Demonstrierende äußerten ihren Unmut über den Umgang mit jungen Menschen während der Pandemie.

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Um 19 Uhr war der Karlsplatz am Samstag nahezu leer.

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Rund 150 Menschen haben am Sonntagabend gegen das in der Nacht zuvor verhängte und Sonntagfrüh wieder aufgehobene Platzverbot für den Wiener Resselpark demonstriert. Für die Kundgebung auf dem Karlsplatz hatten unter anderem die Jungen Linken mobilisiert, in sozialen Netzwerken gab es weitere Aufrufe diverser Gruppierungen. Der Protest startete gegen 18.30 Uhr. Den Teilnehmern ging es darum zu zeigen, wem die Stadt gehört.

Dass der öffentliche Raum den Jungen genommen wird, wolle man nicht hinnehmen, hieß es. "Uns" gehörten sowohl Karlsplatz als auch Donaukanal, skandierten die Teilnehmer. Mehrere Redner äußerten massive Kritik daran, dass die Bedürfnisse der jungen Menschen in der Coronavirus-Pandemie ignoriert worden seien. Seit Mitte März 2020 hat die Nachtgastronomie in Österreich geschlossen. Sowohl die Freizeit als auch die Freiheit der Jugend sei massiv eingeschränkt worden, um Ältere und Risikogruppen nicht zu gefährden, seien sie über ein Jahr zu Hause geblieben. Die Demonstranten kündigten an, den ganzen Abend vor der Karlskirche zu bleiben. Nach den Redebeiträgen wurde Musik gespielt. Zu den Teilnehmern der Demo kamen dutzende weitere Menschen, die die Abendsonne rund um den Teich vor der Karlskirche genossen. Fünf Polizeibusse standen hinter der Standkundgebung.

Eine lange Partynacht wurde es aber nicht. Wie die Polizei gegenüber der APA am Montag festhielt, sei die Nacht auf Montag ruhig verlaufen. Auch im Rahmen der Demonstration sei es zu keinen nennenswerten Vorkommnissen gekommen, hieß es.

Gerüchte über neue Platzverbote

Recht ruhig war es auch am Samstagabend auf dem Wiener Karlsplatz. Ganz im Gegensatz zur Nacht davor: Weil es da zu Ausschreitungen gekommen war, wurde ein Platzverbot über große Teile des Resselparks verhängt. Es galt ab Samstag, 19 Uhr und ist mittlerweile nicht mehr in Kraft.

Das soll – nach aktuellem Stand der Dinge – auch so bleiben, wie es vonseiten der Wiener Polizei gegenüber dem STANDARD heißt. Denn zuvor berichtete die "Krone" von Gerüchten, man wolle das Platzverbot jeden Abend aufs Neue aufleben lassen. "Das ist einfach nicht richtig", so ein Sprecher, man verhänge ein Platzverbot nur dann, wenn es Anlass dazu gebe, also eine drohende Gefahrensituation. Und momentan gehe man davon aus, dass es ruhig bleiben werde. Freilich gilt: Bei "lagebedingten Situationen", wie es von der Polizei heißt, kann ein Platzverbot im Anlassfall neuerlich verhängt werden.

Ludwig: Nicht mit der Stadt abgestimmt

Bürgermeister Michael Ludwig (SPÖ) ruft nun dazu auf, die Verhältnismäßigkeit zu wahren. Das Platzverbot sei weder mit ihm noch mit der Stadt Wien abgestimmt gewesen, sagte er gegenüber dem STANDARD: "Ich verurteile jede Form von Gewalt. Angriffe auf Polizisten sind nicht entschuldbar. Gewalt ist niemals zu tolerieren", so Ludwig. Doch: "Das friedliche Miteinander, das unsere Stadt stets auszeichnet, das ist gerade jetzt nach den Herausforderungen der letzten Monate rund um die Pandemie besonders bedeutend und gefragt." Jede Form der Polarisierung sei "fehl am Platz", so Ludwig: "Wir brauchen eine verantwortungsvolle Politik und Maßnahmen, die das Miteinander unterstützen. Gegenseitiger Respekt und Rücksichtnahme bilden dabei die Grundvoraussetzungen – auch für politische Akteure."

Wiens Vizebürgermeister, Christoph Wiederkehr von den Neos, begrüßt in einem Statement an den STANDARD, dass das Platzverbot nun nicht mehr gilt: "Besonders junge Menschen haben unter den Lockdowns sehr gelitten, daher ist es wichtig, genug öffentliche Räume zur Verfügung zu stellen und ab 10. Juni weitere Öffnungsschritte zu setzen."

Maximal drei Monate

Ein rechtlicher Exkurs: Für derartige Verordnungen ist die Sicherheitsbehörde zuständig, das regelt das Sicherheitspolizeigesetz. Es erlaubt, per Verordnung das Betreten eines potenziellen Gefahrenbereichs zu verbieten und die Nichtbefolgung als Verwaltungsübertretung zu erklären. Derartige Verordnungen treten – sofern sie nicht wie im Falle Karlsplatz wieder aufgehoben werden – nach drei Monaten außer Kraft. Besteht an einem Ort bereits Gefahr, kann die Polizei ebenfalls eine Sperre verhängen, die tritt spätestens nach sechs Stunden außer Kraft.

All dies gilt nur, wenn die Polizei aufgrund bestimmter Tatsachen annehmen muss, dass an einem Ort "eine allgemeine Gefahr für Leben oder Gesundheit mehrerer Menschen oder für Eigentum oder Umwelt in großem Ausmaß entstehen" kann oder bereits besteht.

67 Anzeigen und acht verletzte Polizisten

All der Diskussion voraus ging eine turbulente Freitagnacht: Als die Polizei eine Party mit hunderten Leuten auflösen wollte, eskalierte die Situation, Flaschen und Pyrotechnik wurden auf Polizeibeamte geworfen. Acht Polizisten und Polizistinnen wurden verletzt, eine Polizeibeamtin soll von so vielen Flaschen am Kopf getroffen worden sein, dass sie trotz Helms eine Gehirnerschütterung erlitt. 67 Anzeigen wurden ausgesprochen, außerdem seien vier Kennzeichen der Polizei gestohlen und ein Auto beschädigt worden, heißt es von der Polizei.

Innenminister Karl Nehammer (ÖVP) machte noch am Samstag organisierte Linksextreme für die Ausschreitungen verantwortlich. "Dieses Verhalten ist strafbar, antidemokratisch und ein Zeichen mangelnder Solidarität mit jenen in unserer Gesellschaft, die nach wie vor besonders geschützt werden müssen", wurde er in einer Polizeiaussendung zitiert. In den sozialen Medien wurde prompt scharfe Kritik am Innenminister laut. Personen, die in besagter Nacht auf dem Karlsplatz waren, berichten von Provokationen der Polizei, nicht von organisierten Attacken der Linken.

Organisierte Linke

Von der Polizei hieß es dazu am Sonntag zum STANDARD etwas milder: Eine durchorganisierte Attacke Linksextremer habe es nicht gegeben, sehr wohl aber seien in der Nacht auf Samstag "Amtsbekannte, die der linken Bewegung zuzuordnen sind", auf dem Karlsplatz gewesen, die in der Menge provoziert hätten. Diese seien zum Teil auch schon in der Vergangenheit polizeilich auffällig gewesen.

Ebenfalls am Sonntag hieß es in einem Statement von Polizeipräsident Gerhard Pürstl: "Leider hatte es die Entwicklung der letzten Tage, in der gipfelnd in der Nacht von Freitag auf Samstag gewaltbereite 'autonome' Gruppen mit einem 'harten Kern' von über 200 Personen polizeiliche Ordnungskräfte körperlich attackiert, mit verschiedensten Gegenständen, auch Glasflaschen, beworfen und verletzt haben, notwendig gemacht", die Sperre zu verhängen.

Grüne und rote Kritik

Heftige Kritik kam auch von Jugendsprechern bzw. Jugendorganisationen. Die Junge Generation in der SPÖ Wien forderte den Innenminister dazu auf, die Polizeikompetenzen abzugeben. Von der Sozialistischen Jugend Österreich heißt es in einem Statement: "Anstatt sich sinnvoll zu überlegen, wie konsumfreie Räume mit ausreichend Platz für alle geschaffen werden können, setzen Regierung und Polizei lieber auf Eskalation." Es sei höchste Zeit, sichere konsumfreie Räume für Jugendliche zu schaffen, damit die Pandemie mit all ihren vielfältigen Folgen gemeinsam und erfolgreich bewältigt werden kann".

Ähnlich die Forderungen der Wiener Grünen: "Es darf in einer Stadt wie Wien nicht vorkommen, dass öffentliche Orte wie der Karlsplatz oder der Donaukanal gesperrt werden", sagt Ömer Öztas, Jugendsprecher der Wiener Grünen, am Sonntag. "Die Polizei hätte in der Situation vom Wochenende deeskalierend vorgehen müssen. Derlei Einschränkungen im öffentlichen Raum sind nicht tragbar", so Öztas weiter.

Anzeigen auch am Donaukanal

Wie schon in den vergangenen Wochen kam es am Wochenende auch am Wiener Donaukanal zu Einsätzen. Die Polizei sperrte zum Teil den Treppelweg. In den Morgenstunden kam es, "vermutlich auch aufgrund des steigenden Alkoholpegels", wie es in einer Polizeiaussendung heißt, vereinzelt zu Körperverletzungen. Im Zuge des Einsatzes wurden 28 Anzeigen nach straf- und verwaltungsrechtlichen Tatbeständen erstattet.

Sowohl Polizei als auch Rettung geben aber an, dass die Situation am Donaukanal keine besonders ungewöhnliche sei, Derartiges erlebe man auch, wenn es keine vorgezogene Sperrstunde gebe. (elas, APA, 6.6.2021)