Die Rekonstruktion zeigt, wie das Saurierbaby im Ei vor rund 70 Millionen Jahren ausgesehen haben könnte.
Bild: Lida Xing

Ein zeitweise vergessenes versteinertes Ei enthüllt nun seine Geheimnisse: Das Fossil, das jahrelang unerforscht in einem Lager verharrte, wurde nun endlich präpariert und analysiert. Es zeigt einen Saurier-Embryo, der in zusammengekauerter Position in seiner Eierschale liegt – und dabei ähnlich aussieht wie Embryostadien von heutigen Hühnervögeln, wie das chinesisch-britisch-kanadische Forschungsteam im Fachjournal "iScience" berichtet.

Dass das wertvolle Fundstück aus der südchinesischen Stadt Ganzhou erst verspätet das Licht der Wissenschaftswelt erblickte, hat einen etwas skurrilen Hintergrund. Um das Jahr 2000 gelangte es in den Besitz des Firmenchefs der Yingliang Group, die sich vor allem dem Steinabbau und -handel widmet. Zunächst wurde das fossile Ei also als interessant genug eingeschätzt, um aufgehoben zu werden, aber dass sich darin die Überreste eines Dinosauriers befinden könnten, war nicht klar.

"Exquisiter Zustand"

Dies stellte sich erst heraus, als das Unternehmen ein eigenes naturhistorisches Museum baute und die eigenen Lagerräume nach Ausstellungsstücken durchsuchte. "Baby Yingliang", wie der Embryo bezeichnet wird, ist "in exquisitem Zustand erhalten", schreibt die Forschungsgruppe um Erstautorin Lida Xing von der Universität für Geowissenschaften in Peking. In den seltensten Fällen enthalten die Überreste von Dinosaurier-Eiern und -Nestern auch solch deutlich erkennbare Embryonen.

Das Ei ist etwa 17 Zentimeter lang, das Tier dürfte in dieser Lebensphase von Kopf bis Schwanz etwa 27 Zentimeter lang gewesen sein.
Foto: Xing et al., 2021

Das chinesische Saurierbaby ist 66 bis 72 Millionen Jahre alt und zählt zu den Oviraptorosauriern. Diese Gruppe beinhaltet Arten, die sich zweibeinig fortbewegten, aber von ganz unterschiedlicher Größe sind. Der Gigantoraptor wurde acht Meter lang, kleine Vertreter hingegen sind mit Hühnern vergleichbar. Überhaupt dürften sie relativ eng mit Vögeln verwandt sein – einige Spezies waren gefiedert, ob sie auch fliegen konnten, ist nicht bekannt.

Die Gattung Oviraptor, die in der heutigen Mongolei entdeckt wurde, ist benannt nach dem angeblichen Eierdiebstahl, den die Tiere betrieben. Derzeit nimmt man aber eher an, dass die Tiere sich nicht in der Nähe von Sauriernestern aufhielten, weil sie die Eier klauen wollten, sondern weil sie selbst die Eltern waren. Ernährt haben sie sich womöglich von Schnecken und Muscheln – dies leiten Fachleute jedenfalls von ihrer Schnabelform ab. Bei der Gruppe der Oviraptorosaurier, zu der auch Baby Yingliang gehört, kommen unterschiedliche Schnäbel und daher wohl auch verschiedene Ernährungsweisen vor, wie sie auch bei heute lebenden Vögeln bekannt sind.

Koordiniertes Schlüpfen

Vergleiche mit Hühnern und anderen rezenten Arten stellte auch das Forschungsteam an, denn die Details, die der Fund erkennen lässt, sind aufschlussreich: Die Position, in der es seine Gliedmaßen im Schutz der Eierschale anordnet, sind den Fachleuten zufolge vergleichbar mit einem Hühnerembryo an Tag 17 der Entwicklung – wenige Tage vor dem Schlüpfen. Diese Kauerstellung sei außerdem spezifisch für Vögel, was die bereits vermutete enge Verwandtschaft unterstreicht.

Das fossile Baby Yingliang nimmt eine ähnliche Position ein wie ein Hühnerembryo an Entwicklungstag 17.
Bild: Xing et al., 2021

Dieses Verhalten vor dem Schlüpfen könnte sich bei den Oviraptorosauriern entwickelt und so auch die Evolution der Vögel geprägt haben. "Wir waren überrascht zu sehen, wie dieser schön erhaltene Embryo in einem Dinosaurier-Ei in einer vogelartigen Position lag", sagt die Paläobiologin Waisum Ma von der Universität Birmingham, die sich auf diese Sauriergruppe spezialisiert hat.

Bisher gefundene Embryonen dieser Sauriergruppe bieten sich ebenfalls für Vergleiche mit der Entwicklung eines Huhns an.
Bild: Xing et al., 2021

Auch frühere Funde von Oviraptorosaurier-Embryonen nehmen eine ähnliche Körperhaltung ein und erinnern an die Lage von Hühnerembryos in späteren Entwicklungsstadien. Fachleuten zufolge entsteht die Position durch koordinierte Bewegungen, die für das erfolgreiche Schlüpfen entscheidend sind: Nicht aus jeder Position kann sich ein Küken gleich gut aus der Schale befreien.

Versteckte Skelettteile

Für Stephen Brusatte von der Uni Edinburgh, der die Studie betreute, handelt es sich um einen Ausnahmefund: "Dieser Dinosaurier-Embryo in seinem Ei ist eines der schönsten Fossilien, die ich je gesehen habe." Die Nähe des pränatalen Sauriers zu einem Vogelbaby sei "ein weiterer Beweis dafür, dass sich viele Merkmale, die für die heutigen Vögel charakteristisch sind, zuerst in ihren Dinosauriervorfahren entwickelt haben".

Um mehr über diesen Zusammenhang und das ungeschlüpfte Individuum herauszufinden, sind weitere Analysen geplant. Dazu gehören verschiedene bildgebende Verfahren. So kann das Forschungsteam auch noch jene Skelettteile betrachten, die sich tiefer im Körper befinden, beispielsweise die Schädelknochen, oder die noch durch den Stein verborgen sind. (Julia Sica, 22.12.2021)