Paradieslandschaft mit Stabfiguren aus Flora und Fauna: "Alois und Eurydike".

Armin Bardel

Wien – Bald beginnt im Wiener Kabinetttheater die Saison der furzenden Kamele. Die verdauungsgeplagten Paarhufer aus Hugo Balls dadaistischem Krippenspiel Concert bruitiste (1916) läuten alljährlich die Vorweihnachtszeit in der Figurentheaterbühne am Alsergrund ein. Lockdown-bedingt ist derzeit zwar alles in Schwebe, plangemäß wird aber ab 12. Dezember gespielt. Das Singspiel Alois und Eurydike, das am Samstag Uraufführung gefeiert hat, muss noch länger warten. Eine Spielserie für Mitte April 2022 ist geplant.

Ab sofort regiert die Vorfreude, denn Prägnanz, Chuzpe und Kürze mit Würze gibt es in dieser Schnittmenge auf Wiener Bühnen nicht alle Tage. Das Kabinetttheater von Julia Reichert, vor 32 Jahren gegründet und seit 1996 in der Porzellangasse heimisch, hat sich in Zusammenarbeit mit dem Ersten Wiener Heimorgelorchester den Orpheus-Mythos zur Brust genommen. Da wird dem Dichter und Musiker die Potenz zuteil, seine verstorbene Gattin Eurydike (Tanja Ghetta) aus der Unterwelt zu befreien, sofern er es schafft, auf dem Weg nach oben sich nicht nach ihr umzublicken. Klappt natürlich nicht.

Schwingende Schaufel

Aber die vier Heimorgler (Thomas Pfeffer, Jürgen Plank, Daniel Wisser und Florian Wisser) hegten noch nie stimmungssenkende Absichten, und so hilft in ihrer Version, in der Orpheus schnöde Alois heißt, der Liebesgott nach, und es gibt ein Happy End mit Hochzeit in einer steinernen Kirche mit Barockaltar.

Und auch sonst nimmt der Mythos recht bodenständige, irdische, ja regelrecht österreichisch-wienerische Züge an. Es beginnt mit dem Aushub eines Grabes für Eurydike. Dafür schwingt eine Friedhofsschaufel in ausladenden Zügen vom unteren Guckkastenrand immer wieder nach oben, während synchron daneben ein Erdhügel ruckartig Stück für Stück nach oben wächst. Für diese Art von Figurentheaterpoesie, gepaart mit Schauspiel und Livemusik, ist die Bühne die Kompetenzträgerin des Landes.

"Foigendes..."

Aus der Perspektive einer Mythenabrechnung kann Alois alias Orpheus natürlich nur ein fürchterlich untalentierter Dichter sein. Das Heimorgelorchester ersann für ihn (Katarina Csanyiova) die mittelmäßigsten Reime. Nachdem er es wieder getan hat (sich umdrehen), dichtet er: "Nun werd’ ich nie wieder ganz / vertan hab ich diese Schantz". Besser ist schon: "Sisyphos! / Altes Ross! / Immer noch beim Kugelstoß?"

Der Liebesgott Amor (hier ein Mann namens Armin; Walter Kukla) changiert zwischen Nestroy und Wiener Strizzi. "Foigendes ...", kündigt er seinen Liebesrettungsplan an. Dazu träufeln Schlagermusik, Hip-Hop und Walzertakt geschmeidig aus den Orgeltasten. Man will sofort eine Heimorgel kaufen. (Margarete Affenzeller, 22.11.2021)