Das Kunstkollektiv Aufstand der Schwestern bei einer Performance gegen Femizide in Österreich Ende Dezember.

Foto: Christian Fischer

Noch vor wenigen Jahren war der Begriff "Femizid" kaum verbreitet. Inzwischen kommt er in trauriger Regelmäßigkeit zum Einsatz, denn er beschreibt, dass eine Frau oder ein Mädchen aufgrund ihres Geschlechts getötet wurde. Dieser Begriff soll aufzeigen, dass gemeinsame Merkmale hinter diesen Tötungen und Morden stehen, Merkmale, die es bei männlichen Opfern so nicht gibt.

Das Europäische Institut für Gendergleichheit (EIGE) hat nun eine EU-weite Studie gestartet, die sich mit der Definition von "Femizid" befasst. Die Idee dahinter sei, dass genaue Begriffsdefinitionen die noch dürftige Datenlage über Gewalt an Frauen verbessert könnten, erklärt die Politikwissenschafterin Birgit Sauer von der Universität Wien. Sie hat sich im Rahmen des Projekts angesehen, welche systematischen Monitorings von Femiziden durch die Polizei und NGOs schon existieren, wie Femizid in der wissenschaftlichen Literatur definiert wird und welche Indikatoren es dafür gibt. Mit der Definition von Femizid sind komplexe Fragen verbunden, etwa jene, wo eine Gesellschaft eine Hierarchie zwischen den Geschlechtern ortet und problematisiert. Erst bei offensichtlichem Frauenhass? Oder auch bei ökonomischer Schlechterstellung oder strikten Rollenbildern?

Wann ist Geschlecht ein Motiv?

Besitzansprüche auf Frauen, eine Trennung nicht akzeptieren zu können oder wenn Frauenverachtung wiederholt zum Ausdruck gebracht wurde – all das könnten Hinweise für einen Femizid sein, erklärt Sauer. Trotzdem bleibt die Frage, ob eine Frau aufgrund ihres Geschlechts getötet wurde, eine schwierige. Ein Beispiel: Wenn ältere oder alleinstehende Frauen tödliche Verletzungen durch einen Raubmord erleiden, dann denken wir zwar nicht zwangsläufig an einen Femizid. Dennoch könnte sich ein Täter gezielt körperlich unterlegene Frauen aussuchen – und dann würde wiederum das Geschlecht durchaus eine Rolle spielen. Ob dann allerdings von "Frauenhass" gesprochen werden kann, ist fraglich. Manches werde auch weiter als unklar definiert werden müssen, sagt Sauer. Etwa beim Suizid eines Paares, das einen gemeinsamen Abschiedsbrief hinterlassen hat, wo die Tat aber letztlich allein durch den Mann verübt wurde.

Von "Femizid" wurde erstmals in Lateinamerika gesprochen, wo schon lange gegen die dortige massive Gewalt an Frauen gekämpft wird. "Der Begriff erinnert an 'Genozid' – und das soll er auch", sagt Birgit Sauer zur der beabsichtigten Assoziation zur Auslöschung einer ganzen Gruppe aufgrund bestimmter Eigenschaften. Im Rahmen des EIGE-Projekts werden unterschiedliche Kriterien und Definitionen zusammengetragen und zur Diskussion gestellt. Das längerfristige Ziel: ein europäisches Zentralregister, in das die einzelnen EU-Staaten ihre Daten eingeben, damit alle Femizide registriert werden. "Vergleichbare Daten zu geschlechtsspezifischen Tötungen von Frauen und Mädchen sind für das Verständnis der Prävalenz von Femiziden unerlässlich", heißt es auf der Webseite der EIGE.

Indikatoren für Femizide könnten diverse Abhängigkeitsverhältnisse sein, zum Beispiel wenn der Aufenthaltsstatus einer Frau von dem ihres Mannes abhängig ist. "Frauen haben dann kaum die Möglichkeit, ihren Partner zu verlassen, wenn sie als Folge davon womöglich aus dem Land geschmissen werden", meint die Politikwissenschafterin.

Beispiele aus Finnland und Südamerika

"Kein Täter sagt, er habe eine Frau umgebracht, weil er sie beherrschen wollte", sagt Sauer. Das müssen schon die Behörden feststellen. Eine standardisierte Dokumentation für die Polizei könne bei einer raschen und besseren Einordnung helfen. In Finnland und auch in Teilen Südamerikas gibt es bereits systematische Monitoringsysteme für die Polizei.

In Österreich kennen wir die genaue Zahl an Morden und Tötungen an Frauen erst im jeweiligen Folgejahr. Die Kriminalstatistik gibt allerdings keine Auskunft darüber, in welchem Verhältnis Opfer und Täter standen – und schon gar nicht, ob Frauenhass ein zentrales Motiv war. (Beate Hausbichler, 17.1.2021)