Ab Mitte März wird die Polizei auch den Impfstatus überprüfen. Sind Ungeimpfte dann an einem Ort, an dem 2G gilt, können sie sogar doppelt bestraft werden.

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Die Impfpflicht kommt also in drei Phasen. Die Etappen im Schnelldurchlauf: Anfang Februar tritt das Gesetz in Kraft, gestraft wird noch nicht. Mitte März kommen stichprobenartige Kontrollen und Geldstrafen. Und zu einem unbestimmten Zeitpunkt kommt – wenn überhaupt – die flächendeckende Impfpflicht. Welche Fragen sind da noch offen?

Frage: Wie hoch sind die Strafen?

Antwort: Die Behörden können ab 16. März in einem abgekürzten Verfahren Impfstrafverfügungen mit einer Geldstrafe bis zu 600 Euro verhängen – insgesamt viermal im Jahr. Dazu, wie hoch die Strafen konkret sein werden, gibt es im Gesetz aber keine näheren Hinweise. Die Behörden haben also einen Ermessensspielraum, erklärt Valerie Mayer, Rechtsanwältin für Verwaltungsrecht. In der Praxis werde sich wohl eine standardisierte Strafhöhe herausbilden.

Frage: Was hat es mit der maximalen Strafhöhe von 3.600 Euro auf sich?

Antwort: Im sogenannten ordentlichen Verfahren drohen laut dem Entwurf Strafen bis zu 3.600 Euro, die ebenfalls viermal im Jahr verhängt werden können, sagt Mayer. Die genaue Höhe orientiert sich am Einkommen und Vermögen der jeweiligen Person. Zu so einem ordentlichen Verfahren kommt es etwa dann, wenn sich Beschuldigte gegen die Impfstrafverfügung wehren. Wer Einspruch erhebt, dem droht also eine höhere Strafe. Das Ziel dieser neuen Bestimmung ist klar: Sie soll lange Verfahren verhindern und die Verwaltung entlasten.

Frage: Ist dieser Passus verfassungskonform?

Antwort: Da sind sich die Verfassungsjuristen nicht ganz einig, die Regelung ist jedenfalls umstritten. Benjamin Kneihs von der Universität Salzburg hält die Bestimmung für verfassungswidrig, wie er in der Sendung "Im Zentrum" auf ORF 2 erklärte. Auch Peter Bußjäger, Verfassungsrechtler an der Universität Innsbruck sagt, dass die Regelung "wohl verfassungswidrig" sei. Anderer Meinung ist Christoph Bezemek von der Universität Graz. Der Gesetzgeber dürfe hier differenzieren, sagt er.

Frage: Was ist an der Regel problematisch?

Antwort: Die Grundregel ist, dass Menschen keinen Nachteil haben dürfen, wenn sie sich gegen eine Strafe beschweren. Die Strafe darf nach einem Einspruch also grundsätzlich nicht erhöht werden. Wenn der Gesetzgeber von diesem Grundsatz abweicht – so wie jetzt bei der Impfpflicht –, dann muss er das begründen. Allein das Ziel, den Verwaltungsaufwand zu reduzieren, ist aus Sicht einiger Verfassungsrechtler aber kein Grund, den Rechtsschutz einzuschränken.

Frage: Gibt es weitere Bestimmungen, die kritisiert werden?

Antwort: Christian Schneider, Anwalt für öffentliches Recht, hält es für verfassungsrechtlich "problematisch", dass Einsprüche begründet sein müssen. Auch diese Regelung soll offenbar den Verwaltungsaufwand reduzieren. Dasselbe gilt für eine neue Bestimmung im Verfahren vor den Verwaltungsgerichten. Richter dürfen künftig von mündlichen Verhandlungen absehen, wenn schlicht behauptet wird, die Impfpflicht sei verfassungswidrig. Laut der Regierung muss in solchen Fällen sowieso der Verfassungsgerichtshof prüfen. Verfassungsjurist Heinz Mayer sieht es außerdem kritisch, dass man als ungeimpfte Person mehrmals für ein und dasselbe Delikt gestraft werden kann – er plädiert an dieser Stelle stattdessen für Beugestrafen.

Frage: Ist das Gesetz also schlecht gemacht?

Antwort: Nicht grundsätzlich, aber es gibt doch noch einige Baustellen. Die Regierung hat noch bis Donnerstag Zeit, diese zu reparieren. Heinz Mayer formuliert das so: "Ob das in allen Details vor dem Verfassungsgericht halten wird, kann man schwer voraussagen, aber es wurde ordentlich, korrekt und seriös gearbeitet."

Frage: Wie genau sehen die Kontrollen ab dem 16. März aus?

Antwort: In Phase zwei kann die Polizei bei allerlei Gelegenheiten prüfen, ob eine Person geimpft ist, etwa bei einer Verkehrskontrolle, aber auch, wenn sie die 2G-Regel im Gasthaus überprüft. Laut Verfassungsministerin Karoline Edtstadler (ÖVP) brauche man beim Joggen nicht den grünen Pass mitführen. Heinz Mayer führt aber ins Treffen, dass die Polizei sehr wohl auch etwa auf dem Gehsteig nach dem Impfstatus fragen kann. Vor allem dann, wenn es wie momentan einen Lockdown für Ungeimpfte gibt. Die müssen dann einen Ausnahmegrund glaubhaft machen, warum sie draußen sind, und womöglich sogar wegen zweier Delikte zahlen: weil sie die Impfpflicht und den Lockdown verletzt haben.

Frage: Wie ist das in Geschäften oder Bars?

Antwort: Da müssen ja momentan die Betreiber den 2G-Status kontrollieren. Wird Mitte März, wenn die Impfpflicht greift, immer noch 2G gelten, dann können Kassierin oder Barkeeper eine Person freilich nicht strafen, weil diese gegen die Impfpflicht verstößt, sie können die Person aber sehr wohl bei den Gesundheitsbehörden anzeigen. Die müssen den Fall dann prüfen, "sofern es keine mutwillige Belästigung der Behörden ist", wie Mayer sagt. So eine Anzeige kann freilich jeder oder jede machen.

Frage: Was kommt nach Phase zwei – und wann kommt das?

Antwort: Sobald die technischen Grundlagen dafür da sind, wird ein Erinnerungsschreiben an alle Ungeimpften verschickt. Und: Sobald es epidemiologisch notwendig ist, weil Spitäler an ihre Grenzen kommen, startet Phase drei. Dann wird automatisiert gestraft, nicht mehr nur stichprobenartig. Wann es so weit sein wird, ist unklar, die Regierung hofft, dass es niemals dazu kommt. Gerhard Aigner, ehemals Legistiker im Gesundheitsministerium, betont jedenfalls: Eine Impfpflicht ist dann zulässig, wenn es darum geht, das Gesundheitssystem zu schützen – und nicht erst dann, wenn eine Impfung Infektionen zu 100 Prozent verhindert. Das heißt aber im Umkehrschluss: "Gebe es rein theoretisch eine Mutation und dagegen keinen Impfstoff, dann müsste man die Impfpflicht aussetzen, bis man einen Impfschutz hat, der vor schweren Erkrankungen schützt."

Frage: Was passiert derweil im Parlament?

Antwort: Dorthin luden alle Parteien am Montag in den Gesundheitsausschuss jeweils eine Expertin oder einen Experten ein, um das Impfpflichtgesetz in einer öffentlichen Diskussion bewerten zu lassen. Grundsätzlich wurde es mehrheitlich für zulässig und notwendig erachtet. Die von der Regierung entsandte Allgemeinmedizinerin Susanne Rabady argumentierte etwa, dass schwere Verläufe und damit persönliches Leid sowie eine Überlastung medizinischer und kritischer Infrastruktur reduziert werden könne, je mehr Menschen geimpft seien. Der Verfassungs- und Verwaltungsrechtler Michael Geistlinger, den die FPÖ nominierte, sieht das anders. Aus seiner Sicht wird mit dem neuen Gesetz eine Reihe von Grundrechten verletzt, darunter das Recht auf Privatleben. Auch sei die Datenlage über die Impfung zu dürftig, um ein solches Gesetz argumentieren zu können.

Frage: Und dann?

Antwort: Am Donnerstag wird das Gesetz voraussichtlich im Parlament beschlossen. Dafür braucht es die Hälfte der Stimmen, die hat die Regierung im National- und im Bundesrat. Außerdem haben auch Teile der Neos und der SPÖ ihre Unterstützung zugesagt. Sollte noch eine Verfassungsbestimmung eingebaut werden, würde es eine Zweidrittelmehrheit brauchen. Davon ist nicht auszugehen.

Frage: Gibt es weitere Baustellen?

Antwort: Probleme könnten sich für jene ergeben, die die Boosterimpfung zu früh in Anspruch genommen haben. So sehen die aktuellen Corona-Maßnahmen vor, dass mindestens 120 Tage zwischen der zweiten und dritten Impfung verstreichen müssen. In zwei Fällen, die dem STANDARD bekannt sind, ließen sich die Betroffenen etwa zwei bzw. fünf Tage vor Ende der Frist impfen. Die Folge: Die dritte Impfung ist nicht gültig, im digitalen grünen Pass sind nur zwei Impfungen eingetragen. Das hat vor allem im EU-Ausland Folgen, hierzulande gilt noch der gelbe Papier-Impfpass. In puncto Impfpflicht könnte das bei Stichprobenkontrollen dazu führen, dass die Impfung digital nicht eingetragen ist – und ein analoger Nachweis notwendig ist. Das Gesundheitsministerium erklärte auf Anfrage, dass keine Überarbeitungen geplant sind. Jene, die den dritten Stich zu früh erhalten haben, müssten nun eben 120 Tage warten und sich erneut impfen lassen. (Muzayen Al-Youssef, Jan Michael Marchart, Jakob Pflügl, Gabriele Scherndl, 17.1.2022)