Noch ist der Anteil von Recyclat in Kunststoffpellets, Ausgangsstoff für Plastikprodukte, niedrig. Das hat auch mit höheren Kosten zu tun.

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Plastik ist allüberall. Kein Lebensbereich, der ohne dieses vielseitig einsetzbare und vergleichsweise billige Material auch nur ansatzweise funktionieren könnte. Selbst FFP2-Masken kommen nicht ohne aus. Neben Naturkautschuk (Bänder zur Befestigung der Maske am Kopf) und Stahl (für den Nasenbügel) finden sich darin beispielsweise auch Polypropylen und Polyurethan. Aus Polypropylen besteht der Filter der FFP2-Maske, aus Polyurethan der Nasenschaum.

So praktisch und unersetzlich Plastik im Alltagsgebrauch auch ist, so gefährlich kann es werden, wenn es dort hinkommt, wo es nicht hingehört. Teile davon landen mitunter sogar in den Mägen von Fischen, und das nicht nur als Mikroplastik. Plastikmüll ist aber genauso an den exotischsten Plätzen dieser Erde anzutreffen. Oft werden Produkte aus Kunststoffen nur kurz genutzt, bevor sie am Straßenrand oder in der Wiese landen. Dadurch werden Energie und Rohöl, die für deren Herstellung benötigt werden, leichtfertig verschwendet.

Äußerst langlebiges Produkt

"Generell sind Kunststoffe sehr langlebig. Wir können und sollten nicht darauf warten, dass sie sich von selbst abbauen. Wir müssen stattdessen die Kreislaufwirtschaft forcieren," sagt Thomas Gangl im Gespräch mit dem STANDARD.

Gangl war bis zum heurigen Frühjahr im OMV-Vorstand für die Bereiche Raffinerie und Petrochemie zuständig; seit 1. April ist er Chef des Kunststoffkonzerns Borealis, der mehrheitlich der OMV gehört. Borealis selbst ist der weltweit achtgrößte Erzeuger von Polyolefinen. Das wiederum sind Ausgangsmaterialien für Kunststoffe, die aus Kohlenwasserstoffen, sprich Rohöl, gewonnen werden.

Borealis macht auch Recyclate

Borealis war eines der ersten großen Kunststoffunternehmen, das die Wiederverwendung von Kunststoffen und auch das Recycling selbst durch Zukäufe darauf spezialisierter Firmen wie der deutschen mtm Plastics oder der steirischen Ecoplast in ihr Geschäftsmodell integriert hat. "Weil wir gesehen haben, dass wir selbst in diesen Kreislauf einsteigen müssen, damit sich etwas bewegt," wie Gangl sagt.

An die 100.000 Tonnen Recyclat werden von Borealis derzeit eingesetzt. Das ergibt, gemessen am Gesamtoutput des Konzerns, eine niedrige einstellige Prozentzahl. Bis 2025 soll sich die Menge jedoch auf etwa 350.000 Tonnen mehr als verdreifachen. Die Ziele für den Einsatz von Recyclat im Produktionsprozess bis 2030 sind gerade in Ausarbeitung.

1.400 Rezepturen

Hauptprodukte von Borealis sind Polyethylen und Polypropylen; davon wiederum gibt es an die 1.400 verschiedene Rezepturen, je nach gewünschter Produkteigenschaft. Abgefüllt werden die Kunststoff-Pellets, die nicht mehr als zwei bis drei Millimeter groß sind, in Säcken. Das geschieht unter anderem auch am Produktionsstandort neben der Raffinerie in Schwechat. Alles kleiner als fünf Millimeter gilt als Mikroplastik. Gangl: "Wir achten penibel darauf, dass weder bei der Produktion noch auf dem Weg zum Kunden etwas verlorengeht."

Hauptabnehmer des Granulats ist neben dem Who’s who der Verpackungshersteller auch die internationale Automobilindustrie, die Kunststoffe zur Gewichtseinsparung der Fahrzeuge benötigt. Auch Produzenten von Kunststoffrohren, Elektrokabeln und der Gesundheitssektor kaufen zu, Letzterer in steigendem Ausmaß. Ob Einwegspritzen, Medikamentenverpackung oder Schutzkleidung: Überall ist Kunststoff in mehr oder weniger umfangreicher Form mit drin.

Nach dem Recycling sollten Kunststoffe möglichst sortenrein zur Verfügung stehen, damit sie einer weiteren Verwendung zugeführt werden können.
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Wichtig sei, dass möglichst viel davon rückgeführt und einer neuen Verwendung zugeführt wird. Deshalb macht sich der Borealis-Manager auch für eine Gleichbehandlung von mechanischem und chemischem Recycling stark – zwei Technologien, die sich gut ergänzten.

Wirtschaftlichkeit erhöhen

Letztlich gehe es darum, die Wirtschaftlichkeit von Recyclaten technologieoffen zu verbessern. Aufgrund des höheren Aufwands sind aufbereitete Ausgangsstoffe zumeist teurer als neu produzierte. Helfen könnte ein Stufenplan, der aufzeigt, wie der Recyclatanteil in Produkten über die nächsten Jahre steigen soll. "Derzeit gibt es auf EU-Ebene Vorschriften genereller Natur, wie viel zu recyceln ist, aber es gibt bei Produkten nicht die Vorschrift, wie viel drin sein muss", merkt Gangl kritisch an.

Und wie sieht der Borealis-Manager die Problematik von so viel Plastik im Meer? Das liege vor allem an fehlenden Sammelsystemen. "Fünf Länder sind für 55 Prozent des Müllstroms verantwortlich. Dort kommt nicht die MA 48 (Magistratsabteilung Abfallwirtschaft in Wien; Anm.), dort ist der Fluss die Abfallentsorgung. Das muss möglichst rasch beendet werden," sagt Gangl – und zeigt auf, wie es gehen kann.

Sammelsystem in Indonesien

In Indonesien, einem dieser fünf Länder, hat Borealis 2017 begonnen, in drei Städten ein Abfallsammelsystem für 200.000 Menschen aufzuziehen. Während dieses Projekt nun in die Eigenverantwortung von Regierung und lokalen Behörden übergeht, will Borealis höher hinaus. Bis 2025 sollen in Summe zwei Millionen Menschen an ein Sammelsystem angeschlossen sein.

"Das ist eine Win-win-Situation", sagt Gangl. "Es werden zusätzliche Jobs geschaffen, das Meer bleibt sauber, und die Fischer fangen Fische und nicht Plastik." Im Endausbau gehe es um 25.000 Tonnen Kunststoffe, die nicht im Meer landen. 2025 soll es so weit sein. (Günther Strobl, 11.11.2021)