Der Bauboom der vergangenen Jahre hat vielerorts schon zu einem Überangebot an Wohnraum geführt.

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Wohnraum ist zum allseits begehrten Investment geworden. Das liegt unter anderem am niedrigen Zinsniveau und auch an den hohen Preissteigerungen am Immobilienmarkt in den vergangenen Jahren, die eine Investition in eine Wohnung, jedenfalls in der Stadt, als sehr sichere Alternative erscheinen lassen. Denn trotz der seit fünf Jahren anhaltenden hohen Bautätigkeit in den Ballungsräumen steigen die Preise weiter stark.

Die Mieten hinken der Entwicklung allerdings hinterher – glücklicherweise, wie Mieterschützer sagen würden. Wie lange kann das also noch so weitergehen?

Von Unternehmen, die Vorsorgewohnungen in Wien verkaufen, hört man dazu stets: Ja, es geht sich trotz hoher Kaufpreise von um die 5000 Euro je Quadratmeter noch aus, eine Rendite von mehr als drei Prozent zu erwirtschaften.

Vorsicht vor "Liebhaberei"

Das bekräftigt etwa Karina Schunker, Geschäftsführerin der EHL Wohnen GmbH. Die Rendite braucht man, um steuerrechtlich nicht in der "Liebhaberei" zu landen, wodurch die steuerlichen Vorteile beim Kauf einer Vorsorgewohnung passé wären. Der größte dieser Vorteile ist der, dass man sich die Umsatzsteuer (als Vorsteuer) vom Finanzamt zurückholen kann. Man darf die betreffende Wohnung allerdings 20 Jahre lang nicht selbst bewohnen.

Auch wegen dieses und anderer steuerlicher Vorteile hält der Boom in der Bundeshauptstadt noch an. Heuer werden laut dem jüngsten EHL-Marktbericht in Wien voraussichtlich rund 900 Vorsorgewohnungen verkauft. Im ersten Halbjahr waren es 453. Im Vorjahr wurden 806 Wohneinheiten an Anleger verkauft, 2019 waren es 654.

Sprünge machten aber eben auch die Preise in Wien. Der durchschnittliche Kaufpreis pro Quadratmeter legte laut EHL seit 2017 um rund 850 Euro zu: von fast 4000 auf nunmehr 4850 Euro. Der Wohnungsdurchschnittspreis stieg in diesem Zeitraum von knapp 209.000 auf 245.000 Euro.

"Es geht sich nicht mehr aus"

Genau wegen der mittlerweile sehr hohen Kaufpreise gibt es aber auch Makler, die von Vorsorgewohnungen die Finger lassen, weil sie das Gefühl haben, dass es sich mit der Rendite "nicht mehr ausgeht". Die Preise seien zu hoch, die Mieten zu niedrig – "und die Qualität ist zu schlecht", sagt ein Wiener Makler, der seinen Namen hier nicht genannt sehen will.

Einige andere sind ebenfalls skeptisch, was die nächsten Jahre betrifft. "Es wird immer schwieriger und enger", sagt etwa Thomas Schmid, Geschäftsführer der You Will Like It Investments GmbH. Er verkauft seit 20 Jahren Vorsorgewohnungen. "Die Käufer, die zwischen 2000 und 2008 gekauft haben, sind natürlich superhappy", sagt Schmid. Doch mit den außergewöhnlichen Preissteigerungen, die im Wesentlichen seit 2008 anhalten, könne es natürlich nicht ewig weitergehen. "Realistischerweise sollte man nur eine Wertsteigerung von zwei bis drei Prozent pro Jahr einkalkulieren."

Grundstückspreise vervierfacht

Mit "immer schwieriger" meint Schmid auch, dass die Lage am Grundstücksmarkt eine Herausforderung ist. Im bereits erwähnten Jahr 2008 habe man es in Wien beispielsweise noch mit Grundstückspreisen von rund 500 Euro je Quadratmeter Nettowohnfläche zu tun gehabt. Dazu kamen dann die Entwicklungs- und Errichtungskosten sowie eine gewisse Marge, heraus kam damals ein Kaufpreis von rund 3500 Euro je Quadratmeter.

"Jetzt sind wir bei Grundkostenanteilen von um die 2000 Euro", günstigere Grundstücke seien für gewerbliche Bauträger kaum mehr zu bekommen. Die Baukosten sind heutzutage noch dazu viel höher als damals, "wobei die jüngsten massiven Preisausschläge bei den Baupreisen den Markt teilweise noch gar nicht erreicht haben".

Steigende Preise

Die Kaufpreise werden also noch eine Zeitlang weiter steigen. Irgendwann wird sich die nötige Rendite dann aber einfach nicht mehr darstellen lassen. "Eine Rendite um drei Prozent herum ist noch in Ordnung", sagt Schmid. Darunter sollte man eigentlich schon die Finger davon lassen. "Wobei Investoren auch Immobilien in sehr guten Lagen unter einem Prozent Rendite kaufen, nur um ihr Geld vor einer aktuell anziehenden Inflation in Sicherheit zu bringen."

Schmids Unternehmen hat derzeit zwei Wiener Projekte mit Vorsorgewohnungen im Vertrieb, einmal im 10., einmal im 21. Bezirk. Innerhalb des Gürtels ist die Luft schon extrem dünn, das zeigt auch der jüngste EHL-Marktbericht. Im Bezirk Donaustadt boomen die Vorsorgewohnungen noch.

Schmid verkauft die Wohnungen in den Projekten in der Triester Straße (10.) und am Drygalskiweg (21.) zu Preisen zwischen 4800 und 5500 Euro, in den Prognoserechnungen für die Käufer stehen Nettomieten zwischen 10,50 und 10,80 Euro, die man aber eben über den gesamten 20-jährigen Zeitraum erzielen sollte, auch bei der Wiedervermietung nach dem Auszug des ersten Mieters.

Dass die Mieten regelmäßig an den Index angepasst werden können und – ein Vorteil des österreichischen Mietrechts – im Neubau ohne Abschlag befristet vermietet werden darf, hilft dabei natürlich. Denn so kann auf eine allgemeine Mietensteigerung rascher reagiert werden; schlecht für Mieter, aber gut für Eigentümer von Vorsorgewohnungen.

Leerstand wird zum Politikum

Weniger gut – aus Sicht der Anleger – ist, dass der Bauboom der vergangenen Jahre vielerorts schon zu einem Überangebot an Wohnraum geführt hat. Die Suche nach geeigneten Mietern könnte sich da bald als große Herausforderung entpuppen – auch in Wien, wo 2022 nochmals ein Rekordhoch an Fertigstellungen erwartet wird. Danach sollte der Bauboom abflauen, das erwartet man jedenfalls bei EHL.

Und wer Wohnungen gar nicht mit der Absicht kauft, sie zu vermieten, sondern leer stehen zu lassen und hauptsächlich von der Wertsteigerung zu profitieren, dem sei gesagt: Hier könnten demnächst politisch die Zügel angezogen werden. Die Spekulation mit Wohnraum gerät zusehends in den Fokus der politischen Entscheider auf Gemeinde- und Landesebene.

In einigen Bundesländern, darunter Wien, Tirol und Salzburg, sind Leerstandsabgaben zumindest politisch erwünscht, fallweise auch schon in Umsetzung. Und auch die neue Grazer KPÖ-Bürgermeisterin Elke Kahr will den Leerstand in ihrer Stadt nun jedenfalls einmal erheben lassen. (Martin Putschögl, 21.12.2021)