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Die türkisen Politstars Sebastian Kurz und Gernot Blümel zieht es in die Privatwirtschaft.

Foto: Schneider/Picturedesk

Was tun nach der Spitzenpolitik? Für ehemalige Parteiobleute und Regierungsmitglieder stellt sich diese Frage in demokratischer Regelmäßigkeit – und immer wieder sorgen ihre Entscheidungen für einen Aufschrei. Die Liste kontroverser Engagements ist lang, sie beinhaltet Aufsichtsratsmandate in Russland oder Jobs beim Glücksspielkonzern Novomatic. Nur wenige schaffen es nach dem Ende ihrer Amtszeit, aus der Öffentlichkeit zu verschwinden.

Mit den neuen Jobs für Altkanzler Sebastian Kurz und den früheren Finanzminister Gernot Blümel begann diese Debatte wieder zu köcheln. Es ist vor allem die Geschwindigkeit, die Kritikern zu denken gibt: Blümel fand seine neue Stelle als CEO beim Investmentfonds Superfund nur etwas mehr als einen Monat nach seinem Ausscheiden als Finanzminister. Auch Sebastian Kurz heuerte binnen weniger Wochen nach seinem Rücktritt aus der Politik bei Techmilliardär Peter Thiel an.

Cooling-off

Wie viel Einfluss haben die einstigen Spitzenpolitiker da noch in ihren früheren Ressorts? Wie sehr nutzen sie Informationen und Kontakte, über die sie aus ihrem Regierungsamt verfügen, für ihren neuen Arbeitgeber? Derartige Fragen hatten sich schon 2014 gestellt, als in Österreich heftig über die Einführung einer Cooling-off-Phase für ehemalige Spitzenpolitiker diskutiert worden war. Neos und Grüne, damals noch in Opposition, verlangten, dass vor allem beim Wechsel in Branchen, mit denen Politiker zuvor zu tun hatten, eine Auszeit zwingend nötig sei. Blümels fast direkter Wechsel vom Finanzministerium zu einem Investmentfonds fällt genau in diese Kategorie.

Aber auch die ideologische Symbolwirkung ist nicht zu vernachlässigen. Das spektakulärste Beispiel dafür war wohl der Wechsel der einstigen Grünen-Chefin Eva Glawischnig zum Glücksspielkonzern Novomatic, den sie später als einen Akt der Rebellion bezeichnet hat. Chats von Novomatic-Managern zeigten, wie sich diese über die "Schnappatmung von Gutmenschen" freuten, als Glawischnigs Rekrutierung bekannt wurde.

Das Private ist politisch?

Besonders links der Mitte werden Politikerinnen und Politiker auch an ihren persönlichen Entscheidungen gemessen: Das Private ist eben politisch. Deshalb gab es durchaus Rumoren in der SPÖ, als Altkanzler Alfred Gusenbauer vergangenen Herbst die Viktor-Adler-Plakette verliehen wurde. Denn Gusenbauer ist mittlerweile im großen Stil als Unternehmensberater und Lobbyist unterwegs – nicht nur für die Novomatic, sondern auch für Autokraten in Osteuropa.

Was sagen also die neuen Jobs von Kurz und Blümel politisch aus? Letzterem hängt unter anderem eine Chatnachricht nach, in der er den damaligen Generalsekretär im Finanzministerium, Thomas Schmid, getröstet hat: "Du bist Familie", schrieb er ihm. Zur entfernten türkis-blauen Verwandtschaft gehörte wohl auch Superfund-Gründer Christian Baha. Im Ibiza-Video hatte der damalige FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache von seiner guten Beziehung zu Baha erzählt. Dieser habe ihm geraten, das Parteivermögen in Gold anzulegen, hatte Strache behauptet. Auch in dessen Zeit als Vizekanzler blieb das gute Verhältnis aufrecht, laut dem Terminkalender seiner Assistentin gab es sieben Treffen mit Baha.

In den Chats, die von der Staatsanwaltschaft ausgewertet worden sind, taucht Baha bislang nur einmal auf: Im Herbst 2018 fragte er Schmid, ob er "vielleicht in New York City im November" sei. "Christian eher nicht. Vergiss nicht. Du bist der erfolgreiche Investment guy und ich bin ein Galeeren Sklave", antwortete dieser. Aber, tröstete ihn Baha: "Bald bist der höchste Capitän bei der Öbib. Wie wärs im Jänner nach LA oder Palo Alto?" "Klingt wie ein genialer Traum", erwiderte Schmid. Für die Ermittler ist diese Konversation deshalb interessant, weil es im Oktober 2018 noch nicht einmal eine Ausschreibung für den Posten des künftigen Öbag-Chefs (damals noch Öbib) gegeben hatte – Schmids Ambitionen unter Kennern aber kein Geheimnis waren.

Eher unfreiwillig war Baha 2016 in die Schlagzeilen geraten: Er hatte Mitarbeiter angewiesen, Gold im Garten seines Anwesens zu vergraben; die hatten es daraufhin gestohlen. Ein Schweizer Gericht stellt klar, dass Baha rund um den Umbau seines früheren Schlosses als "Lohndumper" bezeichnet werden darf.

Thiel, der Provokateur

Globalen Einfluss hat hingegen Kurz' neuer Arbeitgeber Peter Thiel. Der vertritt eine extrem libertäre Ideologie, die den Einfluss des Staates stark zurückdrängen möchte. Im Wahljahr 2016 schockierte Thiel seine Tech-Community mit der offenen Unterstützung für Donald Trump, bei dessen Schwiegersohn Jared Kushner Kurz ja fast gelandet wäre.

Thiel sorgt regelmäßig für Kontroversen, besonders viel Aufruhr verursachte ein Essay aus dem Jahr 2009. Darin schrieb Thiel, er glaube nicht mehr daran, dass "Freiheit und Demokratie kompatibel" seien. Seit den 1920er-Jahren hätten das Frauenwahlrecht und der Wohlfahrtsstaat "den Begriff der 'kapitalistischen Demokratie' zu einem Widerspruch" gemacht. Diesen Satz musste Thiel später erläutern; er versicherte, dass es absurd wäre, nahezulegen, dass das Frauenwahlrecht zurückgenommen würde; und dass dieser Schritt auch nichts ändern würde.

Nachdem der US-Szeneblog "Gawker" Thiel gegen dessen Willen als homosexuell geoutet hatte, finanzierte der Milliardär einen Rechtsstreit von Wrestlingstar Hulk Hogan, der schließlich zum Ende von "Gawker" führte. Gute Beziehungen soll Thiel auch zu Trumps früherem Strategen Stephen Bannon haben, einem Vordenker der "Alt Right"-Bewegung.

Einen Nachgeschmack hinterlassen aber auch die Abschiedsbekundungen von Kurz und Blümel, als diese die Politik verließen: Beide Jungväter sprachen davon, künftig mehr Zeit mit ihrer Familie verbringen zu möchten. Das wird eher nicht der Fall sein: Kurz wird regelmäßig in die USA fliegen, Blümel "zwischen den Unternehmensstandorten in Wien, Tokio, Hongkong, New York, Vaduz und Zürich pendeln". (Fabian Schmid, 13.1.2022)