Die Couch? Die steht zwar im Freud-Museum in London-Hampstead, auf eine eigentümliche Weise ist sie aber trotzdem präsent. Großes Zimmer hofseitig, Blick auf den Kastanienbaum, an der Wand der Schatten jenes Teppichs, der einst hinter dem vielleicht berühmtesten Möbelstücks Wiens zur Jahrhundertwende an der Wand hing. Ein paar Bohrlöcher, auf die man im Zuge der Sanierungsarbeiten stieß und in die einst die eisernen Montagehaken hineingeschraubt waren, komplettieren das nihilistische Bild. Ein lapidares Schwarz-Weiß-Foto zum Vergleich, das war’s.

"Viele Besucherinnen und Besucher wünschen sich von einem Museum, in eine Illusion entführt zu werden und die Wohn- und Arbeitsräume des dargestellten Protagonisten so zu erleben, wie sie damals gewesen sein müssen", sagt Monika Pessler, Direktorin des Wiener Sigmund-Freud-Museums in der Berggasse 19. "Aber das wäre in diesem Fall falsch und historisch verzerrend gewesen. Denn Fakt ist: Ein Großteil der Familie wurde von den Nationalsozialisten ermordet, Freud selbst ging nach London ins Exil. Es ist also fast nichts mehr da. Und genau das wollten wir darstellen."

Königin ohne Land

Pesslers Motto, das die Strategie des zelebrierten Nichts perfekt auf den Punkt bringt: "Ersinnen, um zu sehen." Und dieser Sinnesanstoß ist auch dringend nötig, denn die Sammlung selbst umfasst gerade einmal 150 Exponate, verteilt auf drei Etagen jenes Gründerzeithauses, das zwischen 2018 und 2020 von Hermann Czech, Walter Angonese und Artec Architekten behutsam saniert und szenografisch erneuert wurde. "Dieses Museum ist vor allem ein geistiges und immaterielles. Man ist auf die eigene Vorstellungskraft angewiesen. Ich sage immer: Ich fühle mich wie eine Königin ohne Land."

Die minimalistische Einrichtung macht das frisch sanierte Sigmund-Freud-Museum zu einem Unikat.
Foto: Hertha Hurnaus

Vor einer Woche wurde ebendiese Königin – als eine von insgesamt sechs Preisträge rinnen – mit dem Österreichischen Bauherrenpreis 2021 ausgezeichnet. Der Preis, der von der Zentralvereinigung der ArchitektInnen Österreichs (ZV) seit 1967 jährlich vergeben wird, würdigt im Gegensatz zu den meisten Honorierungen nicht die Planerinnen und Gestalter, sondern jene Personen, die das Bauen finanzieren und auf diese Weise Baukultur überhaupt erst existent machen – die Bauherren und Auftraggeberinnen.

Anstieg beim jungen Publikum

"Glücklicherweise sind österreichische Bauherren und Architektinnen gegenüber nostalgischer Vereinnahmung ziemlich resistent", sagt Angelika Schnell, Professorin für Architekturtheorie und Architekturgeschichte an der Akademie der bildenden Künste in Wien sowie Mitglied der diesjährigen Jury. "Damit das so bleibt, ist der Bauherrenpreis eine Gelegenheit, Jahr für Jahr nicht nur den Status quo zu würdigen, sondern auch die relevanten Themen der Gegenwart immer wieder anzustoßen."

Monika Pessler, die sich 2014 bereits mit einem umfassenden Konzept zur Sanierung des Freud-Museums um die Direktion des Hauses beworben hatte, und ihr Team rund um Peter Nömaier, Daniela Finzi und die Sigmund-Freud-Privatstiftung sind Bauherren mit profunder Bestellqualität. Ihrer Vision ist zu verdanken, dass die Heimat der Psychoanalyse entstaubt und auf subtilste Weise mit fast Freud’scher Lust sinnlich erlebbar gemacht wurde. "Was mich besonders freut", sagt Pessler, "ist, dass seit der Sanierung der Anteil an jungem Publikum massiv gestiegen ist. Der Bauherrenpreis ist für uns eine Art objektivierte Bestätigung, dass wir vieles richtig gemacht haben."


Österreichischer Bauherrenpreis 2021:

Foto: Lukas Schaller

Mitten im Pitztal setzte sich Bürgermeister Elmar Haid dafür ein, die Gemeinde St. Leonhard vom vielfach zitierten "Kulturbanausentum" zu befreien, und beauftragte mit dem Entwurf für das Tiroler Steinbockzentrum das Architektenduo Rainer Köberl und Daniela Kröss. Das Resultat ist ein skulpturales Betontürmchen, das beweist, dass es ein Fehler war, sich noch nie für Steinböcke interessiert zu haben.

Foto: Albrecht Schnabel

Bei der Auferstehungskapelle Straß handelt es sich um einen schlichten, lichtdurchfluteten Holzbau mit Lattenverkleidung, der so stimmig und gemütlich ist, dass man fast das Gefühl hat, nicht in einem Sakralraum, sondern unterm Obstbaum auf einem Bankerl zu sitzen. LP Architektur wickelte das Projekt ab, der zwölfköpfige Kapellenverein Straß rund um Marianne Pachler legte von Anfang an selbst Hand an.

Foto: David Schreyer

100 Jahre hat es gedauert, bis man in Steyr bequem vom Bahnhof in die Altstadt gelangen konnte. Peter Hochgatterer und die Stadtbetriebe Steyr setzten sich dafür ein, die Verbindung nicht nur funktional, sondern auch sinnlich und ästhetisch zu gestalten – mit einer Mischung aus Understatement und Inszenierung, mit Cortenstahl-Steg, dramatischer Treppenanlage und Panoramalift. Planung: Reitter Architekten.

Foto: David Boureau

Gloggnitz kämpft mit Strukturproblemen, doch darunter sollten just die Jungen nicht leiden, dachte sich Irene Gölles, Bürgermeisterin der Stadt Gloggnitz. Das Resultat dieser Kalkulation ist ein neues schulpädagogisches Zentrum nach Plänen von Dietmar Feichtinger Architectes, das auf kompakter Fläche vier verschiedene Schultypen beherbergt – und nebenbei genug Freiraum zum Spielen und Toben lässt.

Foto: Florian Albert

Die Vinziwerke – Vinzenzgemeinschaft Eggenberg und Pfarrer Wolfgang Pucher hatten einen echt langen Atem und zogen sogar bis vor das Wiener Verwaltungsgericht, um die Errichtung des Vinzidorfs in Wien-Hetzendorf zu ermöglichen. Unterstützt wurde die resiliente Bauherrenschaft vom ebenso unermüdlichen Architekturbüro Gaupenraub +/−, das hier ein kleines Holzdörfchen für 24 obdachlose Menschen baute. (Wojciech Czaja, 22.10.2021)