Der U-Ausschuss will erfahren, wie es im Kanzleramt unter Sebastian Kurz (ÖVP) ablief. Dazu soll das BAK vorab Personen befragen.

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Bis zu den ersten Befragungen im ÖVP-Korruptionsausschuss wird noch einige Zeit vergehen: Vor März 2022 ist damit nicht zu rechnen. Allerdings hat sich die Opposition gut überlegt, wie sie die Zeit bis dahin nutzen kann. Sie wird am Donnerstag "Ermittlungsaufträge" an verschiedene Institutionen erteilen, formal läuft das als "erweiterte Beweisanforderung". Aufbauend auf diesen Resultaten soll der Ausschuss dann schon im Jänner erste Zwischenergebnisse erhalten.

Befragungen von Kurz-Umfeld

Das Bundesamt für Korruptionsbekämpfung (BAK) wird beispielsweise ersucht, Vorbefragungen mit potenziellen Auskunftspersonen durchzuführen. Es handelt sich dabei um 21 Personen, die allesamt entweder im Bundeskanzleramt oder der ÖVP-Bundespartei tätig sind oder waren. Ermittler des BAK sollen sie über die Zusammenarbeit zwischen Altkanzler Sebastian Kurz und seinem engsten Umfeld befragen, auch um Parteispenden und die Kooperation mit Werbeagenturen soll es gehen. Die prominentesten Namen auf der Liste sind Kurz-Assistentin Lisa Wieser, die neue Kommunikationschefin im Bundeskanzleramt Kristina Rausch sowie Kurz-Sprecher Etienne Berchtold.

Die Opposition sieht die Befragungsmöglichkeit vor dem BAK als eine Art gelinderes Mittel: Angaben vor Ermittlern seien vermutlich angenehmer als die medienöffentliche Befragung im U-Ausschuss. Zur Aussage vor dem BAK dürfen die Genannten nicht gezwungen werden, es besteht auch keine Wahrheitspflicht. Eine spätere Ladung durch den U-Ausschuss wird durch den Besuch im BAK natürlich nicht ausgeschlossen.

Chats zu Benko, Braun und Schütz

Auch an das Justizressort erteilt der U-Ausschuss neue Aufträge: Wie schon im Ibiza-U-Ausschuss sollen vorliegende Kommunikationsdaten speziell für das Parlament ausgewertet werden. Ein derartiges Vorgehen hatte der Verfassungsgerichtshof (VfGH) zum Leidwesen der Justiz genehmigt: Dem U-Ausschuss müssten auch vorhandene Daten mit "abstrakter Relevanz" übermittelt werden, nicht nur die Ermittlungsakten an sich.

Im nächsten U-Ausschuss soll die Auswertung auf jene Chats, E-Mails und SMS abzielen, die einen "Bezug" zum Immobilieninvestor René Benko, zum einstigen Wirecard-Chef Markus Braun, dem Investor Alexander Schütz sowie dem Manager Siegfried Wolf oder zu Inseratenvergaben aufweisen. Außerdem will der U-Ausschuss alle abstrakt relevanten Chats, in denen als Sender oder Empfänger Altkanzler Kurz, sein Nachfolger Karl Nehammer, der frühere Finanzminister Gernot Blümel, Außenminister Alexander Schallenberg, Landwirtschaftsministerin Elisabeth Köstinger sowie Nationalratspräsident Wolfgang Sobotka (ÖVP) auftauchen. Ebenso Chats mit dem direkten Umfeld von Sebastian Kurz, seiner Thinktank-Leiterin Antonella Mei-Pochtler sowie der Netzwerkerin Gabi Spiegelfeld.

Ausgewertet werden sollen die Handychats von Thomas Schmid, Blümel, dem früheren Finanzminister Hartwig Löger, dem suspendierten Justizsektionschef Christian Pilnacek sowie von Kurz' Medienleuten Gerald Fleischmann und Johannes Frischmann. Deren Smartphones waren im Zuge von unterschiedlichen Ermittlungen sichergestellt worden.

Rechnungshof soll Geldflüsse aufbereiten

Der dritte Auftrag, nach BAK und Justiz, geht an den Rechnungshof: Dieser soll prüfen, welche Zahlungen aus Ministerien an eine Liste von 86 Organisationen ergangen sind. Darunter befinden sich Medienhäuser wie die Österreich-Gruppe oder der "Falter"; Umfrageinstitute wie jene, die in der Inseratenaffäre zum Thema wurden, sowie ÖVP-Teilorganisationen und -Vereine.

Die Medienbehörde Komm Austria soll dem U-Ausschuss eine Liste der Inserate übermitteln, die Bundesbehörden oder Unternehmen mit staatlicher Beteiligung zwischen 2017 und 2021 geschaltet haben; das Finanzministerium erklären, wie ÖVP-Spenden steuerlich behandelt worden sind. An alle Ministerien ergeht zudem das Ersuchen, keine Datenlöschungen mehr vorzunehmen sowie bereits entfernte Daten wiederherzustellen.

Breites Themenfeld

Diese insgesamt sechs erweiterten Beweisanträge sollen am Donnerstag im Rahmen der U-Ausschuss-Sitzung beschlossen werden. Auf Grundlage der erhaltenen Ergebnisse wird dann wohl im Jänner die Ladung der ersten Zeugen beschlossen werden. Wie schon der Ibiza-U-Ausschuss hat auch das aktuelle Untersuchungsgremium ein weites Themenfeld. Dem Vernehmen nach könnte es anfangs aber um Einflussnahme auf Ermittlungen gehen. Zuletzt sorgte da eine Beschwerde der Justizrechtsschutzbeauftragten Gabriele Aicher für Aufsehen: Sie lässt sich anwaltlich von der Kanzlei Ainedter vertreten, genau wie zwei Beschuldigte im Casinos-Akt – um den es in ihrer Beschwerde ging. (Fabian Schmid, 15.12.2021)