Im August 1921, vor 100 Jahren, hielt Wolfgang Klemperer seine FVA-2 Blaue Maus auf der Wasserkuppe 13 Minuten und drei Sekunden in der Luft und flog dabei fünf Kilometer weit – der bisherige Rekord von Orville Wright von 1911 war damit Geschichte, und das Ereignis auf dem höchsten Berg der Rhön markiert die Pioniertage des professionellen Segelflugs. Parallel dazu wurde der antriebslose Flug auf der Kurischen Nehrung in Ostpreußen vorangetrieben, was 1924 in der Gründung der berühmten "Rhön-Rossitten-Gesellschaft" mündete. Der Wiener Robert Kronfeld entschied den Rhönwettbewerb 1928 für sich, auf der "Rhöngeist" von Alexander Lippisch: erster Instrumentenflug beim Segeln, erstmals über 100 km zurückgelegt.

Der Caddy California ist ein multipel begabtes kompaktes Campingmobil ...
Foto: Stockinger

Segeln, wie bei etlichen Elektroautos, ist im jüngsten Campingmobil von VW, im Caddy California, nicht vorgesehen. Ist schließlich konventionell angetrieben, mit deutlich mehr Reichweite auch als 100 km, und was das mit der Rhön zu tun hat, ist schnell erläutert. Die Szene boomt, die Leute kaufen Wohn- und Campingautos wie verrückt, Haupteinsatzgebiet ist der halbwegsige Nahurlaubsbereich. Von Österreich aus ein Abstecher in die Erholungsgebiete der Rhön oder des Harzes wäre eine überlegenswerte Option, wir simulierten Kurzurlaub, aber ohne Rhönrad-Turneinsatz.

Der Caddy California ist sozusagen der kontemporäre Einstieg in den temporären Ausstieg aus dem Berufsalltag, kleine Fluchten nach dem Corona-Hausarrest, deutlich kompakter und günstiger als sein größerer Bruder, der California 6.1 – und überdies derzeit konkurrenzlos: Ab Werk gibt es weder von den Franzosen noch Italienern noch den anderen Deutschen was Vergleichbares.

... mit großem Bett ...
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Damit rasch ein paar Worte zum Fahrzeug, mit dem wir auf Tour gingen. Caddy California in Langversion, Ausführung Camper Ma xi. 4,85 m lang, mit Mini-Küche, Twindosing-Dieselmotor (122 PS), Allrad, und da gleich was Betrübliches: Diese Kombination ist nur mehr mit 6-Gang-Schaltung erhältlich, die DSG-Automatik wurde aus dem Programm genommen, gibt’s nur mehr bei Frontantrieb.

Motorisch sind generell drei Diesel (75, 102, 122 PS) verfügbar und ein Benziner (114 PS), die Camper-Modelle – bei denen der 75-PS-Selbstzünder entfällt – sind serienmäßig mit Küche ausgestattet und deshalb als Wohnmobil eingestuft. Preispalette: 29.142 bis 39.178 Euro, Camper: 32.200 bis 41.033 Euro. Die Kurzversion ist 4,50 m lang, das Bett ist genau so groß wie im Maxi (1,98 mal 1,07 m), aber für Gepäck bleibt dann wenig Platz, vor Kauf sollte man sich das Anforderungsprofil genau überlegen.

Beim normalen California ist die (Mini-)Küche übrigens nicht erhältlich, und damit gleich zu diesem Highlight im Camping-Caddy: aus der Küchenbox hinten links rausziehen, einrasten, anwerfen, kochen. Erdäpfelsuppe zum Beispiel. Prima.

... Gasherd, Standheizung et cetera.
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Dass der Caddy nun auf dem millionenfach bewährten MQB (Modularer Querbaukasten) basiert, verleiht ihm ganz neue Fahrqualitäten. Das Fahrwerk ist völlig problemfrei und neutral ausgelegt und bringt einen selten in Verlegenheit, bei kommoder mobiler Landschaftsgenussfahrt schon gar nicht.

Damit zurück zum Praxiseinsatz. Reisen in die und campen in der Rhön? Wir haben das in einer dreitägigen Tour hingebungsvoll durchgespielt, Anreise von Frankfurt – Main, nicht Oder –, kein Stopp in Hauffs Wirtshaus im Spessart, sondern Stop-and-go auf der Autobahn, weil Freitagsstau, dann aber zügig weiter. Schon da zeigte sich: Der Caddy fährt sich bei Bedarf ausgesprochen flott, auf freier deutscher Autobahn ergaben sich beim Rückstandaufholen knapp 210 km/h, bergab mit Rückenwind. Tempo raus bei Annäherung an das erste Camp, oben an einer Burgruine mit freiem Blick auf den Kreuzberg, kurzer Kultur- und Fachwerkkontakt mit Schloss Romrod sowie Schlitz im Vogelsbergkreis (nicht zu verwechseln mit Burg Schlitz in Mecklenburg), dann Vorbereitungen zur ersten Nächtigung.

Die Rhön – weites Mittelgebirgsland, geschützte Natur, berückend schön.
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Niveauanpassung

Erst einmal Caddy geradebekommen. Keile zum Ausgleichen von Niveauunterschieden unter die Räder, vorfahren, bis es passt. Das Bett ist dann ruckzuck einsatzbereit: Frontsitze und deren Rückenlehnen jeweils in vorderste Position. Zweite Sitzreihe umklappen. Im Schiebetürenbereich Bettmechanismus auffalten, links und rechts vorne Streben ausklappen und in B-Säule verankern. Spannleintuch drüber, Schlafsack drauf, ab in die Kiste – jedenfalls nach Speis und Trank aus der Genießer-Feldküche, die das Veranstaltungsteam aufgefahren hat, Klosterbier inklusive.

Heimat von Charaktertypen wie dem Schäfer Dietmar Weckbach.
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Und um auch dies gleich zu erzählen: Dummheit gehört bestraft. Zur zweiten Nächtigung an Bord, bei Fladungen, schickte Eisriese Ymir einen Gruß, Mannomann, so kalt aber auch, doch wer zu blöd ist, die Standheizung im Caddy zu aktivieren, ist selber schuld. Man merkt die Camping-Profis, Johannes hat’s als einziger geschnallt, Kompliment, voll entspannt die Sternguckernacht überstanden.

Noch aber sind wir am Kreuzberg, heiliger Berg der Franken und früher Aschberg geheißen, abgeleitet vom Asenberg der Altvorderen, mit heiliger (Yggdrasil-)Esche drauf. Insofern langzeitfolgerichtig, dass die Region im Dreiländereck Bayern, Hessen, Thüringen heute großflächig Biosphärenreservat ist.

Da passt nächsten Tages ins Bild Schäfer Dietmar Weckbach. Retter des schwarz-weißen Rhönschafs und ein Unikat mit Ecken und Kanten, weder um scharfzüngige Kritik Richtung Politik verlegen noch um Kupplerdienste – "Junger Mann, da musst du dich eben bemühen!" –, und nachdem Dimitri dem Chef ein Junges aus der Herde rausgegriffen hat, folgt biosphärische Schmuserunde. Rührend vertraut miteinander, Tier und Mensch.

Veranstaltungsbegleittross.
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Anschließend tourt das Gros der Kollegen zum Point Alpha an der einstigen deutsch-deutschen Grenze, doch wir unternehmen, kommst du mit, Karin?, einen Abstecher nach Fulda. Nicht eines Reifentests wegen, sondern um Bonifaz zu besuchen, (Donar-)Eichenfäller im Biospärenreservat, Apostel der Deutschen, sozusagen Gründervater des christlichen Deutschlands. Öko-Aktivisten würden ihm heute des Baumsakrilegs wegen womöglich Übles androhen oder gar ein Schwert in den Schädel rammen – hoppla, ist ja passiert, im Friesenland, deshalb gilt er als Märtyrer.

In Fladungen, siehe zweite Nächtigung, weist Bürgermeister Michael Schnupp auf die Oldtimer-Veranstaltung "Fladungen Classics" im Sommer 2022 hin und organisiert gleich ein Treffen mit der Szene. Tempo Matador: noch nie gesehen, tipptopp restauriert. Tag drei, auf der Rückfahrt nach Frankfurt, noch älter, noch unbekannter, nicht restauriert: Strecke 46. Fast 70 km unvollendete Reichsautobahn zwischen Fulda und Würzburg, 1937 begonnen, 1939 eingestellt. Rudimente sind noch erhalten. Und damit raus aus dem Caddy, wenn auch ungern, rein in den Flieger, zurück nach Wien. Aber bloß nicht im Segelflug. (Andreas Stockinger, 29.6.2021)