Wer in welcher Schule Platz nimmt, bestimmt der soziale Hintergrund der Eltern: Kindern von Eltern mit maximal Pflichtschulabschluss sind nur mit drei Prozent in AHS-Unterstufen vertreten.

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Wien – Die soziale Herkunft bestimmt weiter stark die Schullaufbahn. Kinder aus unteren sozialen Schichten besuchen seltener höhere Schulen – auch bei gleicher Leistung, zeigt der neue Nationale Bildungsbericht. Tendenziell erbringen Kinder aus den unteren sozialen Schichten schlechtere Leistungen, die soziale Ungleichheit im Bildungssektor ist aber stärker durch Faktoren abhängig, die nichts mit Leistung zu tun haben.

Derzeit treten laut dem am Donnerstag ans Parlament gehenden, alle drei Jahre erscheinenden Bericht nach der Volksschule 38 Prozent der Kinder in eine AHS-Unterstufe über. Der Anteil von Akademikerkindern in der AHS-Unterstufe beträgt allerdings 50 Prozent, während jener von Kindern von Eltern mit maximal Pflichtschulabschluss nur bei drei Prozent liegt.

Nach der Sekundarstufe I (vor allem AHS-Unterstufe bzw. Mittelschule) besuchen 27 Prozent eine AHS-Oberstufe und 33 Prozent eine berufsbildende höhere Schule (BHS). Der Anteil von Akademikerkindern in der AHS-Oberstufe liegt bei 53 Prozent, jener von Kindern von Eltern mit maximal Pflichtschulabschluss nur bei vier Prozent. In der BHS stellen Akademikerkinder 28 Prozent, Kinder von Eltern mit maximal Pflichtschulabschluss sieben Prozent.

Nicht die Leistung entscheidet

Die Gründe für die unterschiedlichen Schulwahlentscheidungen lassen sich laut Bericht in zwei Gruppen unterteilen: Kinder aus schwächeren sozialen bzw. bildungsferneren Schichten erbringen auch schlechtere Leistungen – daher schaffen sie es seltener in eine AHS-Unterstufe bzw. später eine maturaführende Schule (primäre Ungleichheitseffekte). Aber auch bei gleicher Kompetenz gehen Kinder aus höheren Schichten wesentlich häufiger in formal höhere Schulen als jene aus unteren Schichten (sekundäre Effekte). Mögliche Gründe dafür sind die unterschiedliche subjektive Einschätzung der Kosten des Schulbesuchs, die unterschiedliche Einschätzung der Chancen für den Erfolg in einer formal höheren Schule oder der Wert von Bildung an und für sich in der jeweiligen Gruppe.

Bezüglich des Übertritts von der Volksschule in die AHS-Unterstufe sind die sozialen Ungleichheiten bei der Schulwahlentscheidung nur zu etwa einem Drittel durch Leistungsunterschiede (in diesem Fall der Mathematikkompetenz) zu erklären, zu zwei Dritteln aber durch die leistungsunabhängigen Effekte. Beim Übertritt nach der achten Schulstufe sind sie zu rund 40 Prozent durch Leistungsunterschiede erklärbar und zu 60 Prozent durch leistungsunabhängige Gründe.

Schwächere Mathematikkompetenz

Deutlich wird dies etwa durch einen Vergleich der bei der Bildungsstandard-Überprüfung 2018 erzielten Mathe-Ergebnisse mit den AHS-Übertrittsquoten nach der Volksschule jeweils nach den unterschiedlichen Bildungsabschlüssen der Eltern. In allen Gruppen zeigt sich ein klarer Zusammenhang zwischen der Mathematikkompetenz und dem Anteil der Schülerinnen und Schüler, die angeben, nach der Volksschule in eine AHS überzutreten. Kinder, deren Eltern maximal die Pflichtschule abgeschlossen haben, weisen dabei tendenziell eine schwächere Mathematikkompetenz auf und treten daher seltener in eine AHS über (primärer Effekt).

Vergleicht man aber nur die AHS-Übertrittsquoten der Gruppen jeweils für Kinder mit gleicher Mathematikkompetenz, zeigen sich starke leistungsunabhängige Unterschiede in der Schulwahl (sekundärer Effekt). Akademikerkinder, deren Leistung nahe am Österreichschnitt von 551 Punkten liegt, treten zu 62 Prozent in eine AHS über. Das ist mehr als doppelt so häufig wie Kinder, deren Eltern maximal eine Pflichtschule (24 Prozent) oder Berufsausbildung (Lehre bzw. berufsbildende mittlere Schule; 25 Prozent) abgeschlossen haben, und auch noch wesentlich häufiger als Kinder von Eltern mit Matura als höchstem Abschluss (44 Prozent).

Nicht alle Schulen mit Internet

Der Nationale Bildungsbericht gibt auch Überblick über den Zugang zu Internet an Schulen: 74 Prozent der Volksschulen, 84 Prozent der (Neuen) Mittelschulen, 96 Prozent der AHS und praktisch alle berufsbildenden mittleren und höheren Schulen (BMHS) waren 2020 mit einem Internetzugang für Schüler ausgestattet. Überdurchschnittlich häufig gibt es demnach Internetzugänge im Pflichtschulbereich in Salzburg, Wien, Tirol und der Steiermark, deutlich unter dem Schnitt liegt Kärnten.

In einem Beitrag im Bildungsbericht zum Thema Distance-Learning empfehlen Wissenschafterinnen und Wissenschafter auch einen Ausbau der schulischen IT-Infrastruktur. Bei diesem Thema zeige sich aber das "bekannte Problem der unterschiedlichen Schulerhalter": Das Bildungsministerium könne nur Mittel für die Bundesschulen (AHS, BMHS) zu Verfügung stellen, die Pflichtschulen seien von der Bereitschaft für Investitionen der jeweiligen Schulgemeinde abhängig. Bei der seit dem heurigen Schuljahr laufenden Ausstattung der Schüler mit digitalen Endgeräten in der Sekundarstufe I müsse die gesamte Schullaufbahn der Schülerinnen und Schüler berücksichtigt werden. Schon in der Volksschule müsse also darauf vorbereitet und in der Auswahl der Geräte auch die Bedürfnisse für die Sekundarstufe II mitgedacht werden. (APA, 20.12.2021)