Die grüne Basis äußert Bedenken gegen die Impfpflicht.

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Wien – Wer sich gegen die Impfpflicht und für "Impffreiheit" ausspricht und in einem Brief an die Parteispitze der Grünen vorschlägt, "die gesamte Gesundheitspolitik auf die Förderung einer nachhaltig gesunden Lebensweise und der individuellen Gesundheit auszurichten", gerät rasch in den Verdacht, ein Impfgegner zu sein. Da werde er aber gründlich missverstanden, betont Anselm Fleischmann, Grünen-Bezirksrat in Wien-Währing.

Er ist einer der zehn Unterzeichner des an der Basis der Grünen formulierten Briefes, der Unmut mit der Politik der Bundesregierung artikuliert, "aber wir wollen keinesfalls mit Kickl und Konsorten in ein Eck gestellt werden". Der Brief, der seit einigen Tagen im Internet und in den Medien zirkuliert, sei vielmehr eine Erinnerung an das Grünen-Selbstverständnis als Bürgerrechte-Partei.

Besorgnis wegen Impfpflicht

So sei der Text auch zu verstehen. Darin heißt es: "Als grüne Mitglieder, Sympathisant*innen und Funktionär*innen beobachten wir mit großer Besorgnis eine zunehmende gesellschaftliche Spaltung, seit die Regierung in den Maßnahmen zwischen geimpften und ungeimpften Menschen unterscheidet und in weiterer Folge die Impfpflicht angekündigt hat. Wir halten es für Unrecht, Menschen durch existenzgefährdende Maßnahmen (z. B. Jobverlust, Ausschluss vom gesellschaftlichen Leben) zu einem körperlichen Eingriff zu zwingen, dessen Wirksamkeit als Maßnahme der Pandemiebekämpfung nur eingeschränkt wissenschaftlich nachgewiesen ist. Wir halten die Vorgangsweise der Regierung auch für demokratiepolitisch und verfassungsrechtlich unhaltbar."

Auf das Schreiben habe es viele Rückmeldungen gegeben, allerdings nicht von den Adressaten, sondern von besorgten Bürgerinnen und Bürgern, erzählt Erstunterzeichner Johannes Falch, ein Unternehmer aus Feldkirch und Funktionär der Grünen Wirtschaft.

"Gott sei Dank, dass es bei den Grünen Leute gibt, die sich gegen das System wehren" sei der Tenor des Feedbacks, sagt Falch. Und: "Heute hat mir eine Ärztin gesagt, dass sie sich gerne anschließen würde, aber dann würde ihr die Praxis zugesperrt."

Kritik an ÖVP und Pharmaindustrie

Falch wirft im Gespräch mit dem STANDARD der ÖVP vor, "dass sie den Grünen eine schwarze Brille aufsetzt". Es gehe nur mehr um Parteipolitik, sagt der Vorarlberger und spekuliert, "dass vielleicht der Druck der Pharmaindustrie auf die Parteien zu groß geworden" sei. Als Verkäufer von Gesundheitsbetten wäre ihm daran gelegen, dass der Naturheilkunde das gleiche Gewicht wie der "Schulmedizin" zukomme.

Das dürfe nicht als Impfgegnerschaft aufgefasst werden, sagt Falchs Parteifreund Fleischmann, der betont, selbst geimpft zu sein: "Wir sind für Impfungen, aber mit Verhältnismäßigkeit." Daher sei er auch nicht glücklich darüber, dass das Schreiben öffentlich geworden ist, bevor Vizekanzler Werner Kogler überhaupt reagieren konnte. "Ich fürchte fast, das könnte kontraproduktiv sein." (Conrad Seidl, 23.12.2021)