Bei diesem Fahrzeug darf ich Sie mit unserem auf dem Sprung in die Pension befindlichen Fotografen Matthias Cremer bekanntmachen. Ein Künstler alter Schule und sozusagen ein Mann der ersten Stunde im Kangoo. Dass er in Zeiten der analogen Lichtbildnerei, als man seinen Berufsstand noch richtig, nach dem griechischen Φ, Photograph schrieb, eine vollwertige Dunkelkammer zum Entwickeln von Schwarzweißbildern in seinem fahrbaren Untersatz eingerichtet hatte, ist nicht bestätigt. Dass er das heute angesichts der unerhört schlau konfigurierbaren Nutzfahrzeugversionen problemlos machen könnte, gilt hingegen als gesichert.

Renault Kangoo, robust und praktisch und mit Schiebetüren
Foto: Stockinger
Nissan Qashqai, trendig in SUV-Manier
Foto: Stockinger

Jedenfalls, besagter Bursche brachte in seinem Kangoo nicht nur locker seine zwei Töchter unter, sondern in der Höhe sogar seinen Wuschelkopf – um den ihn die jungen Paul Breitner und Schneckerl Prohaska oder ein ungeschoren davongekommener Gaddafi beneidet hätten –, wahrlich keine Selbstverständlichkeit.

Welten dazwischen

Das alles kann der Neue natürlich noch viel besser, und sogar hinten setze der neue Kangoo – womit wir bei der dynamischen Präsentation in Niederösterreich sind – in Sachen Kopf-, Ellbogen- und Kniefreiheit Maßstäbe, betonte Produktmanager Christian Geisberg bei seinem Vortrag. Kein Wunder, liegen zwischen erster (1997) und dritter Generation doch nicht nur 4,2 Millionen Kunden, sondern auch Welten bei den Abmessungen. Statt seinerzeitiger vier Meter Länge, 1,66 Breite, 1,83 Höhe und 2,61 beim Radstand lauten die entsprechenden Maße nunmehr 4,49, 1,92, 1,84 und 2,72 Meter. Und der Kofferraum, meine Güte, ein Zauberwürfel von Kofferraum, der schluckt neuerdings 775 bis 3500 Liter Zeugs.

Die Rede ist von der Pkw-Version, die Nutzfahrzeugableger sind in Sachen Nutzanwendung noch schlauer, Stichwort Dunkelkammer, Stichwort – heute viel realitätsnäher – Handwerkerlösungen sonder Zahl.

Foto: Stockinger
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Die Fahrzeuggattung, die der Kangoo seinerzeit mitbegründete, beerbte interessanterweise auch den Minivan, welchem der SUV den Todesstoß versetzt hat. Und es sind keine piekfeinen Kerle, bei denen jeder Kratzer, jede Beule in der Seele wehtun würde.

Bloße herbcharmante Sichtblechtypen sind es andererseits auch längst nimmer. Dem Kangoo, um zu dem zurückzukehren, versuchten die Designer sogar einen Hauch von französischem Chic und noch viel mehr Pkw-Anmutung als bisher mit auf den Weg zu geben, was einerseits gelungen ist, auch beim modernen Cockpit, andererseits wenig am leicht nasenbärigen Außeneindruck ändert. Und innen wurde zwar versucht, mit hübschen Materialien wohnliche Atmosphäre zu schaffen, aber für manche verwendete Kunststoffe gilt: glänzende Aussichten. Weil: speckiges Hartplastik im Armaturen- und Türenbereich.

Sonst aber passt alles, passt auch das Fahrgefühl, wie sich beim Ausritt von Bad Erlach bei Wiener Neustadt die wunderbare (Motorrad-)Strecke rüber zur Burg Forchtenstein und zurück zeigte. Das war nicht geflunkert, der neue Kangoo fährt sich tatsächlich Pkw-mäßig, nix Blattfedern und so, Renault-mäßig abgestimmt. Bloß gegen Seitenwind ist er, wie seine ebenfalls hoch bauenden Konkurrenten, ein wenig empfindlich.

Im Antriebskapitel gibt sich der Kangoo von der sparsamen Seite, zwei Benziner (100, 130 PS) und drei Diesel (75, 95, 115 PS) stehen zur Auswahl, womit Renault sich auch für noch strengere CO2-Besteuerung bestens gerüstet sieht. Geschaltet wird zunächst sechstufig manuell, im Herbst gesellt sich das 7-Gang-EDC (Doppelkupplungsgetriebe) hinzu. Auf die Elektroversion wird man indes noch etwas länger warten müssen, ein entsprechender Pkw-E-Kangoo ist für Ende 2022 in Aussicht gestellt, mit 75-kW-Motor, 44-kWh-Batterie und 265 km Reichweite. Wär doch was für die Pension, Matthias, oder? Ökokorrekt und frisurensicher.

Foto: Stockinger
Foto: Nissan

So. Und damit zum Qashqai. Damit hatte 2007 kaum wer gerechnet, dass der Qashqai Nissan so sehr aus der Patsche helfen würde. Die Japaner steckten modellpolitisch in Europa in der Krise, da kam der Erfolg gerade recht. Ein Erfolg, getragen von dem Umstand, dass es sich um einen halbwegs kompakten Vertreter der Boom-Gattung SUV (Nissan-Diktion: Crossover) handelte, bei dem obendrein das Preis-Leistungs-Verhältnis überzeugte.

14 Jahre und fünf Millionen verkaufte Qashqais später ist die Zeit reif für die dritte Auflage, der Hersteller zelebriert gerade seine Europa-Fahrpräsentation, tut dies in Wien und Niederösterreich, und davon haben wir folgende Informationen und Impressionen mitgenommen.

Sowohl optisch als auch von den Proportionen und Abmessungen her ist das ein logischer nächster Schritt in der Generationenabfolge. Mit 4,43 m hat er in der Länge um 3,5 cm zugelegt, der neuen Basis – CMF-C-Allianzplattform – verdanken sich größerer Radstand (plus 19 mm), größerer Innenraum sowie leichtere (minus 60 kg) und steifere Karosserie. Bei Namensgebung und Design treffen Asien und Australien aufeinander: Einerseits rührt der Name von als räuberisch verrufenen Turknomaden im Iran her, der Qashqai machte dem alle Ehre und räuberte reichlich Kundschaft auch bei fremden Marken, andererseits verweisen die Designer auf kühne Details wie Frontscheinwerfer im Bumerang-Erscheinungsbild.

Foto: Stockinger
Foto: Stockinger

Der Qashqai, mit dem man "globale Crossover-Führerschaft" beansprucht, sieht jedenfalls fesch aus, außen muskulös, ein wenig wild und teilweise wie mit dem Hackebeil bearbeitet, manche Japaner, auch Toyota, lieben das derzeit. Innen ist mehr digitale Welt eingezogen, ein multipel konfigurierbares digitales Cockpit (in den höheren Ausstattungsversionen) zum Beispiel, und an dieser Stelle ein großes Kompliment an Nissan. Entgegen der grassierenden Touchitis belässt man es dort, wo es sinnvoll scheint, bei Tasten und Knöpfen, welche Wohltat.

Auch sonst ist für Wohlbefinden an Bord gesorgt, Materialauswahl (gut, die Basisversionen kennen wir jetzt nicht), Gestaltung, Sitze, passt alles, und der doppelbödige Kofferraum – klingt nur im Wortspiel negativ – wurde vom Vorgänger übernommen.

Kein Diesel mehr

Grafik: Der Standard
Grafik: Der Standard

Im Antriebskapitel gibt es eine betrübliche Nachricht für Freunde sparsamen (Renault-)Diesel-Fahrens: Nissan verabschiedet sich generell vom Selbstzünder, auch der Qashqai muss nun ohne auskommen. Im Antriebskapitel startet man deshalb mit zwei Mildhybrid-Benzinern, der 1,3-Liter-Vierzylinder leistet 140 und 158 PS, den schwachen gibt es nur mit 6-Gang-Schaltung, den starken bei Allrad nur mit CVT-Automatik. "Mildhybrid" geht Nissan mit zwölf Volt an, der üblichen Bordspannung. Das macht sonst nur Fiat, der Rest der Autowelt hat sich auf 48 Volt eingeschworen, Mazda auf 24.

Beide Aggregate hinterlassen, und damit zu den ersten Fahreindrücken, einen tadellosen Eindruck, unsereinem gefiel fast der mit 140 PS und Handschaltung besser. Weil: Weniger Zerren in der Lenkung, und das CVT ist, was CVTs sind – mitunter nervig im Klangbild. Miii, määä ... Das Fahrwerk ist kommod ausgelegt, zielgruppenkonform. Neu ist ein vollwertiges HUD (Head-up-Display), prima, und im Tempomat-Betrieb detektiert der sensorische Beobachter die jeweils erlaubte Höchstgeschwindigkeit und frägt höflich nach, ob selbige übernommen werden soll – mit folgender Formulierung: "Set ,Eingestellte Geschwänd‘?" Vermutlich allerneueste Rechtschreibung. Früher hätte man "Geschwindigkeit" geschrieben.

Die Zeiten ändern sich, ändern sich rasant, deshalb peitscht jeder Hersteller, auch Nissan, die Elektrifizierung voran, was Anfang 2022 in der E-Power-Topmotorisierung des Qashqai noch deutlicher sichtbar wird: Dann treibt ausschließlich ein 140-kW-Elektromotor die Räder an, der 1,5-Liter-Dreizylinder tritt als Range Extender in Erscheinung. (Andreas Stockinger, 22.6.2021)