Dass Information keine Werbung für Abtreibung ist, das sieht nun auch die neue deutsche Regierung so – und streicht das sogenannte Werbeverbot. Auf jeden Fall eine gute Nachricht.

Foto: imago/epd / Rolf K. Wegst

Es war ein hartes Jahr, wieder. Wir stolperten und strauchelten durch das zweite Pandemiejahr, Regierungskrisen erschütterten in Österreich das schon angekratzte Vertrauen in die Politik, durch die Inseratenaffäre sahen viele ihre ohnehin schon schlechte Meinung von klassischen Medien bestätigt, und wie schon im Vorjahr wurden auch heuer bis zum jetzigen Zeitpunkt 30 Frauen von ihren Partnern oder Ex-Partnern getötet.

Nach 2020 hörte man oft: Es kann doch nur mehr besser werden, oder? Nun, besser ist es nicht geworden. Aber auch nicht alles schlechter. Also schauen wir doch einmal – an dieser Stelle ist das ohnehin ziemlich ungewöhnlich – auf ein paar positive Entwicklungen. Gut, die schon genannten schlechten sind gleich richtig große Brocken, aber das ist kein Grund, kleinere gute Dinge nicht zu feiern oder sie zumindest zu erwähnen.

Aus für Paragraf 219a

Zum Beispiel was kürzlich in Deutschland gelungen ist. Endlich! Die neue Ampelkoalition (SPD, Grüne und FDP) will den Paragraf 219a streichen. Gegen diesen Paragrafen demonstrieren seit Jahren Feminist*innen, weil er Ärzten und Ärztinnen untersagt, zum Beispiel auf Webseiten umfassend über das Angebot eines Schwangerschaftsabbruchs zu informieren.

Der Paragraf 219a galt als "Werbeverbot" von Abtreibungen, das letztlich aber die Information für ungewollt Schwangere beschränkte. Die Allgemeinmedizinerin Kristina Hänel wurde selbst 2019 aufgrund von 219a zu einer Geldstrafe verurteilt und mobilisierte seit Jahren gegen 219a. Bei diesem ging es nie um Werbung, sondern um die Unterbindung von Information, wie Hänel sagt. Bald werden sie und andere Ärzte und Ärztinnen nicht nur angeben dürfen, dass sie Schwangerschaftsabbrüche durchführen, sondern auch über Vor- und Nachteile, Risiken und mögliche Komplikationen der verschiedenen Methoden aufklären können. Von Triumph will Hänel im STANDARD-Interview nicht sprechen, denn viele Frauen hätten unter dem Gesetz gelitten, "aber ich freue mich und bin zufrieden. Es geht um die Sache der Frauen". Es ist ein Erfolg, von dem nahezu jede ungewollt schwangere Frau profitieren kann. Das ist doch gar nicht wenig.

Mehr und bessere Berichte

Gar nicht so wenig ist auch die Aufstockung des Frauenbudgets in Österreich. Gut, gefordert wird von Opposition und Frauenvereinen weitaus mehr – und das auch zu Recht. Aber immerhin wird das Budget für Frauen und Gleichstellung nun auch für 2022 aufgestockt: von 14,65 Millionen Euro im Jahr 2021 auf 18,4 Millionen. Für den Gewaltschutz sollen im kommenden Jahr insgesamt 24,6 Millionen (Innen-, Justiz-, Sozial- und Frauenressort) zur Verfügung gestellt werden. Apropos Gewalt: Auch wenn Frauenmorde und die Gewalt an Frauen auf einem erschütternd hohen Level bleiben, eine kleine positive Entwicklung gibt es: Es wird deutlich mehr und qualitativ auch besser darüber berichtet – auch abseits von konkreten und gerade aktuellen Fällen. Das war vor wenigen Jahren noch völlig anders und zeigt, dass das Ausmaß der Gewalt an Frauen von großen Teilen der Gesellschaft als massives Problem erkannt wird.

Der Revoluzzer-Touch ist weg

Und noch zwei softere, aber nicht unwesentliche Good News. Es sind 2021 unfassbar viele gute Bücher über Sexismus und Rassismus erschienen, etwa von Emilia Roig, Franziska Schutzbach oder endlich – nach 20 Jahren – auch die deutsche Übersetzung von der kürzlich verstorbenen bell hooks, "Alles über Liebe". Das Interesse daran wird also breiter. Waren es vor zehn oder zwanzig Jahren vorwiegend sehr akademische Bücher, die nur wenigen zugänglich waren, sind sie jetzt in unterschiedlichen Schwierigkeitsgraden, als Comic oder auch als Kinderbücher erhältlich. Das muss doch was bedeuteten.

Und noch was: Irgendwie scheint es in diesem Jahr uncool geworden zu sein, sich als ganz Wilder zu positionieren, indem man flotte Sprüche gegen den angeblichen Political- Correctness-Wahnsinn klopft. Das scheint vorbei zu sein. Vielleicht verdanken wir es Talkshow-Philosophen Richard David Precht und anderen, die sich einfach zu regelmäßig, zu vorhersehbar und zu verkniffen auf dieses längst ranzige Terrain stürzten, das fraglos zwar noch da ist. Aber es hat eben diesen Revoluzzer-Touch, der ihm eine Zeitlang innewohnte, eingebüßt und ist vermutlich auch deshalb etwas wenig präsent. Was für eine Wohltat.

Na bitte – geht doch

Ein Hinweis darauf, dass es mit dem Anti-Political-Correctness-Posing bald vorbei sein könnte, sind auch stinknormale Literatursendungen wie zum Beispiel "Lesenswert" mit Denis Scheck. Dort wird ein Roman von einem nicht-binären Menschen, "Mein kleines Prachttier" von Marieke Lucas Rijneveld, nahezu ohne Rekurs auf das Geschlecht des/der Autor*in oder Gejammer über Identitätspolitik besprochen. Und wenn dann der des feministischen Überengagements unverdächtige Scheck auch noch in derselben Sendung den neuen Comic der feministischen Graphic-Novel-Autorin Liv Strömquist ("Im Spiegelsaal") persönlich empfiehlt, kann man sich doch auch einmal denken: Na bitte!

Kleinigkeiten, mag sein, aber über sie können wir uns gerade in harten Zeiten freuen. (Beate Hausbichler, 22.12.2021)