ausschuss offiziell. Deshalb regte die Opposition eine weitere Verlängerung des Untersuchungsgremiums an. Dafür hätte es jedoch eine parlamentarische Mehrheit gebraucht, also Stimmen der Grünen oder der ÖVP.

Nach einigem Zaudern haben sich die Grünen nun festgelegt: Sie werden eine Verlängerung nicht unterstützen, gab Klubobfrau Sigrid Maurer im ORF-"Report" an. Sie verwies darauf, dass die Opposition ohnehin jederzeit einen weiteren U-Ausschuss beantragen könne. Im Nationalrat kann jeweils ein per Minderheit beschlossener U-Ausschuss laufen, die Opposition muss sich nun also darauf einigen, ob sie sich im Herbst weiterhin Türkis-Blau oder lieber der Corona-Politik der aktuellen Regierung widmen will. Oder, ein Geheimplan: ein U-Ausschuss mit dem Titel "ÖVP-Korruption", der sich beidem widmet.

Chance für Verzögerungen

Es ist allerdings nicht so, als ob ein "Ibiza 2.0"-U-Ausschuss nahtlos an die Arbeit des aktuellen Ibiza-Ausschusses anknüpfen könnte. Das Prozedere sorgt für einige Verzögerung: Beantragt werden kann der nächste Ausschuss erst im Herbst, nachdem der aktuelle beendet wurde. Dann durchläuft er den Geschäftsordnungsausschuss des Nationalrats, dort kann er – wie einst der aktuelle – von Türkis-Grün zum Beispiel wegen des Untersuchungsthemas beeinsprucht werden. Die Akten des aktuellen Ausschusses müssen vernichtet werden, Informationen aus den Ministerien und der Justiz erneut angefordert werden – auch das kann wieder dauern und zu Rechtsstreitigkeiten vor dem Verfassungsgerichtshof führen. Im Extremfall könnte der "Ibiza 2.0"-Ausschuss also erst im März 2022 seine Arbeit aufnehmen, rechnet der SPÖ-Referent Florian Steininger auf Twitter vor.

Die Opposition erhielte dadurch also monatelang keinen Einblick in die Ermittlungen gegen Kanzler und Finanzminister; außerdem würden keine der zigtausenden Chats mehr geliefert, die momentan durch die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) ausgewertet werden. Dementsprechend empört reagierten SPÖ, FPÖ und Neos auf das grüne Nein zu einer Verlängerung.

Opposition ist grantig

"Es ist keine große Überraschung, aber sehr enttäuschend, dass sich die Grünen wieder einmal ihrem Koalitionspartner ÖVP mehr im Wort sehen als ihren Wählerinnen und Wählern", kommentierte die Neos-Fraktionsführerin Stephanie Krisper mit Blick auf das grüne Wahlplakat "Wen würde der Anstand wählen?". FPÖ-Chef Norbert Hofer sah die Grünen gar als "weiteren Bund der ÖVP", nahm da aber die beiden grünen U-Ausschuss-Mitglieder Nina Tomaselli und David Stögmüller aus: "Es haben sich alle Oppositionsparteien – und auch die Grünen – kräftig ins Zeug gelegt." Der blaue Fraktionsführer Christian Hafenecker sah die Grünen "von der Aufdecker- zur Zudeckerpartei" verkommen; SPÖ-Bundesgeschäftsführer Christian Deutsch bezeichnete die Entscheidung als "tiefen Fall" der Grünen.

Anders sieht das naturgemäß der türkise Fraktionsführer Andreas Hanger. Er will den U-Ausschuss reformieren, bevor ein nächster eingesetzt wird. Als Angebot an die Opposition lockt die ÖVP mit einer künftigen TV-Übertragung der Ausschüsse; aber gekoppelt wäre das wohl an Zugeständnisse rund um "Ausgewogenheit" und eine "stärkere Position des Verfahrensrichters" – wenngleich eine Abschaffung der Wahrheitspflicht für Hanger nicht zur Debatte steht. (Fabian Schmid, 19.5.2021)