Keine Kontrolle, keine kritischen Rückfragen, dafür verschwundene Studien und falsche Auskünfte an das Parlament: Was der Bericht der internen Revision des Finanzministeriums offenbart, ist ein weiterer Tiefschlag für die türkise Regierungsbilanz. Das Finanzministerium entpuppt sich als Paradies für krumme Deals, die Stoßrichtung der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) als absolut richtig. Durch viele Chats, U-Ausschuss-Befragungen und Ermittlungsergebnisse zeichnete sich dieses Bild zwar schon länger ab. Jetzt hat aber erstmals ein ÖVP-geführtes Ressort entschieden, aktiv an der Aufklärung mitzuarbeiten – und somit letzte Zweifel ausgeräumt.

Hürden bis zur vollständigen Aufklärung bleiben bestehen. Noch ist unklar, ob die neue alte ÖVP die Vorgänge auf einzelne "faule Äpfel" abschieben will oder ob sie zu einer umfassenden Transparenzinitiative bereit ist. Ersteres wäre verfehlt: Es geht hier um weit mehr als die Inserate-und-Umfragen-Affäre; sogar um deutlich mehr als die Person des einstigen Generalsekretärs im Finanzministerium, Thomas Schmid.

Es geht vielmehr um eine politische Kultur, die sich in der aktuellen Affäre deutlich manifestiert. Hier arbeiteten mutmaßlich mehrere Personen unterschiedlicher Abteilungen und Organisationen – ja sogar Medien – zusammen, um die politische Karriere von Sebastian Kurz voranzutreiben.

Wer hat zusammengearbeitet, um die politische Karriere von Sebastian Kurz voranzutreiben?
Foto: Heribert Corn

Breites Netzwerk

Der Revisionsbericht zeigt, dass ihnen einerseits bewusst war, dass hier vieles nicht koscher abläuft; andererseits, dass sie nie damit gerechnet haben aufzufliegen. Wenn allein in dieser Causa ein breites Netzwerk aktiviert wurde, um Vorgänge zu verschleiern und rein parteipolitisch motiviert Steuergeld zu missbrauchen – wer glaubt da, dass das nicht in anderen Bereichen des so wichtigen Finanzministeriums auch so war?

Hinweise gibt es zur Genüge, sei es bei Deals teilstaatlicher Betriebe – Stichwort Casinos, Stichwort Immobilien –, sei es bei Steuerproblemen reicher Spender und Kurz-Berater. Wer glaubt, dass das nicht in anderen Ministerien so ähnlich war, die jahrelang von derselben Partei geführt wurden?

Der kommende U-Ausschuss bietet eine große Chance, den vielen Vorwürfen gegen türkis geführte Ministerien nachzugehen. Wenn sich die ÖVP ernsthaft von den dunklen Seiten ihrer jüngeren Vergangenheit abgrenzen will, sollte sie diese Möglichkeit nutzen.

Derzeit deutet aber nur wenig darauf hin, das zeigen das Beharren von Nationalratspräsident Wolfgang Sobotka auf dem Ausschussvorsitz und die Nominierung von Andreas Hanger als Fraktionsvorsitzendem. Es ist auch ein Kampf innerhalb der ÖVP, der nun geführt wird – und bei dem sich Nehammer bald entscheiden muss, auf welcher Seite er steht. Das soll nicht heißen, das nicht auch schon die schwarze ÖVP eine Anfälligkeit für Korruption hatte – nur war sie durchlässiger und diverser als Türkis.

Auch legislativ können erste Lehren aus den erschreckenden Zuständen in der Finanz gezogen werden. Das Informationsfreiheitsgesetz dämmert in einem Dornröschenschlaf vor sich hin; die parlamentarischen Kontrollrechte müssen deutlich gestärkt werden. Dass Ministerien ohne Rücksicht auf Verluste bei Anfragebeantwortungen verschleiern oder gar lügen dürfen, weil als Konsequenz maximal die aussichtslose Androhung eines Misstrauensvotums dräut, ist ein ungelöstes Problem. (Fabian Schmid, 17.12.2021)