Markus Wallner (ÖVP) musste Anfragen von SPÖ, FPÖ und Neos beantworten – zum Thema hatten alle vermeintliche Parteienfinanzierung über den Wirtschaftsbund für die ÖVP, die die Volkspartei nicht transparent mache. Auslöser für die vielen Fragen war die Doppelrolle eines ÖVP-Mannes.

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Gut drei Wochen hatte Landeshauptmann Markus Wallner (ÖVP) Zeit, parlamentarische Anfragen der SPÖ, der FPÖ und der Neos zu beantworten. Alle drehten sich dabei um das gleiche Thema, nämlich ob die ÖVP sich über den Wirtschaftsbund verdeckt Spenden zukommen lässt.

Eine Million Euro über Inserate für den Wirtschaftsbund

Im Zentrum dieser Frage steht die Firma Media Team, deren Anteile noch zu knapp 50 Prozent dem Wirtschaftsbunddirektor Jürgen Kessler gehören. 40 Prozent hält Russmedia – zu dem Konzern gehören unter anderem die reichweitenstarken Vorarlberger Nachrichten. Die Firma managt das Anzeigengeschäft vieler Magazine der Wirtschaftskammer (WKV), Kessler ist daneben beim eigenen Wirtschaftsbund-Magazin für die Inserate zuständig. Allein dadurch wurde 2020 beim Wirtschaftsbund eine Million Euro eingenommen, wie eine Analyse der Hefte zeigt. Zum Vergleich: Die Parteienförderung für die ÖVP betrug im gleichen Jahr 1,246 Millionen Euro.

Angekündigter Rückzug

Kessler betonte zunächst, sich operativ nie beim Media Team eingemischt zu haben. Nach immer lauter werdender Kritik an seiner Doppelfunktion zog er aber vor drei Wochen die Reißleine und kündigte seinen Rückzug aus der Firma an. Die Anteile sollen deswegen neu aufgeteilt werden – ob das schon passiert ist und in welcher Form, ist bislang nicht klar.

Dass der Wirtschaftsbunddirektor Anteile an der Firma Media Team hält, war übrigens schon unter Kesslers Vorgänger so. Als dieser sich vom Wirtschaftsbund verabschiedete, übernahm Kessler auch die Anteile an Media Team. Das war 2018.

Wenig konkrete Antworten

Sowohl die WKV-Magazine als auch jenes des Wirtschaftsbunds, bei dem Kessler nicht nur für Anzeigen verantwortlich ist, sondern auch Chefredakteur ist, sind gespickt mit Inseraten von Vorarlberger Unternehmen. Viele davon sind von Tochtergesellschaften des Landes, etwa der Hypo. Laut Neos geht es dabei zumindest um einen Umfang von über 230.000 Euro seit 2013. Ein ganzseitiges Inserat in der "Vorarlberger Wirtschaft", wie das Magazin des Wirtschaftsbunds heißt, kostet 3.000 Euro, ab einem Betrag von 3.500 Euro können Inserate als Parteispenden gelten. SPÖ, FPÖ und Neos sahen also viel Aufklärungsbedarf.

Wallner lieferte am Montagabend nun Antworten, viele Fragen bleiben aber de facto unbeantwortet. So verweist Wallner bezüglich der Inserate von landeseigenen Unternehmen auf die Zuständigkeit dieser. Bezüglich des Verdachts auf verdeckte Parteispenden bringt er den ÖVP-Rechenschaftsbericht ins Spiel. Dort lässt sich allerdings nicht viel herauslesen – wie viel Geld von Teilorganisationen an die Parteien fließt, muss nicht ausgewiesen werden. "Erträge aus parteieigener wirtschaftlicher Tätigkeit" werden im Bericht für 2020 mit 479.314,73 Euro angegeben. 547,16 Euro werden unter "Spenden" gelistet. Null steht beim Punkt "Erträge aus Veranstaltungen, aus der Herstellung und dem Vertrieb von Druckschriften sowie ähnliche sich unmittelbar aus der Parteitätigkeit ergebende Erträge", aber auch bei den Einnahmen aus Sponsoring und Inseraten. Die Rechenschaftsberichte des Wirtschaftsbundes wurden dem STANDARD trotz mehrmaliger Anfragen nicht übermittelt.

Grüne und Opposition wollen weitere Aufklärung ...

Grüne, Neos, SPÖ und FPÖ reagierten auf die Beantwortung durch Wallner im gleichen Tenor: Das sei nicht genug. Für die Grünen, Koalitionspartner der ÖVP in Vorarlberg, ist klar, dass der Wirtschaftsbund als ÖVP-Teilorganisation über Inserate jedes Jahr hunderttausende Euro von Unternehmen, darunter Unternehmen im Landeseigentum, erhalte. "Wie diese Gelder dann verwendet und ob sie in Wahlkämpfen eingesetzt werden, ist hingegen ein noch immer wohlgehütetes Geheimnis", sagt Landessprecher Daniel Zadra.

Die Neos freuen sich über Klarheit in einem Punkt: "Die Vorarlberger Landesregierung hat direkt Inserate in der Zeitschrift 'Vorarlberger Wirtschaft' geschaltet. Auch wenn die zugegebene Summe mit (mindestens) 9.000 Euro an Direktzahlungen des Landes an den Wirtschaftsbund vermeintlich klein ist, ist das jedenfalls eine verdeckte Parteienfinanzierung, an der der Wirtschaftsbunddirektor sogar noch mitverdient hat", heißt es in einer Stellungnahme vom pinken Mandatar Johannes Gasser. "Hier wird also direkt der Wirtschaftsbund und damit die ÖVP querfinanziert." Steuergeld derart für Inserate einzusetzen sei eine Praxis, die sofort abgestellt gehöre, so Gasser.

... und mehr Transparenz

Sowohl Grüne als auch Neos fordern Transparenz bei der Parteienfinanzierung im Ländle. 2019 einigten sich die Parteien bereits auf Spielregeln hierfür. Demnach müssten etwa die Geldflüsse von Teilorganisationen angegeben werden. Die Umsetzung bleibt bisher aber aus. Nun habe es allerdings ein Gesprächsangebot des ÖVP-Landtagsklubs gegeben, das sei erfreulich, sagt Zadra. Er wolle so schnell wie möglich Nägel mit Köpfen machen.

Ganz konkret wurde Wallner nur bei einem Punkt: Den angekündigten Gesellschafterwechsel bei der Firma Media Team begrüßt der Ländle-ÖVP-Obmann "ausdrücklich". Als Wirtschaftsbunddirektor dürfte Kessler allerdings bleiben – somit wäre er auch weiterhin für Anzeigen und Chefredaktion der "Vorarlberger Wirtschaft" verantwortlich. Das sorgt hinter den Kulissen durchaus für Aufregung.

Wirtschaftskammer hält an Zusammenarbeit fest

Auch die Verbindungen zur WKV werfen noch Fragen auf. Der Hintergrund: Der dortige Präsident, Hans-Peter Metzler, ist Wirtschaftsbund-Obmann und somit Kesslers Chef. Kessler war bei der WK-Wahl vergangenes Jahr Sprecher der von Metzler angeführten siegreichen Liste. In der Bilanz für 2020 sind laut Ö1 für Inserate Erlöse von knapp 532.000 Euro verbucht – eine Steigerung um 7,5 Prozent gegenüber 2019.

Bei der WKV will man an der Zusammenarbeit mit Media Team festhalten. In einer Stellungnahme nach der Rückzugsankündigung von Kessler hieß es, dass man seit vielen Jahren zusammenarbeite, "wenn es um Insertion in den beiden Zeitungen 'Die Wirtschaft' und 'Thema Vorarlberg' geht – und das stets im Rahmen gesetzlicher Ausschreibungen". Bei der europaweiten Ausschreibung habe man sich extra von "einer der renommiertesten Kanzleien in Sachen öffentliche Ausschreibungsverfahren" beraten lassen.

Ausschreibung: Maßgeschneidert oder offen?

Ausgeschrieben wurde diesen Sommer, beworben hatte sich nur Media Team. Vertraglich fixiert wurde die Zusammenarbeit (Stand 6.12.) allerdings noch nicht. Die WKV hat dem STANDARD die Ausschreibung weitergeleitet. Ein Kenner der Branche, der anonym bleiben will, weist darauf hin, dass die Ausschreibung wie für Media Team gemacht worden sei. So wird etwa verlangt, über ein vergleichbares Referenzprojekt zu verfügen, das die Inseratenakquisition für eine täglich, wöchentlich oder monatlich erscheinende Zeitung oder Zeitschrift zum Gegenstand hatte, die Leistung für mindestens zwölf Monate erbracht und in dieser Periode zumindest einen Umsatz von 400.000 Euro erzielt wurde. "Ein solches Referenzprojekt existiert in Vorarlberg neben der Arbeit von Media Team nicht", sagt der Kenner.

Christoph Jenny, Direktor der WKV, betont, dass bei dem Projekt keinerlei Referenz zu Vorarlberg verlangt worden sei. "Anzeigenakquisition setzt aber natürlich Vertrautheit mit dem hier anzusprechenden Vorarlberger Markt voraus. Daher wurde für die Projektleitung ein Jahr Tätigkeit mit der Vermarktung von Inseraten an Inserenten mit Sitz in Vorarlberg gefordert", so Jenny. Auch Bieter aus anderen Bundesländern oder aus dem Ausland hätten sich somit bewerben können. Auch dieser Punkt überzeugt den Branchenkenner nicht. Das sei "in der Praxis undenkbar".

Kommission mit Kessler-Bekannten

Darüber hinaus saßen in der Kommission, die das Konzept der einreichenden Agenturen bewertete, der Leiter der Presseabteilung der Wirtschaftskammer und der für die WKV-Zeitung zuständige Redakteur. Beide waren zuvor für die "Vorarlberger Nachrichten", die bekanntlich ein Russmedia-Produkt sind, tätig – Russmedia wiederum hält 40 Prozent an Kesslers Agentur. Der dritte Mann in der Kommission war Martin Dechant, seines Zeichens Obmann der Fachgruppe Werbung und Marktkommunikation. Bei der Kammerwahl 2020 war er Spitzenkandidat der Liste von Metzler mit Sprecher Kessler.

Jenny dazu: "Die Wirtschaftskammer hat die Mitglieder der Bewertungskommission bewusst in den Ausschreibungsunterlagen genannt, um die Mitgliedschaft transparent zu machen und Interessenten an der Ausschreibung die Möglichkeit zu geben, eventuelle Bedenken in Bezug auf die Unabhängigkeit zu äußern." Eine solche Transparenz sei vergaberechtlich nicht vorgeschrieben. Es seien während der Angebotsfrist aber keinerlei Bedenken in Bezug auf die Unabhängigkeit der Mitglieder der Bewertungskommission geäußert worden. Wäre das der Fall gewesen, "hätten wir zusammen mit der beigezogenen Anwaltskanzlei selbstverständlich unverzüglich geprüft".

Offene Fragen zu älteren Ausschreibungen

Die aktuelle Zusammenarbeit basiert auf der Ausschreibung von 2016. Bis zurück in die 80er-Jahre lässt sich die Zusammenarbeit datieren. Die Ausschreibungsunterlagen von 2016 übermittelte die WKV dem STANDARD trotz mehrmaliger Nachfrage nicht. Der anonyme Branchenkenner meint, damals sei nicht EU-weit ausgeschrieben worden, wie es eigentlich rechtlich gefordert wäre. Zuvor sei gar nicht ausgeschrieben worden. (Lara Hagen, 21.12.2021)