Beim Wiener Ausländeramt MA 35 müssen die Antragsteller vielfach sehr lange auf Erledigung ihrer Ansuchen warten.

Foto: Regine Hendrich

Wien – Die Wiener Ausländerbehörde MA 35 macht seit Monaten Schlagzeilen – wegen der Hürden, die manche Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter für die dortige Klientel errichten. Monatelanges Warten auf Aufenthaltstitel, jahrelange Verzögerungen bei Einbürgerungsanträgen, dazu die dokumentierte, vielfach praktizierte Angewohnheit, die Telefone nicht abzuheben, wenn ruchbar ist, dass ein Antragsteller oder eine Antragstellerin anruft: Die Liste der Beschwerden ist lang.

Alexander Pantiukhov, ein in Wien lebenden russischer Staatsbürger und damit ein MA-35-Betroffener, wollte dem etwas entgegensetzen. Im Rahmen eines Kunstprojekts entwarf er einen Website-Prototyp für das Ausländeramt. Drei Tage brauchte er dazu, das Ergebnis war eine Homepage, auf der man Informationen abrufen und Anträge hochladen konnte.

Aslan: "Einschüchterungsbrief"

Doch bei der Stadt Wien hatte man für diese Kreativität kein Verständnis. Im Gegenteil, Pantiukhov erhielt von der Magistratsdirektion eine Unterlassungserklärung zugestellt. Um weitere rechtliche Schritte hintanzuhalten, solle er diese unterschreiben und "künftig keine Aktivitäten mehr setzen, die fälschlicherweise suggerieren", dass sein Website-Dummy mit der MA 35 zu tun habe. Pantiukhov unterschrieb.

Damit war die Affäre aber nicht zu Ende. Das Schreiben der Magistratsdirektion sei als "Einschüchterungsbrief" zu verstehen, meinte die grüne Gemeinderätin Berîvan Aslan. Pantiukhovs Website sei durch das "Grundrecht auf Meinungsfreiheit geschützt", schrieb sie in der Begründung einer Anfrage an die Stadt Wien.

Rechte der Stadt Wien verletzt

Deren Beantwortung wurde am Montag öffentlich, sie liegt dem STANDARD vor. Das Schreiben lässt keine Zweifel am harschen Vorgehen der Magistratsdirektion gegen den Russen erkennen. Die Unterlassungsaufforderung sei nötig gewesen, "um die Wahrnehmung der Rechte der Stadt Wien zu gewährleisten", heißt es darin. Konkret sei die Stadt durch den Website-Prototyp in ihrem Persönlichkeits- und Namensrecht verletzt sowie in Ruf und Kredit geschädigt worden.

Zivilrechtlich betrachtet habe Pantiukhov außerdem "kreditschädigende Äußerungen über die MA 35 im Sinne eines Wertungsexzesses getätigt". Durch die Kunst- und Meinungsfreiheit sei das Erfinden der Homepage auf keinen Fall gedeckt – zumal die Website "professionell" ausgesehen habe und daher unter Umständen als echte MA-35-Website hätte missverstanden werden können.

"Peinliches Schönreden"

Aslan kann diese Sichtweise nicht nachvollziehen. "Es ist peinlich, wie die Stadt ihr Vorgehen schönredet. So geht man mit Bürgerinnen und Bürgern nicht um. Einer Behörde, die derart in der Kritik steht wie die MA 35, ist das unwürdig", sagt sie. Die Folge einer solchen scharfen rechtlichen Darstellung könne nur sein, "dass sich Betroffene nicht mehr trauen, die MA 35 zu kritisieren".

In Sachen Ausländerbehörde plant Aslan noch eine weitere Anfrage. Sie will von der Wiener Magistratsdirektion Details zur Beauftragung einer Securityfirma wissen, die seit Mai in den Ämtern der Ausländerbehörde tätig ist.

340.000 Euro für MA-35-Sicherheitsdienste

Für acht Monate Sicherheitsdienste seien rund 340.000 Euro veranschlagt worden, sagt die Grüne. Im Vergleich mit anderen Ausgaben rund um die MA 35 sei das viel Geld: Eine vom zuständigen Stadtrat Christoph Wiederkehr (Neos) beauftragte Beratungsfirma, die Maßnahmen setzen soll, um den Umgang mit den MA-35-Antragstellerinnen und -Antragstellern zu verbessern, erhalte 300.000 Euro.

Überhaupt sei die MA 35 die einzige Wiener Magistratsabteilung, die Sicherheitsdienste in Anspruch nehme – und damit suggeriere, "dass die dortige Kundschaft aggressiv und gewalttätig ist".* In ihrer Anfrage, die sie im Dezember einbringen möchte, fragt sie nach der Häufigkeit von Auseinandersetzung in dem Amt.

Viele Beschwerden bei der Volksanwaltschaft

Das Vorgehen der MA-35-Mitarbeiterinnen und -Mitarbeiter sorgt indes auch andernorts für viele Beschwerden. Im Bericht der Volksanwaltschaft zu den Prüfverfahren im Jahr 2020 nehmen die Zustände im Wiener Einwanderungsamt einen prominenten Platz ein. Insgesamt gab es demnach österreichweit 458 Missstandsfeststellungen wegen Bundesangelegenheiten. Mehr also 60 Prozent von ihnen – rund 280 Fälle – sind auf die MA 35 zurückzuführen, die das bundesweit geregelte Aufenthalts- und Niederlassungsrecht vollzieht.

Hauptgrund der Beschwerden über das Wiener Ausländeramt ist immer wieder eines: die viel zu lange Dauer der Verfahren. (Irene Brickner, 23.11.2021)