Justizministerin Alma Zadić hat die Rechtsschutzbeauftragte Gabriele Aicher zum Gespräch vorgeladen.

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Wien – Justizministerin Alma Zadić reagiert auf Berichte von STANDARD und SPIEGEL, wonach die Rechtsschutzbeauftragte der Justiz, Gabriele Aicher, bei ihren medialen Angriffen auf die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) von der Kanzlei Ainedter beraten wurde, die auch zwei von der WKStA beschuldigte ÖVP-Politiker vertritt. Sie lädt nun Aicher zum Gespräch.

"Die Unabhängigkeit der Justiz muss zu jedem Zeitpunkt gewahrt und auch nach außen hin sichtbar sein", betonte sie in einer schriftlichen Stellungnahme an die APA. "Deshalb habe ich unmittelbar nach Bekanntwerden der Vorwürfe eine umfassende Prüfung durch die Beamt:innen des Hauses angeordnet und die Rechtsschutzbeauftragte zu einem Gespräch ins Ministerium geladen."

Hinweis in Metadaten

Aicher hatte Ende Oktober harsche Kritik an Ermittlungen der WKStA geübt, vor allem an jenen gegen das Medienhaus "Österreich" und die dort stattgefunden Razzien im Zusammenhang mit der Inseratenkorruptionsaffäre um die ÖVP und Ex-Bundeskanzler Sebastian Kurz. Sie sah hier "eine rote Linie des Rechtsstaates überschritten". Sie ortete aber auch Fehlverhalten der WKStA in anderen Fällen.

Als Erstellerin des Dokuments, in dem die Kritik an ausgewählte Boulevardmedien wie die "Kronen Zeitung" ging, war in den Metadaten die Kanzlei Ainedter angeführt. Zu deren Klienten gehört laut Bericht der einstige Medienbeauftragte im Kanzleramt Gerald Fleischmann, gegen den die WKStA im Zusammenhang mit der Inseratenkorruptionsaffäre ermittelt. Außerdem vertritt die Kanzlei auch Ex-Vizekanzler Josef Pröll (ÖVP), gegen den die WKStA in der Causa Casinos/Postenschacher rund um die Bestellung von Peter Sidlo (FPÖ) in den Vorstand des teilstaatlichen Glücksspielkonzerns wegen des Vorwurfs der Untreue und Bestechung ermittelt.

Rücktrittsaufforderung an Rechtsschutzbeauftragte

Von Vertreterinnen und Vertretern des "Rechtsstaat und Antikorruptionsvolksbegehrens" kam am Samstagvormittag scharfe Kritik am Verhalten der Rechtsschutzbeauftragten und eine Rücktrittsaufforderung. Irmgard Griss, die ehemalige Präsidentin des Obersten Gerichtshofs, zeigte sich "fassungslos" angesichts Aichers Verhaltens: "So etwas hätte ich bis gestern nicht für möglich gehalten. Anwälte von Beschuldigten an Texten mitarbeiten zu lassen, die sich gegen die in dieser Sache ermittelnden Behörde richten, ist unvereinbar mit der Funktion einer unabhängigen Rechtsschutzbeauftragen der Republik."

Verfassungsjurist Heinz Mayer hält es für "realitätsfern, davon auszugehen, dass sich der Umfang dieses Beratungsverhältnisses auf das Lektorat einer Presseaussendung beschränkt hat. Die Tatsache, dass Aichers Beschwerde weit über ihre Zuständigkeit hinausging und vom Umfeld der Beschuldigten dazu genutzt werden konnte, sich als Justizopfer zu inszenieren, muss angesichts der jüngsten Enthüllungen unter einem neuen Licht betrachtet werden."

Erschüttertes Vertrauen in die Justiz

Martin Kreutner, der ehemalige Dekan der Antikorruptionsakademie IACA, warnte: "Dieses Verhalten ist dazu geeignet, das Vertrauen in die Unabhängigkeit der Justiz zu erschüttern."

Und Österreichs erster Antikorruptionsstaatsanwalt, Walter Geyer, sprach von einem "skandalösen Vorgang", der dringend geprüft werden müsse: "Wenn sich der Anschein erhärtet, dass die Rechtsschutzbeauftragte der Republik hier als Sprachrohr der Litigation-PR von Beschuldigten fungiert hat, kann sie diese Funktion nicht länger ausüben."

Einzig mögliche Konsequenz aus den bekannt gewordenen Aktionen der Rechtsschutzbeauftragten sei, so formulierten es die vier Proponenten des Volksbegehrens, die "sofortige Zurücklegung ihres Amtes, um weiteren Schaden für die Justiz hintanzuhalten".

Opposition fordert Aufklärung

Auch Christian Hafenecker, Fraktionsvorsitzender der FPÖ im kommenden ÖVP-Untersuchungsausschuss, forderte Aichers umgehende Abberufung. Sie habe "alles falsch gemacht, was man falsch machen kann". Gerade als Rechtsschutzbeauftragte habe diese eine besondere Sorgfaltspflicht und jeden Verdacht auf Befangenheit zu vermeiden. Die Rechtsanwaltskammer solle zudem das Vorgehen der Kanzlei Ainedter prüfen. Immerhin habe diese mutmaßlich versucht, "ins laufende Verfahren quasi 'über die Bande' Einfluss zu nehmen".

Auch Stephanie Krisper, Neos-Fraktionsführerin im U-Ausschuss, forderte Zadić zur raschen Aufklärung der "schwerwiegenden" Vorwürfe auf. Eine derart wichtige Funktion des Rechtsstaates dürfe nicht einmal den Eindruck der Parteilichkeit haben. Die Menschen in Österreich hätten sich ein Justizsystem ohne türkise Schlagseite verdient, so Krisper. Die Vorgänge würden belegen, dass der von den Neos geforderte U-Ausschuss zur Frage von politischer Einflussnahme auf Ermittlungen notwendig sei.

Für SPÖ-Finanzsprecher Jan Krainer sind "die Vehemenz und Unverschämtheit, mit der die ÖVP gegen die Ermittlungen der WKStA zum türkisen System vorgeht", ein Beleg dafür, wie wichtig die Einsetzung eines parlamentarischen U-Ausschusses zur politischen Verantwortlichkeit möglicher Korruption in Reihen der ÖVP sei. Zuerst sei ein Rechtsgutachten "gekauft" worden, um Ex-Kanzler Kurz in der Öffentlichkeit "reinzuwaschen". Nun werde bekannt, dass die Rechtsschutzbeauftragte "wie ein Teil der türkisen Familie" agiere.

Prammer vs. Hanger

Der ÖVP-Abgeordnete Andreas Hanger findet unterdessen die Kritik an Aicher "befremdlich": Erneut warf er der WKStA außerdem "einseitig geführte Ermittlungen" vor.

Die grüne Justizsprecherin Agnes Prammer sagte daraufhin, dass Hanger mit seiner aktuellen Presseaussendung seine "unhaltbaren Vorwürfe nochmal auf die Spitze" treibe. Natürlich sei es legitim, dass sich Beamte als Privatpersonen eines Rechtsanwalts bedienen, wenn sie Partei eines Rechtsstreits sind. "Es ist aber befremdlich und zu recht zu hinterfragen, wenn Beamt:innen einen Rechtsanwalt bei der Vornahme von Amtshandlungen beiziehen, noch dazu wenn dies offenbar ohne Offenlegung der Involvierung des Rechtsanwalts erfolgt und wenn dieser Rechtsanwalt in einem offenkundigen Interessenskonflikt verhaftet ist, weil er im betreffenden Verfahren Beschuldigte vertritt." (red, 27.11.2021)

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