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PRO: Schlachten weise wählen

von Katharina Mittelstaedt

Die Grünen stehen auf dem Schlachtfeld ihrer Regierungsbeteiligung. Immer wieder und immer stärker geraten sie unter Druck, gegen den Koalitionspartner auf Angriff zu schalten. "Saubere Politik" schreibt sich die Ökopartei auf die Fahnen. Und jetzt will sie nicht einmal den Ibiza-U-Ausschuss verlängern, um neben juristischer auch politische Aufklärung voranzutreiben? Saubere Politik!? So?

Bei vielen, vor allem auch bei vielen Grün-Sympathisanten ist die Empörung groß, dass das Kontrollgremium somit nicht weiterarbeiten kann – und sie ist nachvollziehbar. Doch die Grünen haben Argumente auf ihrer Seite.

Denn die Einsetzung eines U-Ausschusses ist ein Minderheitenrecht. Die Opposition kann ihn ohne die Grünen zwar nicht verlängern, aber jederzeit einen neuen ins Leben rufen. Gleichzeitig käme die grüne Zustimmung zur Weiterführung des bestehenden U-Ausschusses einem Koalitionsbruch gleich. ÖVP und Grüne haben vereinbart, auch in solchen Angelegenheiten nicht gegeneinander zu stimmen. Ist es die Sache also wert, Neuwahlen zu riskieren? Wohl nicht.

Die Grünen geraten als selbsternannte Saubermänner und -frauen derzeit oft in Erklärungsnot. Aber sie stellen sich glaubhaft hinter die unabhängige Justiz, die jetzt in Ruhe arbeiten muss. Der geschwächten ÖVP sollten sie nun außerdem mehr abringen können – etwa in Ökofragen. Sie müssen ihre Schlachten mit dem Koalitionspartner weise wählen. (Katharina Mittelstaedt, 19.5.2021)

KONTRA: Grüne Mutlosigkeit

von Fabian Schmid

Normalerweise wäre es glasklar, dass ein Koalitionspartner keinen U-Ausschuss gegen den anderen unterstützt. Aber normalerweise gibt es keinen Kanzler, gegen den ermittelt wird; keinen Finanzminister, dessen Wohnung durchsucht wird, und keinen Verdacht gegen Justizbeamte, unzulässig in Ermittlungen eingegriffen zu haben.

Die Situation ist volatil, für die Republik steht viel auf dem Spiel. Es gibt, gelinde ausgedrückt, viele offene Fragen, die politisch höchst relevant sind. Jetzt die Abgeordneten von ihrer Kontrollfunktion abzuschneiden ist ein fatales Signal der Grünen. Es stimmt zwar, dass die Opposition erneut einen U-Ausschuss einsetzen kann, allerdings müssen dann aktuelle Akten vernichtet werden. Bis neue Papiere geliefert werden, dauert es wohl bis 2022. Mitten in der heikelsten Phase seit dem Bestehen der Kurz-ÖVP bekommt diese durch die Grünen eine Verschnaufpause verschafft.

Man hat in den vergangenen Tagen gemerkt, wie sehr der U-Ausschuss ein Stachel im türkisen Fleisch ist. Das mag schon daran liegen, dass dort eine aufgeheizte Stimmung herrscht und die Opposition den U-Ausschuss politisch ausschlachtet. Aber viel bedeutsamer ist, dass der Ausschuss schon einiges ans Tageslicht gebracht hat. Damit ist es nun vorbei. Mit Aufklärung und Anstand sollten die Grünen deshalb künftig nicht mehr werben. (Fabian Schmid, 19.5.2021)