Das Ensemble pendelt zwischen Wurstsemmeljause und Zweifeln.

Foto: Nikolaus Ostermann / Volkstheater

Wien – Im VZ Brigittenau wiehert der Amtsschimmel. Das Beige des Baus findet auf der Bühne (Camilla Hägebarth) seine Fortsetzung: Grau ausgeschlagen und mit hässlichen orangen Plastiksesseln, in einer Nische stapeln sich Akten, in einer anderen DVDs. Der Fall Julia K. des Volkstheaters in den Bezirken beschäftigt sich mit einem realen Kriminalfall. 2006 verschwand eine 16-Jährige in einem Dorf im Weinviertel spurlos, fünf Jahre später wurden ihre Überreste in einem Erdkeller gefunden. Dessen Besitzer wurde Verdächtiger und 2013 verurteilt.

Zwei Jahre lang hat das 2020 von Regisseur Felix Hafner gegründete Institut für Medien, Politik und Theater den Fall recherchiert, Akten gewälzt, mit Experten gesprochen. Die Fragen scheinen dadurch eher mehr geworden zu sein, in 90 Minuten wechseln sich Perspektiven auf den Fall ab. Dabei wird mehr als nur die Biografie des Verdächtigen aufgerollt (ein Frauenbelästiger). In anderen Szenen geht es um strukturelle Fragen: Geschworenengerichte und ob diese adäquat sind; Frauenmorde als gesellschaftliches Problem; der Boom der True-Crime-Serien.

Beweisketten und Spurensicherung

Das Publikum selbst wird mit laufend neuen Infos verunsichert, bald überziehen Papiere als nicht zwingende, doch mögliche Beweisketten die Wände. Das Handwerk der Spurensicherung wird nachgestellt. Man fühlt sich abwechselnd in Aktenzeichen XY ungelöst (widersprüchliche Beweise!) und in der Verfilmung eines Ferdinand-von-Schirach-Bestsellers: Ab wann ist jemandes Schuld hinreichend klar? Engagiert in der Idee, spannungsgeladen in der Umsetzung. (wurm, 21.11.2021)