Von Unmenschlichem bis Übermenschlichem: Gesundheitsminister Wolfgang Mückstein und Exkanzler Sebastian Kurz.

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Der Schriftsteller Ludwig Laher erklärt im Gastkommentar den Unterschied zwischen Unmenschlichem und Übermenschlichem.

Die ORF-Mittags-ZiB ließ mich vor einigen Tagen aufhorchen, als eine Redakteurin ernsthaft behauptete, die immer noch nicht ausbezahlte Corona-Prämie für das Gesundheitspersonal sei schon im Mai von Gesundheitsminister Wolfgang Mückstein und Kanzler Sebastian Kurz angekündigt worden. Extra unterstrich die Dame in diesem Zusammenhang, dass es sich bei der Formulierung, dieser Betrag stünde den Betroffenen zu, "weil sie Unmenschliches geleistet haben", um ein wörtliches Zitat aus Stellungnahmen der beiden Regierungsvertreter handle.

Das wollte ich einfach nicht glauben. Zwar wimmelt es, befragt man die Suchmaschinen im Netz, von wortidenten Forderungen, Unmenschlichkeit gebührend zu honorieren, aber dass die Regierung tatsächlich kaltschnäuzig mit schlechtem Beispiel vorangeht und Ärzte sowie Pfleger jedweden Geschlechts für ihr barbarisches Verhalten den ihnen Anvertrauten gegenüber mit finanziellen Sonderzuwendungen belohnt, das geht entschieden zu weit.

Kein Aufschrei

Weitere Recherchen meinerseits förderten aber zutage, dass der Gesundheitsminister sich erst im August erneut in den höchsten Tönen über das Unmenschliche geäußert hat, das die einschlägige Berufsgruppe in der Pandemie geleistet habe. Ich stelle mir lebhaft vor, wie diese Teufel in Weiß den schwer atmenden Corona-Intensivpatienten mit heimlichem Grinsen die Sauerstoffzufuhr abschneiden, um an die 500 Euro Prämie zu gelangen, und wundere mich, dass niemand aufschreit.

Sarkasmus beiseite. Ich wundere mich tatsächlich, dass niemand aufschreit, aber aus einem ganz anderen Grund. Seit Monaten schwadronieren interviewte Zuständige wie etwa auch der Salzburger Arbeiterkammerpräsident vom Unmenschlichen statt vom Übermenschlichen, das Mitarbeiter in den Gesundheitseinrichtungen geleistet hätten, und es scheint (fast) allen wurscht zu sein.

Grenzen überwinden

"Grausam gegen Menschen oder Tiere, ohne Mitgefühl", so definiert das Wörterbuch den Begriff "unmenschlich". "Übermenschlich" hingegen steht für das in Extremsituationen nachweisbare Überwinden von Grenzen, die der Kraft, der Leistungsfähigkeit des Menschen gewöhnlich gesetzt sind.

Der achtlose Umgang mit Sprache, so meine tiefe Überzeugung, sagt viel über die gesellschaftliche Verfasstheit eines Gemeinwesens aus. (Ludwig Laher, 25.10.2021)