Die oberste Schülervertreterin Susanna Öllinger hofft, dass physische und psychische Probleme bald in gleichem Maße anerkannt und bekämpft werden

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Die gesellschaftliche Wahrnehmung von physischer und psychischer Gesundheit klafft immer noch auseinander. "Wenn ich mir den Fuß verstauche, ist es ganz normal, zum Arzt zu gehen. Ein Termin beim Psychologen sorgt dagegen für Aufsehen und Verwunderung", beobachtet Bundesschulsprecherin Susanna Öllinger von der Schülerunion. Dabei sei es aus ihrer Sicht wichtiger denn je, dass Schülerinnen und Schüler das Tabu überwinden und sich trauen, offener über ihre psychische Situation zu reden.

Denn eine Zusammenschau aktueller Studien fördere ein "katastrophales Bild" zutage, wie Barbara Haid vom Bundesverband für Psychotherapie bei der gemeinsamen Pressekonferenz erklärte. Seit Ausbruch der Coronapandemie seien Angststörungen, depressive Verstimmungen, emotionale Probleme aber auch Hyperaktivität stark gestiegen.

Symptome von Angst und Depression

Für besonders alarmierend hält Haid die Zahlen aus der dritten Befragungswelle einer Studie der Donau-Uni Krems, die Angaben von österreichischen Schülerinnen und Schülern im Alter zwischen 14 und 20 Jahren zur psychischen Gesundheit auswertet – wobei es sich derzeit um noch nicht repräsentative Zwischenergebnisse handelt. Von 993 weiblichen Befragten schilderten demnach 60 Prozent eine depressive Symptomatik, rund die Hälfte Angstsymptome und ein Viertel Schlafstörungen. 38 Prozent klagten über ein hohes Stresslevel. Das entspricht in etwa den Zahlen der ersten Befragungswelle im Februar.

Bei den 206 männlichen Befragten sind die Anteile im Geschlechtervergleich zwar geringer, allerdings gegenüber der vergangenen Befragung in allen Kategorien gestiegen: 40 Prozent berichten von depressiver Symptomatik, ein Drittel nennt Angstsymptome und 18 Prozent Schlafstörungen. 20 Prozent orten ein hohes Stresslevel. Erstmals wurde diesmal auch nach "problematischem Trinkverhalten" in Bezug auf Alkohol gefragt; bei 16 Prozent aller Befragten sei das der Fall.

Finanzierung für Schul-Psychotherapie gefordert

Die Bundesschülervertretung fordert nun eine Aufstockung der Schulpsychologie. Derzeit, so rechnet Susanna Öllinger vor, kommt in Österreich ein Schulpsychologe auf rund 6000 Schüler – diese Quote sei deutlich zu niedrig. Zumal ihr ein verpflichtendes jährliches Gespräch aller Schüler mit dem jeweiligen Schulpsychologen vorschwebt – analog zum jährlichen Termin beim Schularzt. So könne man eine Vertrauensbasis herstellen und psychologische Beratung als etwas Übliches etablieren.

Auch das Angebot an Schulpsychotherapie müsse ausgebaut werden. Der Bundesverband für Psychotherapie hat dazu das Konzept "Fit for School" vorgelegt, um eine kontinuierliche niederschwellige Begleitung an den Schulen anbieten zu können. In Tirol gibt es das teilweise schon, für eine bundesweite flächendeckende Unterstützung fehle aber noch der politische Wille zur Finanzierung, sagte Psychotherapeutin Haid. Sinnvoll wäre laut dem Verband eine Begleitung von Schulen im Ausmaß von je vier Stunden pro Woche, das würde pro Schule jährlich etwa 15.000 Euro kosten.

QR-Code soll Weg weisen

Sich im Dschungel der verschiedenen Institutionen und Beratungsangebote zu seelischer Gesundheit zurechtzufinden, kann für Junge freilich schwierig sein. Die Bundesschülervertretung will daher an allen Schulen in den kommenden Wochen Plakate und Sticker mit einem QR-Code affichieren. Dieser soll einen simplen und bedarfsgerechten Wegweiser zur richtigen Anlaufstelle bereithalten. (ta, 10.11.2021)