Aus dem Wahrheitsverständnis des amerikanischen Ex-Präsidenten Donald Trump wurde bekanntlich der Begriff "Alternative Fakten" geboren. Aus den USA hat er wegen seiner in Populistenkreisen geschätzten Eleganz seine Runde um den Erdball gemacht. So konnte es nicht ausbleiben, dass diese Idee einer erfrischenden Flexibilität auch hiesige Gehirne zu Höchstleistungen anspornt. Wir reden hier nicht von den Auftritten des Bundeskanzlers vor dem Ibiza-Untersuchungsausschuss, sondern von den Reaktionen seiner beiden Abschiebe-Handlanger Schallenberg und Nehammer auf die Ereignisse in Afghanistan. Sie wehren sich mannhaft gegen die Zumutungen des Bundespräsidenten, der glaubte, sie daran erinnern zu müssen, dass ihre Deportationspläne unvereinbar mit jenen Menschenrechten sind, die einst leichtsinnig in der österreichischen Verfassung verankert wurden.

Innenminister Karl Nehammer (ÖVP) lässt nicht einschüchtern.
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Von solchen Einwänden lässt sich ein Held der "Operation Luxor" nicht einschüchtern. Wenn sich schon die Menschenrechte nicht ohne weiteres aus der Verfassung abschieben lassen, dann müssen eben, so aus dem Innenministerium, Alternativen her. Schließlich geht es um höhere Werte als um afghanische Schicksale, nämlich darum, hierzulande den Freiheitlichen jene Stimmen abzuluchsen, die zur Verlängerung einer türkisen Kanzlerschaft dringend gebraucht werden. Das Zauberwort, dem nun sogar die Vorsitzende der Sozialdemokraten erlegen ist, lautet: Vor Ort!

Menschenrechtliche Verirrung

Und die Alternative zur Menschlichkeit lautet daher: Abschiebezentren in der Region. Mit seinen Erfahrungen vor Ort in Griechenland weiß der Nehammer, wovon er redet. Und tut es trotzdem. In und um Pakistan, Usbekistan und Tadschikistan wird man die Ehre zu schätzen wissen, von einem österreichischen Innenminister mit humanitären Aufgaben betraut zu werden. Endlich können diese Länder ihre Reichtümer mit Flüchtlingen teilen. Und diese werden gar nicht erst auf die Idee kommen, aus den dort errichteten Paradiesen in das arme Österreich weiterzuziehen.

Sollten die Länder der von Nehammer ins Auge gefassten Region vor Ort die ihnen zugedachte Ehre nicht zu schätzen wissen, könnte man ihnen den Vorwurf menschenrechtlicher Verirrung nicht ersparen. Irgendwer muss schließlich nehmen, was Nehammer abschieben will. Die im Asylkapitel der türkis-grünen Koalition vorgesehene "Sicherungshaft zum Schutz der Allgemeinheit" ist schließlich nur eine Notlösung, und auch da gibt es schon wieder verfassungsrechtliche Nörgler, die darauf beharren, dass einer Haft eine Straftat voranzugehen habe. Gegen so viel Kleinlichkeit bietet ein wenig Licht am Ende des Tunnels nur die Wiener Magistratsabteilung 35 für Menschlichkeitsdekoration. Afghanen brauchen gar nicht damit zu rechnen, eine Verlängerung ihres Aufenthaltstitels zu erhalten, bevor das Talibanregime sich zu den Menschenrechten bekennt.

Und noch ein Licht! Ein Ruck geht durch das Land, der Bundeskanzler ist seit gestern zurück aus dem Urlaub. Er hat ihn laut Kurier genutzt, um sich auf das Baby zu freuen. "Mit 35 Jahren fühle er sich bereit für die Vaterrolle." Die Kanzlerrolle in der Koalition mit Kogler lastet ihn nicht aus, verständlich. Er wird die überschüssige Energie benötigen, wenn er vor der heimischen Scharia alternative Fakten erklärt. (Günter Traxler, 19.8.2021)