Nero (Steve Davislim) und Poppea (Ah Young Hong).

Foto: Susanna Drescher

Während in Monteverdis L’incoronazione di Poppea Kaiser Nero und seine Neogattin Poppea ihr Glück am Ende in einem der edelsten Liebeszwiegesänge der Historie genießen (Pur ti miro), geht es bei Michael Hersch grässlich zu: Im Odeon sind letzte Schmerzensschreie einer Schwangeren zu hören, die vom Gemahl traktiert wird. Hersch lässt sein Poppea-Werk also mit dem Ende der Geschichte beginnen. Nero tötet Poppea mit Fußtritten.

An diesem Opernbeginn ist jedoch weder von diesem Femizid noch vom impulsiven Ensemble Phoenix Basel (Dirigent Jürg Henneberger) etwas zu sehen. Vorhänge aus Plastikflaschen verhüllen das Drama. Sie sind jenes Dickicht, durch das sich die Protagonisten später bis an die Rampe durchschlagen werden.

Rivalin beseitigen

Sie sind allesamt gefährliche Traumatisierte; durch Intrigen und mörderische Rachepläne versuchen sie sich zu behaupten. Da ist Poppea, die ihre Rivalin Octavia (Neros Gattin) beseitigt sehen möchte. Da ist der scheinharmlose Mörderkaiser selbst, der zwischen Vaterglück und Wagenrennen taumelt, um als Affektpsychopath sein Zerstörungswerk zu vollenden.

Regisseur Markus Bothe lässt Poppea zwar ihre blutigen Hände in Milch waschen, und die Protagonisten dürfen sich an kleinen Puppen abreagieren. Er vermeidet es allerdings, die Brutalität der destruktiven Beziehungen plakativ auszuschlachten. Bis am Ende das ganze Konstrukt aus Plastikflaschen zusammenkracht und die Bühne in ein emotionales Schlachtfeld verwandelt wird, auf dem Nero Poppea mordet, ist es die Musik, die – mit subtiler Ekstatik bedrängend – für unmittelbarste Wirkung sorgt. Hersch vereint Fragilität und Expressivität.

Einige Mordfantasien

Um die grandiose, mit hohen vibratolos klaren Tönen agierende Ah Young Hong herum entfacht er Klang- und Strukturwellen, welche Mordfantasien, Ängste und Schuldgefühle genau erfassen. Auch Neros (sehr kultiviert Steve Davislim) und Octavias (profund Silke Gäng) innere Zustände finden sich in einem instrumentalen Drama eindringlich abgebildet.

Der Maschinentanz

Wem jene Puppen, welche die Poppea-Regie – stellvertretend für die Figuren – zerstören oder liebkosen lässt, nicht überflüssig vorkamen, der wird auch an einer anderen Musiktheaterproduktion von Wien Modern Gefallen finden. In den Soho Studios erlebt er bei Fugen Tänzer und Tänzerinnen (Christina Sutter, Chetan Yeragera), die wie ferngesteuerte Menschenpuppen agieren. Sie sind Teil einer Art Musiktheater-Installation, in der nicht nur Stimmen Episoden aus William Gibsons Idoru-Trilogie vermitteln.

Da sind auch zahllose an Wänden postierte Tablets, die das Geschehen einfangen oder abstrakt verarbeiten. Vokale bis zum Blues reichende Exaltationen (hervorragend Pete Simpson und Aiko Kazuko Kurosaki) verschmelzen mit elektronischen Fantasien, die – komponiert von Elisabeth Schimana – wummernde Klangräume bilden.

An ihnen ist auch der altehrwürdige Max-Brand-Synthesizer beteiligt, und all dies hat seinen Einzelreiz. Den glänzenden Elementen wäre allerdings zu wünschen gewesen, miteinander quasi gesamtkunstartig zu verschmelzen und nicht "einsam" vor sich hin zu wirken. (Ljubiša Tošic, 8.11.2021)